Jury sah Christine Fehérs Roman „Dann mache ich eben Schluss“ deutlich vorn

Keine Telefonate nach Übersee, der 43. „Buxtehuder Bulle“ bleibt in Deutschland und die Juroren des Jugendbuchpreises konnten zum ersten Mal bei der Preisverleihung die Siegerfreude des Gewinners direkt miterleben. Die Berliner Jugendbuchautorin Christine Fehér saß in der ersten Reihe, fieberte bei der Auszählung der Jurorenstimmen mit und strahlte nach dem Finale überglücklich. Mit ihrem Roman „Dann mache ich eben Schluss“ gewann die 49 Jahre alte Religionslehrerin den renommierten „Buxtehuder Bullen“.

Dass sie unter den mehr als 60 Bewerbern in der Wertung zu den sieben Anwärtern auf den Preis gehörte, habe sie „sehr überrascht“, so die Autorin. „Als ich erfahren hatte, dass ich zu den Favoriten gehöre, wollte ich die Entscheidung in Buxtehude hautnah miterleben“, sagt Christine Fehér dem Abendblatt. „Dass ich den Preis gewonnen habe, ist eine Riesenfreude für mich, ich kann es noch gar nicht fassen.“

Mit klarer Mehrheit von 93 Punkten hatte die Jury aus elf Jugendlichen und elf Erwachsenen aus ganz Deutschland nach einem speziellen Punktesystem über die Preisvergabe entschieden. Auf Platz zwei kam Morton Rhue mit „No place, no home“ (Ravensburger Buchverlag) mit 56 Punkten, dicht gefolgt von Colleen Hoover mit „Weil ich Layken liebe“ (dtv Jugendbuch) mit 54 Punkten. Edeet Ravel erhielt für „Du liebst mich nicht“ (Verlag cbt) 52 Punkte, Rainer Wekwerth für „Das Labyrinth erwacht“ (Arena Verlag) 47, Anna Kuschnarowa für „Djihad Paradise“ (Beltz & Gelberg) 42 und Tracy Bilen für „Wie der Vater, so der Tod“ (Ivi Piper Verlag) 35 Punkte.

Die Anwesenheit der Autorin bei der Entscheidung war ein absolutes Novum beim „Buxtehuder Bullen“. Auch dass die Veranstaltung aus den engen Räumen der Stadtbibliothek ins geräumigere Stieglitzhaus verlegt wurde. Dort zog der Magier Thomas Gundlach als „zauberhafter Literaturkritiker“ das Publikum mit schwebendem Tisch, Gedankenübertragungen und allerhand Zauberei in seinen Bann. Die Buxtehuder Stadtbibliotheksleiterin Ulrike Mensching hatte mit diesem Gast eine unterhaltsame Überbrückung der Stimmenauszählung gesichert. So konnten die Erste Stadträtin Katja Oldenburg-Schmidt und Vize-Bürgermeisterin Christel Lemm das mathematische Prozedere juristisch korrekt absolvieren, bevor Bürgermeister Jürgen Badur unter dem Applaus der Gäste die Preisträgerin beglückwünschte.

Mit Fehérs Roman hat „ein sehr leises Buch, das betroffen und nachdenklich macht“ die Jury überzeugt, so das Fazit von Ulrike Mensching.

Die Geschichte von Max, der mit dem Auto gegen einen Baum fährt und stirbt, bekam vor allem von den jugendlichen Juroren mit 58 Punkten überwältigenden Zuspruch. Ob Max einfach einen Schlussstrich ziehen wollte? Es allen zeigen: seinem Manager-Vater, der ihn nur nach Leistung beurteilte. Seiner unterkühlten Freundin Annika, die ihn ständig umkrempeln wollte. Seinem besten Freund Paul, der gleichzeitig sein stärkster Konkurrent war. Seinem Lehrer, der nur in Noten denkt. Seiner großen Liebe Delia, die ihn verlassen hat. Ein Puzzle aus Fragen bleibt nach dem Tod des Jugendlichen, der Freunde und Familie in Trauer gelähmt zurücklässt.

„Das Buch war sehr schnell mein absoluter Favorit, ich konnte es einfach nicht mehr weglegen“, sagt Luzie Brinkmann, 15, die als Jurorin den Lesemarathon von 60 Büchern absolvierte. „Vor allem die Frage, ob es Suizid oder ein Unfall war, bleibt das große Rätsel.“ Auch die 16-jährige Halepaghen-Schülerin Julia Król setzte den Roman auf Platz 1 ihrer bewerteten Bücher. „Ich habe an manchen Stellen geweint, so sehr hat mich das Thema berührt. Ebenso die Sprache, in der es geschrieben wurde.“ Auch ihre Jury-Kollegin Silke Meinschien (18) sagt, dass die verschieden Perspektiven, mit denen die Autorin, Max’ Freunde oder seine Schwester, die mit im Unfallauto saßen, auf den toten Jungen blicken lassen, das Buch auf eine interessante Erlebnisebene legen. „Es ist spannend, fesselnd und emotional berührend.“

Diesem Urteil schließen sich auch die erwachsenen Juroren Carmen Haßmann und Gunda Fock an. „Mit diesem Werk holt die Autorin ein hochsensibles Thema packend ins Bewusstsein des Lesers. Damit hat sie sich gegen die Mitbewerber aus Amerika und Kanada überzeugend durchgesetzt“, sagen die Frauen.

Christine Fehérs 416-Seiten-Roman „Dann mache ich eben Schluss“ gehört zu ihren bislang rund 40 Kinder- und Jugend-Buchveröffentlichungen. „Suizid ist im engen und weiten Umfeld immer wieder ein Thema, das mich sehr bewegt“, sagt die Berlinerin, die unweit vom „Ku-Damm“ aufwuchs und nach dem Abitur ihre Ausbildung zur evangelischen Religionslehrerin am Pädagogisch-Theologischen Institut Berlin absolvierte.

Mit Themenbüchern wie „Dann bin ich eben weg. Geschichte einer Magersucht“ richtet sie den Blick immer wieder auf die Welt und Probleme von Kindern und Jugendlichen. Als Religionslehrerin habe sie besonders wichtige Erfahrungen in den Jahren gesammelt, in denen sie in der Schule einer Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie tätig war, so Fehér.

„Für Kinder und Jugendliche zu schreiben, war schon immer mein Traum“, sagt die Mutter einer 20 Jahre alten Tochter. Den machte sie zur Realität, als 2001 ihr erstes Buch erschien. „Solange ich alles zeitlich unter einen Hut bekommen kann, will ich weiterhin Religion unterrichten, denn da ich für Kinder und Jugendliche schreibe, ist mir der direkte Kontakt zu ihnen sehr wichtig“, sagt Christine Fehér.