Südafrikanerin besucht vier Wochen das Tostedter Gymnasium. Ein Leben ohne Uniform, mit Schützenfest und Hektik

Tostedt. Nicole Antonio war gut vorbereitet. Sie wusste, dass Autos der Marke BMW und Mercedes in Deutschland verbreitet sind und dass die Deutschen leidenschaftliche Brotesser sind. Aber dass so oft Fleisch auf den Tisch kommt und die Menschen meistens mit dem Fahrrad unterwegs sind, hat sie überrascht. „Aber das ist wunderbar. Ich fahre gern Fahrrad“, sagt sie.

Seit fast vier Wochen weilt die 15-Jährige als Austauschschülerin in Tostedt. Die Tochter portugisischer Eltern stammt aus Ruimsig, einem Vorort von Johannesburg in Südafrika. Familie Zeidler aus Tostedt hat das Mädchen aufgenommen. Über die Austauschorganisation Friendship South Africa (FSA) ist Nicole Antonio nach Deutschland gekommen.

Ein Bericht im Hamburger Abendblatt hatte Gastmutter Susanne Zeidler auf die Organisation aufmerksam gemacht. Die Familie ist erprobt in der Aufnahme von Schülern aus dem Ausland. Ein Mädchen aus Frankreich verbrachte bereits eine Woche bei ihr. Für die Zeidlers ist es eine schöne Gelegenheit, sich andere Kulturen ins Haus zu holen und mit fremden Sprachen auseinander zu setzen.

Nach den vier Wochen mit Nicole Antonio sagt Susanne Zeidler. „Ich würde es immer wieder machen.“ Da Tochter Aileen ohnehin viel Besuch bekommt, war es auch keine große Umstellung für die Familie, ein Mädchen mehr im Haus zu haben. Für Nicole Antonio war die Reise nach Deutschland vom ersten Tag an ein Abenteuer. Der erste Flug. Das erste Mal Deutsch. An der Schule in Südafrika wird die Deutsche Sprache nicht unterrichtet. Ein paar Brocken hat sie in den vier Wochen gelernt, die viel darüber aussagen, wie sie die Zeit in Tostedt erlebt hat: blauer Himmel, Wind, Sonne, Sahne, das sie „Soooaane“ ausspricht und natürlich Standards wie Danke und Bitte und die deutschen Zahlen bis elf.

Dinge, die für die Deutschen das Normalste der Welt sind, waren für sie eine große Umstellung. Sie musste sich daran gewöhnen, dass die Sonne drei Stunden länger am Himmel steht als in Südafrika. Dass so Vieles in Deutschland kleiner ist als in Südafrika – die Straßen, die Ampeln, die Häuser. Und dass kein Tankwart, sondern die Autofahrer die Fahrzeuge voll tanken.

Fast jeden Tag hat Nicole Antonio zusammen mit Tochter Aileen Zeidler, 14, das Gymnasium Tostedt besucht, obwohl es in einem vierwöchigen Austausch nicht ihre Pflicht war. Den Mitschülern erklärte sie in einem Vortrag die nationalen Symbole von Südafrika, Touristenattraktionen wie Kapstadt mit Table Mountain und die Tierwelt.

Aileen Zeidler konnte ihre Englischkenntnisse deutlich aufbessern. Sowohl zuhause als auch in der Schule übersetzte sie vom Deutschen ins Englische. Für sie war es, als hätte sie eine Schwester und eine Freundin zugleich. Schon jetzt ist klar, dass die beiden Kontakt halten werden per Skype und Facebook. Und im nächsten Jahr wird Aileen sie dann besuchen. Voraussichtlich bleibt auch sie vier Wochen. „Ich freue mich schon auf die große Familie“, sagt Aileen Zeidler.

Das Leben in Tostedt empfand Nicole Antonio meistens als sehr friedlich und entspannt. Landleben pur wurde ihr in den vier Wochen geboten: Schützenfest, Ausflüge zum Baggersee und Eisdielenbesuche. Aber auch den Michel und das Rathaus in Hamburg besuchten die Zeidlers mit ihr. Nicole Antonio lernte aber auch typische deutsche Tugenden kennen: das Hasten, die Pünktlichkeit. Wo immer sie mit den Deutschen unterwegs war, konnte sie kaum Schritt halten. Sie genoss es, sich umzuschauen, den Ausblick zu genießen. „Da wird einem bewusst, wie hektisch wir sind“, sagt Susanne Zeidler.

Die größten Herausforderungen aber waren: mit dem Fahrrad auf der rechten Fahrbahnseite zu bleiben und sich jeden Tag ein neues Outfit für die Schule zurechtzulegen. An ihrer Schule in Südafrika ist das Tragen einer Uniform Pflicht. „Ich konnte mich nie entscheiden, was ich anziehen sollte“, sagt sie. Ab Freitag hat sie dann nicht mehr die Qual der Wahl. Dann kehrt sie zurück nach Hause. Das hätte sie zwar nie gedacht, aber auf eines freut sie sich besonders: Dass ihre Mutter auf Portugiesich mit ihr schimpft.