Weil sie eine Frau rettete, wurde Barbara Seeliger aus Over von Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer ausgezeichnet

Over. Barbara Seeliger ist jetzt nicht so der Typ Frau, der sich mit Schmuck behängt. Eine Kette mit einem kleinen Anhänger – ja, dazu ein schlichter Ring – mehr trägt die 67-Jährige eigentlich nicht. Trotzdem liegt jetzt ein neues Schmuckstück in ihrer Schatulle. Es ist eine Silbermedaille, darauf der heilige Christophorus mit langem Bart und Mantel, der sich einem kleinen Jesuskind zuwendet. „Öffentliche Belobigung zur Rettung aus Lebensgefahr“ steht auf der Münze geschrieben. Die Christophorus-Medaille mit einer hübschen weiß-blauen Schleife hat Barbara Seeliger im Mai in der bayerischen Staatskanzlei in München aus den Händen des bayerischen Ministerpräsidenten Horst Seehofer entgegen genommen. Sie ist ein kleiner Dank für eine Tat, die für die Geehrte nicht mal etwas Besonderes war.

Die ehemalige Realschullehrerin fährt regelmäßig nach Bayern, die halbe Familie lebt dort. Im April vergangenen Jahres reiste sie nach Burgkirchen ganz in der Nähe von Altötting. Dort besuchte sie die Familie ihres Sohnes und genoss die Zeit mit den Enkelkindern. Die Kleinen brauchen regelmäßig frische Luft, also setzte Barbara Seeliger an diesem Aprilmorgen ihren anderthalbjährigen Enkel in die Sportkarre und ging spazieren. An einem reißenden Seitenkanal der Alz, die durch die Region fließt, bemerkte sie eine alte Dame an einem Brückengeländer. „Sie hatte einen dicken Fellmantel an, darunter lugte ein Nachthemd hervor, außerdem trug sie Pantoffeln. ich dachte gleich, dass sie aus einem nahe gelegenen Altersheim getürmt ist.“ Als die Frau Anstalten machte, über das Brückengeländer zu steigen, entschied sich Barbara Seeliger zum Handeln: „Ich bin mit der Karre hin gesprintet und habe sie gefragt ob ich helfen kann“, erinnert sich Seeliger. Die Frau war jedoch störrisch und ließ sich nicht mit guten Worten von ihrem Vorhaben, über das Geländer zu steigen, abbringen. „Ich habe sie festgehalten, und dann um Hilfe gerufen“, erinnert sich Seeliger an den Tag.

Was dann geschah, ringt ihr immer noch ein verständnisloses Kopfschütteln ab: Zwei Männer hatten aus einiger Entfernung alles sehr interessiert beobachtet. Als Seeliger aber um Hilfe rief, drehten sich die beiden Männer um und gingen weg. Eine Radfahrerin reagierte da ganz anders, sie sprang sofort von ihrem Fahrrad und kam zu Hilfe, auch ein Maler, der in der Nähe eine Fassade strich, half dabei, die alte Dame in Sicherheit zu bringen.

Damit war der Vorfall für Barbara Seeliger abgehakt. Nicht aber für Georg Nieß, den ersten Polizeihauptkommissar von Burghausen. Der dankte der Retterin mit einem persönlichen Schreiben und einem kleinen Geschenk. Barabara Seeliger freute sich – und hakte die Geschichte abermals ab. Bis vor ein paar Monaten eine Einladung aus der bayeerischen Staatskanzlei bei ihr im Briefkasten lag. Sie reiste im Mai nach München zu einer Feierstunde, in der 140 Menschen geehrt wurden, die in den vergangenen drei Jahren Zivilcourage bewiesen und Menschenleben gerettet hatten. Der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer ließ es sich nicht nehmen die Orden und Medaillen persönlich zu überreichen. Barbara Seeliger war beeindruckt. Von dem festlichen Akt mit Streichkonzert und Festessen, vor allem aber von den Leistungen, der anderen Geehrten. „Ich habe ja nichts Besonderes gemacht, andere hatten bei der Rettung von Menschen ihr eigenes Leben in Gefahr gebracht!“

Viele von ihnen sind Polizisten und Feuerwehrleute, die tagtäglich viel riskieren. „Da war aber auch ein Mann aus Ulm, der ins Wasser gesprungen ist, um ein Baby, das im Kinderwagen in den Fluss gerollt war, zu retten“, sagt Barbara Seeliger. Geehrt wurden Menschen, die Eingebrochene aus dem Eis bargen, die Verletzte aus Wracks zogen und aus brennenden Häusern holten. Beeindruckt hat sie auch ein 16 Jahre altes Mädchen. Das reagierte bei einer Fahrt mit einem Reisebus geistesgegenwärtig, als die Fahrerin auf der A 3 ohnmächtig hinterm Steuer zusammenbrach. Sie griff in das Lenkrad und brachte den mit 50 Personen besetzten Reisebus gerade noch rechtzeitig zum Stehen, bevor er über die mehrere Meter tiefe Böschung stürzen konnte. Für Barbara Seeliger sind das die wahren Helden, sie selbst, sagt sie, hat nur etwas getan, was für sie selbstverständlich ist. „Ich bin nicht der Typ, der daneben stehen und zusehen kann.“

Sich zu engagieren und Zivilcourage zu zeigen – das kann man ihrer Ansicht nach lernen. „Das kann man sogar üben, mit kleinen Dingen des Alltags: anderen die Tür aufhalten, helfen, einen Kinderwagen zu tragen, fragen, wenn jemand offensichtlich hilflos ist.“ Dabei fallen ihr blinde Menschen ein, die bei der Überquerung von Straßen, Unterstützung brauchen. „Wo ist da das Problem? Und trotzdem sind viele peinlich berührt, wenn sie angesprochen und um Hilfe gebeten werden.“

Trotzdem würde auch Barbara Seeliger nicht vorbehaltlos eingreifen. „Man muss die Situation genau einschätzen.“, sagt sie. Wichtig sei es, andere anzusprechen und um Unterstützung zu bitten. „Da kann man auch ruhig laut werden“, macht die 67-Jährige anderen Mut. Sie selbst erinnert sich an ihre Heldentat in Zukunft immer dann, wenn sie in ihrer Schmuckschatulle die Christophorus-Medaille ansieht.