„100 Konzerte für Armenien“. Bass-Bariton Adam Barro aus Frankreich buchte die Sängerinnen und Sänger für seine Konzerttour

Neu Wulmstorf. 22 Männer und Frauen aus dem Landkreis Harburg geben dem armenischen Volk eine Stimme: Bei der Gedenkfeier zur Erinnerung an den Völkermord im Osmanischen Reich, die alljährlich in der St.-Petri-Kirche in Hamburg stattfindet, gestalten sie seit vier Jahren das musikalische Programm. Nun bereitet sich der Neu Wulmstorfer Gayane-Chor auf einen weiteren Höhepunkt vor: Der französisch-armenische Bass-Bariton Adam Barro hat Chorleiterin Gayane Grover gebeten, mit ihm gemeinsam eine Konzertreihe zu gestalten. Premiere ist am 7. November in der Hamburger Laeizhalle.

Armenien, das Bergland zwischen Georgien, Aserbaidschan, dem Iran und der Türkei, hat eine bewegte Geschichte. Der Streit um die Anerkennung des Völkermords an den Armeniern im Ersten Weltkrieg als historische Tatsache belastet bis heute die Beziehungen zwischen der Türkei und Armenien einerseits sowie zahlreichen westlichen Staaten andererseits. Dem Genozid fielen bei Massakern und Todesmärschen je nach Schätzung zwischen 300.000 und mehr als 1,5 Millionen Menschen zum Opfer. Anstelle eines internationalen Tribunals kam es 1923 zu einer umfassenden Generalamnestie, die alle zwischen 1914 und 1922 begangenen Verbrechen der Strafverfolgung für immer entzog. Für die Armenier ist das ein ungesühntes Unrecht. Sie fordern seit Jahrzehnten ein angemessenes Gedenken – auch in der Türkei. Denn die türkische Regierung bestreitet, dass es jemals einen Völkermord gegeben hat.

Gayane Grover weiß, wie viel Leid der Krieg ihrem Volk zufügte. „Die Ereignisse sind für viele Armenier immer noch sehr präsent. Sie finden oft Ausdruck in der Musik“, sagt die gebürtige Armenierin. Grover wuchs in einem kleinen Dorf in der Nähe der Hauptstadt Jerewan auf und besuchte schon in jungen Jahren auf Wunsch ihrer Mutter eine Schule mit Schwerpunkt Musik. Später ließ sie sich am Konservatorium zur Chor- und Orchesterleiterin ausbilden, gab ihr Können schließlich an die Kinder aus Armarvir weiter, die sich einen Schulbesuch in der Stadt nicht leisten konnten. Als sie 1994 für die Hochzeit ihrer Schwester nach Deutschland reiste, lernte sie ihren Mann kennen, wurde schwanger – und blieb. Heute lebt sie mit ihm und dem gemeinsamen Sohn David in Neu Wulmstorf.

In ihrem neuen Heimatort setzte Gayane Grover ihre künstlerische Arbeit als Chorleiterin und Stimmbildnerin fort, gründete 2008 den Gayane Chor. Mittlerweile besteht er aus 22 Sängern und zwei Gastsolisten im Alter von 18 und 74 Jahren. Das Repertoire des Ensembles umfasst klassische und traditionelle armenische Musikstücke unter anderem von den Komponisten Komitas Vardapet, Edgar Howhannisjan und Armen Tigranjan. Die Chormitglieder singen a cappella, aber auch mit Instrumentalbegleitung. Zweimal pro Jahr geben sie ein Konzert. Zu den jährlichen Höhepunkten gehört die Teilnahme an der jährlichen Gedenkfeier des Genozid in der St.-Petri-Kirche in Hamburg. „Besonders in Erinnerung geblieben ist uns auch der Besuch in Jerewan“, sagt Gayane Grover. Denn 2013 nahm der Chor auf Einladung der armenischen Ministerin für Diaspora am Komitas-Festival teil. Dort wurde der deutsche Chor in der Kategorie „Chöre International“ mit dem Sonderpreis ausgezeichnet. Die Jury hob hervor, dass die deutschen Sängerinnen und Sänger die armenischen Lieder so gut interpretierten, dass es auch das armenische Publikum begeisterte. „Das war für uns eine große Ehre“, sagt Gayane Grover.

Das große Potenzial des Neu Wulmstorfer Chores erkannte auch der armenische Bass-Bariton Adam Barro aus Frankreich: Er buchte die Sänger kurzerhand für seine Konzerttour mit dem Titel „100 Konzerte für Armenien“. Sie soll an den 100. Jahrestag des Völkermordes erinnern. „Adam Barro hat uns bei unserem Auftritt in der St.-Petri-Kirche gehört und war zu Tränen gerührt“, erzählt Gayane Grover. Zwei Tage später klingelte ihr Telefon: „Er hat mir gesagt, dass er unbedingt mit uns zusammenarbeiten will.“ Der erste gemeinsame Auftritt mit Kompositionen von Mozart, Vivaldi, Komitas und Jerkmalian findet am 7. November in der Laeizhalle in Hamburg statt. Das 100. Konzert ist für den 24. April in Paris geplant – mit Beteiligung des Neu Wulmstorfer Chores. Informationen unter www.gayane-chor.de. Karten können direkt bei Gayane Grover und in der Laeizhalle bestellt werden.