Statt Deutsch und Mathe steht in der Buchholzer Wiesenschule für einen Tag Erste Hilfe auf dem Stundenplan

Buchholz. Ein Sturz vom Fahrrad, ein Schnitt mit dem Küchenmesser in den Finger statt ins Gemüse, eine Verbrühung mit heißem Tee, ein Insektenstich – Unfälle, die Kindern in der Schule ebenso passieren können wie den Eltern oder Großeltern zu Hause. Gut, wenn man sich dann in Erster Hilfe auskennt. Die Schüler der 4b an der Wiesenschule Buchholz wissen jetzt, was im Notfall zu tun ist: Sie haben erfolgreich am Projekt „Ersthelfer von morgen“ teilgenommen. Mit diesem Programm bringt der Regionalverband Harburg der Johanniter-Unfall-Hilfe seit vielen Jahren Kindern bei, wie sie bei Unfällen helfen können. „Es geht dabei vor allem darum, Kindern die Angst vor solchen Ausnahmesituationen zu nehmen. Natürlich sollen sie nicht allein Verletzte versorgen, sondern auch Erwachsene zur Hilfe holen“, sagt Annemarie Wolters, die die Kinderkurse leitet.

Vorkenntnisse sind jedenfalls vorhanden: „Was muss man zuerst machen?“, fragt Annemarie Wolters, und die meisten Kinder wissen bereits: „Den Verletzten trösten und ihn aus der Gefahrenzone holen.“ Wie das geht, zeigt die Kursusleiterin gleich: Tobias muss sich hinlegen, dann richtet Wolters ihn von hinten auf, legt ihm die Unterarme vor den Bauch, packt ihn bei den Armen und zieht ihn zur Seite. Das dürfen die anderen Schüler paarweise gleich einmal nachmachen. Im zweiten Schritt üben sie, was bei Bewusstlosigkeit des Verletzten zu tun ist. Was heißt überhaupt bewusstlos? Philip weiß es: „Das ist eine Art Tiefschlaf. Man ist richtig ‚weg‘.“ An einem Kopf-Querschnittsmodell zeigt Annemarie Wolters, was das Gefährliche an der Bewusstlosigkeit ist: Der Zungenmuskel erschlafft und rutscht nach hinten, sodass er die Luftröhre versperrt. „Deswegen muss man den Kopf überstrecken“, erklärt sie. Dann wird der Patient in die stabile Seitenlage gebracht.

Das ist schon etwas komplizierter, deswegen gibt es einen Kniff: „Kaktus, Kuscheln, Knie“ heißt der. Der eine Arm zeigt wie bei einem Kaktus nach oben, der andere wird gebeugt und die Hand unters Kinn gelegt, „dann liegt der Kopf des Verletzten nicht auf dem harten Boden.“ Kuschelig eben. Zum Schluss winkelt man das äußere Bein an, packt den Patienten am Knie und zieht in zu sich hin, bis er auf der Seite liegt. Auch das üben die Kinder. Gar nicht so leicht. Welches Knie noch mal? Das innere oder äußere? „Nicht von dir weg, sondern zu dir hin“, sagt Annemarie Wolters, nebenan ertönt immer wieder „Kaktus, Kaktus!“ Und, nicht zu vergessen: „Mündchen auf, falls Kötzchen kommt“, sagt die Ausbilderin. Das finden die Kinder lustig und erstaunlicherweise gar nicht eklig.

Auch der Notruf steht auf dem Stundenplan. Dass man dazu die 112 wählt, wissen die Schüler. Als es darum geht, welche Informationen man dem Rettungsdienst mitteilt, gibt es so manche Überraschung. Annemarie Wolters fungiert als Einsatzleitzentrale. „Von wo rufst du an?“, fragt sie eine Schülerin. „Von Zuhause“, antwortet das Mädchen. Sachlich richtig, aber für die Rettung nicht hilfreich. „Was ist passiert?“, lautet die nächste Frage. „Meine Mutter hat ein Messer in der Hand“, antwortet ein Schüler.

Klassenlehrer begeben sich in die in der „Opferrolle“

Gemeint hat er aber, dass das Messer in der Hand steckt und eine Wunde klafft. So lernen die Schüler, dass präzise Angaben äußerst wichtig sind. Und dass für das Messer in der Hand gilt: Nicht herausziehen, „das ist sonst das Gleiche, wie einen Korken aus einer Flasche zu ziehen. Dann blutet es umso stärker“, erklärt die Kursusleiterin.

Dann dürfen die Schüler selbst Pflaster kleben und lernen dabei, dass man das sogenannte Wundkissen – der Stoffteil, der die Wunde bedecken soll – auf keinen Fall berühren darf. Etwas Geschick ist daher angebracht. Nach der Pause folgen noch die Themen Verbände anlegen und Brandwunden versorgen, und zum Abschluss gibt’s für die Kinder noch eine Urkunde. Klassenlehrer Andreas Nissler nimmt gern die Gelegenheit wahr, einmal praxisnahen Unterricht zu gestalten: „Es gibt so vieles, was sonst nur über Arbeitsblätter vermittelt wird.“ Auch er begibt sich daher gern in die „Opferrolle“, um sich in die stabile Seitenlage legen zu lassen und die Schüler zu ermahnen, nicht so ruppig zu sein.

Das Programm „Ersthelfer von morgen“ gibt es schon seit rund 20 Jahren. Es wird in Grundschulen, aber auch in Kindergärten angeboten. Bei den kleineren Kindern sind die Puppen „Jona“ und „Joni“ die Hauptakteure. Sie zeigen, wie man Pflaster klebt und Verbände anlegt. Die Kurse kosten 5,50 Euro pro Teilnehmer, zu buchen sind sie bei Dorit Schneider-Stegelmann unter Telefon 040/7686662.