Manfred Krautz von der Harburger Kulturwerkstatt bietet den Teilnehmern seiner Rundgänge viel lebendige Geschichte und reichlich Anekdoten

Harburg . „Irgendwie mochte ich diesen kleinen, kaputten Hafen schon immer ganz gerne“, sagt Norbert Krautz. Allein 16 Bücher über den Binnenhafen und seine Entwicklung stehen in Krautz Bücherregel zu Hause, wobei er zugeben müsse, dass er noch nicht dazu gekommen ist, auch alle zu lesen. Dennoch, Krautz ist so etwas wie ein Binnenhafen-Experte.

Vor einigen Jahren hat der pensionierte, ehemalige Prokurist einer großen Versicherung, aus reinem Interesse einen Rundgang durch den Binnenhafen mitgemacht, Das habe ihm gefallen, und schon damals habe, so Norbert Krautz, die Kulturwerkstatt „Leute gesucht, die solche Rundgänge machen. Ich habe mich dann bei der Kulturwerkstatt gemeldet, bin erst ein Jahr lang bei den Rundgängen mitgelaufen, und seit vier Jahren mache ich jetzt meine eigenen Rundgänge. So bin ich eher durch Zufall daran geraten“.

Krautz startet seinen Rundgang durch den Harburger Binnenhafen im Konsulen-Zimmer der Harburger Kulturwerkstatt. Hier erklärt er den Gästen die einzelnen Entwicklungsphasen des Hafens, zeigt Karten, alte Zeichnungen und beantwortet geduldig alle Fragen. „Im vergangenen Jahr“, sagt der 71 Jahre alte Binnenhafen-Führer, „hatten wir 570 Leute, die bei unseren Rundgängen mitgelaufen sind. Das war im IBA-Jahr. Diese Zahl erreichen wir sonst natürlich nicht. Aber gerade unter der Woche buchen uns oft Firmen, die diesen Rundgang als Betriebsausflug mitmachen und anschließend gemeinsam im Hafen essen gehen. Schulklassen, Lehrergruppen und Behörden gehören auch zu unseren Gästen“. Als nächste Gruppe wollen sich Mitarbeiter der Hamburger Kulturbehörde von den ehrenamtlichen der Kulturwerkstatt zeigen lassen, was sich im Binnenhafen getan hat.

Krautz erzählt im Konsulen-Zimmer von dem ewigen Streit zwischen Hamburg und Harburg um die Zollhoheit auf der Elbe. Er erzählt von der Keimzelle Harburgs, der Horeburg, vom Schloss, wie es früher mal ausgesehen hat, von der Zitadelle. Und Krautz zeigt auch Computer-Grafiken, wie es einmal auf der Schlossinsel und im Binnenhafen aussehen wird, wenn all das gebaut wird, was geplant ist.

„Wir wollen nicht nur das Alte zeigen, auch das Neue gehört zum Binnenhafen. Und wir von der Kulturwerkstatt sind ganz froh darüber, dass wir bei allem was neu dazu kommt, auch ein klein wenig mitreden können. Ob man immer auf uns hört, steht auf einem anderen Blatt“, sagt er. Mit dem ersten Ausbau des Binnenhafens von 1848 bis 1852 gewinnt Harburg erst an Bedeutung. „Da wurde auch der Güterbahnhof gebaut, der hatte damals schon 20 bis 22 Gleise und Drehscheiben. Ein riesiges Ding für damalige Verhältnisse. Eine Drehscheibe ist heute noch zu sehen“, erklärt Krautz seinen Gästen. Beim anschließenden Rundgang kann man die Drehscheibe dann auch sehen.

Der Binnenhafen wird zum Handelszentrum. Es dauert etwa 50 Jahre, bis der Binnenhafen eine zweite Ausbaustufe erlebt. 1869 wurde die große Baufirma HC Hagemann gegründet, 1873 kam die Baufirma August Prien dazu. Ab etwa 1900 herum fährt die Straßenbahn in den Binnenhafen. Hier standen Hotels, das alte Rathaus, das erst 1945 bei einem Bombenangriff zerstört worden war, und die Post. Harburg hatte ein eigenes Zentrum im Binnenhafen, hier tobte das Leben.

„Im Rathaus saßen zwar damals die Räte von Harburg zusammen, aber viel zu sagen hatten sie eigentlich nicht. Viel wichtiger war der Ratskeller. Der war viele Jahre Harburgs Haupteinnahmequelle. Das alte Sandsteinportal des Rathauses steht heute im Helms-Museum“, erzählt der Harburger.

Mit den Schienen, dem ersten Ausbau des Hafens und der Industrialisierung erlebte auch der Harburger Binnenhafen einen großen Wandel, von Umschlagplatz für Waren zum Industriehafen. „Viele Werften bauten hier Boote, auch Spezialboote für die teilweise unbefestigten Küsten Afrikas, von wo die Palmkerne für das Öl hergebracht wurden. Maschinenbau kam dazu. Und wir hatten in der Glanzzeit hier im Binnenhafen elf Betriebe, die Palmöl raffinierten und verarbeiteten. Alten Harburgern sind die Namen Hobum, Phoenix-Werke und Harburger-Gummi-Kamm-Companie noch ein Begriff“, sagt Norbert Krautz. Mit der aufblühenden Industrie kam auch der Gestank in den Binnenhafen.

Nach dem theoretischen Teil macht sich die kleine Gruppe auf die Suche nach den Spuren der großen und bewegten Vergangenheit des Binnenhafens. „Ich komme gerne in den Hafen und in die Kulturwerkstatt. Man trifft immer Leute, mit denen man schnacken kann. Die Atmosphäre ist hier viel lockerer als anderswo“, sagt Krautz. Hier treffe er immer Menschen, die „ein Herz für diesen Hafen haben“, sagt er. Vom Kanalplatz marschiert die kleine Gruppe durch die Schlossstraße zum Kaufhauskanal, dem ältesten Kanal des Hafens, an dessen Ende das mal das ursprüngliche Hafenbecken lag. Zu sehen ist davon nicht mehr viel. Nur noch eine Spundwand. Dahinter steht ein Umspannwerk von Vattenfall, das die Harburger Innenstadt mit Strom versorgt. Krautz zeigt die Wege durch den Binnenhafen, die auf den ersten Blick kaum zu finden sind, und der Mann kennt zu jedem Haus, zu jeder Ecke eine kleine Geschichte. Nach rund 2,5 Stunden endet der Rundgang in der Kaffeerösterei Fehling auf der Schlossinsel.

www.kulturwerkstatt-harburg.de