Eine Glosse von Rainer Burmeister

„Die Konjunktur brummt“, sagen Ökonomen und Politiker, wenn es, wie zuletzt, mit der Wirtschaft in Deutschland aufwärts geht. In meinem beschaulichen Heimatörtchen ist das Brummen derzeit selbst in der Ferienzeit nicht zu überhören. In diesem speziellen Wirtschafts-Biotop (Biotop: Räumlich begrenzter Lebensraum, der eine angepasste Lebensgemeinschaft beherbergt) entwickelt es sich zu einem Gesamtklangwerk.

Frühmorgens wird die angepasste Lebensgemeinschaft aus dem Schlaf gerissen, wenn fleißige Landschaftsgärtner damit beginnen, das wuchernde Grün an allen Hecken und Ecken mit motorisierten Kettensägen zurechtzustutzen. Wenig später setzt beim Zusammenkehren des Schnittguts der Saugbläser mit Getöse ein. Als hätte ein unsichtbarer Dirigent den Taktstock geschwungen, legt sich später ein Bauarbeiter auf einem Gerüst ins Zeug, um mit seinem ratternden Bohrhammer scheinbar sinnlos Löcher ins Mauerwerk zu rammen.

Unterstützt wird das Klangkunststück von in Richtung Autobahn dieselnden Lkw, die Wirtschaftsgüter von hier nach da oder umgekehrt bringen. Aus der Ferne grüßen eine quietschende Baggerschaufel von einer Kanalisationsbaustelle sowie das Summen ebenjener Autobahn und das Scheppern der Güterzüge, die vermutlich von einer Konjunktur-Lokomotive gezogen werden. Wen wundert’s da noch, dass Amseln und Drosseln den Gesang eingestellt haben. Vermutlich sind sie auf der Flucht und suchen Asyl in Hagenbecks Tierpark.