Das Ausweisen der 14 FFH-Gebiete im Kreis wird bis 2018 dauern. Die Landwirte sollen nicht zu stark belastet werden

Winsen. Die Antwort schien fast wie ein Verweis auf den St. Nimmerleinstag. Im Umweltausschuss des Kreises wollten die SPD-Politiker Christa Beyer und Matthias Westermann wissen, wie weit denn das Naturschutzgebiet „Ilmenau-Luhe-Niederung“ gediehen sei, für das nun der Entwurf einer Verordnung öffentlich ausgelegt wird. Das jedoch wurde für den Leiter der Unteren Naturschutzbehörde, Detlef Gumz, zum Anlass, grundsätzlich zu werden. Bis alle 14 Naturschutzgebiete des Kreises im Rahmen des Natura- 2000-Programms der EU ausgewiesen seien, werde es wohl 2018. „Und das ist noch sportlich betrachtet.“

Immerhin: Gumz und sein Team stehen nicht vor einer Sisyphos-Aufgabe. Daran besteht beim Kreis kein Zweifel. „Fachlich macht das Vorgehen Sinn“, versichert der Ingenieur und Landschaftsplaner. Doch die Komplexität und der Umfang der Aufgabe haben die Kapazität seiner Abteilung Naturschutz und Landschaftspflege längst gesprengt. Der Kreis hat zwar zum Januar 2013 zwei neue Mitarbeiter eingestellt, die sich hauptamtlich um das Projekt kümmern. Drei bis vier weitere arbeiten je nach Bedarf zu. Doch den aus Brüssel vorgegebenen Zeitplan, der auf Ende 2013 ausgerichtet war, ist genau wie in anderen Kreisen schon überschritten. Die EU hat inzwischen ein Pilotverfahren wegen der Vertragsverletzung eingeleitet. Als Reaktion könnte die EU Fördergelder kürzen, die Deutschland im Agrarsektor zustehen.

Dabei hatte alles ganz harmlos begonnen. Nachdem der EU von Niedersachsen und dem Bund Flora-Fauna-Habitat-Gebiete (FFH) nachgemeldet wurden, in denen die Lebensräume von heimischen Pflanzen und Tieren besonders geschützt sind, sollte das künftige Vorgehen zunächst zusammen mit Landwirten geregelt werden. Das hielt das Umweltministerium für ausreichend. Als Partner der Naturschutzbehörde wird mit den Landwirten schon seit Jahren ein Vertragsnaturschutz vereinbart, über den sie Flächen erhalten und für deren eingeschränkte Nutzung entschädigt werden. Dass allein für den Kreis zehn neue zu den zuvor vier Gebieten hinzukamen, sah 2004 und bei der endgültigen Anerkennung drei Jahre später niemand wirklich eng. „Wenn wir damals gewusst hätten, was auf uns zu kommt, hätte man sicher anders reagiert“, sagt Kreisrat Björn Hoppenstedt. Klar war damals schon: Der Kreis gehört in Niedersachsen zu den Regionen mit den meisten FFH-Gebieten. Sie erstrecken sich auf mehr als 16.000 von insgesamt 124.000 Hektar Gesamtfläche.

Einschneidend für die Kreisverwaltung wurde es, als der Europäische Gerichtshof umschwenkte und die Anforderungen an die FFH-Gebiete präzisiert wurden. Seitdem müssen die Gebiete unter Naturschutz gestellt werden, anders geht es nicht. Mit dem Naturschutz wird jedoch die Arbeit von Landwirten auf den Flächen zum Teil deutlich eingeschränkt. So muss etwa auf Wiesen Rücksicht auf brütenden Vögel genommen werden. Mähen ist, wenn überhaupt, nur zu bestimmten Jahreszeiten möglich. „Bei unserer Arbeit wollen wir aber differenziert vorgehen, um die Landwirte möglichst wenig zu behindern. Ohne ihre Hilfe ist Naturschutz gar nicht möglich“, sagt Gumz. Dieses Vorgehen ist aufwendig und kostet Zeit. Viel Zeit.

Dazu kommt, dass der Landkreis für die Arbeit auf die Hilfe des Landes angewiesen ist. Die einzelnen Bereiche werden nämlich über eine Basis-Kartierung aus Hannover ausgewiesen. Für sechs Gebiete liegen diese Kartierungen in Winsen noch gar nicht vor. „Die letzten Kartierungen werden bei uns wohl erst im kommenden Jahr eintreffen“, schätzt Gumz. Stand derzeit: Von den 14 Gebieten sind nur die „Buchenwälder im Rosengarten“ als einziges gesichert. Das Große Moor in Wistedt, Kauers Wittmoor und die Lüneburger Heide sind zwar schon Naturschutzgebiete, die Verordnungen sind aber noch nicht an die Ziele nach der FFH-Richtlinie angepasst. Alle anderen Gebiete müssen noch als Schutzgebiet ausgewiesen werden.

Mehr Tempo sollen nun drei Arbeitsgruppen des Niedersächsischen Landkreistages in das Geschehen bringen. Sie arbeiten an Mustersatzungen, in denen die Ge- und Verbote aufgelistet werden sollen. „Ein solches System würde die Aufgaben vereinfachen“, sagt Gumz. Auch Experten aus dem Landes-Umweltministerium in Hannover sind in die Gruppen eingeschert. Bisher jedoch muss der Kreis Satzungen noch allein erarbeiten. So wie es für die Ilmenau/Luhe-Niederung geschehen ist.

„Wir arbeiten mit Hochdruck“, versichert Kreisrat Hoppenstedt. Aber die Aufgabe wird noch Jahre in Anspruch nehmen. „Bis dahin wird die gesamte Kritik bei uns ankommen, obwohl der Kreis die Gebiete nicht ausgewählt hat.“