An sechs Gebäuden müssen die Dämmfassaden abgerissen und wieder neu aufgebaut werden. Kosten: Sechs Millionen

Harburg. Erneuter Tiefschlag für das gut 70 Millionen Euro teure Bauprojekt „Marina auf der Schloßinsel“. Zuerst hatte die Insolvenz des östereichisch-spanischen Baukonzerns Alpine Anfang vergangenen Jahres die Fertigstellung des insgesamt sieben Gebäude zählenden Projekts verzögert. Bei den Restarbeiten ist nun festgestellt worden, dass unter Alpine die wärmegedämmten Klinkerfassaden an sechs der Gebäude bautechnisch nicht vorschriftsmäßig hergestellt worden sind. Es fehlt Klebstoff zwischen den 20 bis 28 Zentimeter dicken Styropor-Dämmplatten und den tragenden Betonwänden. Zudem sind zur Befestigung nur drei bis vier statt der vorgeschriebenen sechs Dübel pro Quadratmeter angebracht. Sämtliche Fassaden müssen wegen dieser Schlamperei am Bau nun komplett abgerissen und neu aufgebaut werden. Das wird den Bauinvestor, die Provinzial Rheinland, etwa sechs Millionen Euro Zusatzkosten bescheren und die Fertigstellung des Gesamtprojekts auf Mai 2016 weiter hinauszögern. Wirtschaftlicher Ertrag aus dem Projekt wird sich für den Investor damit auch erst deutlich später einstellen.

Ursprünglich war die Fertigstellung zur Internationalen Bauausstellung (IBA) Mitte 2013 vorgesehen. Mit 162 Miet- und Eigentumswohnungen sowie 200 Tiefgaragen-Stellplätzen ist „Marina auf der Schloßinsel“ das erste Wohnungsbauprojekt nach Übergabe des Hafengebiets an den Bezirk Harburg. Etwa 20 der 162 Wohnungen sind bereits bewohnt. Der Innenausbau ist noch nicht an allen Gebäuden komplett fertiggestellt. Auch die Außenanlagen mit einem öffentlich zugänglichen Weg und einem Steg an der Wasserkante sind erst zur Hälfte fertig. „Die meisten Bewohner wollen trotz der nun bevorstehenden Fassadenarbeiten und der Beeinträchtigung ihrer Wohnqualität weiter wohnen bleiben“, sagt Projektleiterin Martina Albrecht vom Ingenieurbüro „HW-Ingenieure GmbH“. Als die Provinzial nach der Alpine-Pleite alle Insolvenz-Formalitäten geklärt und sich zur Fortsetzung der Bauarbeiten in Eigenregie entschieden hatte, war das Ingenieurbüro mit der Projektleitung und Bauaufsicht beauftragt worden. Im Oktober 2013 begannen die Arbeiten.

„Mir ist in meiner 21-jährigen Berufstätigkeit ein Pfusch am Bau in derartigem Umfang noch nicht vorgekommen“, sagt Martina Albrecht. Der ganze Fassadenpfusch war aufgeflogen, weil neu beauftragte Firmen die Arbeiten an den fast fertiggestellten Fassaden zu Ende bringen sollten. Bei Tests zeigte sich, dass die Dämmfassade beim Gegenklopfen einen hohlen Klang erzeugte, dass sie sich bewegte und an vielen Stellen keine feste Verbindung zur tragenden Betonwand hatte. Gutachter stellten beim Herausschneiden von Testfeldern an den Fassaden der sechs Gebäude den Umfang der Mängel fest.

„Abriss und ordnungsgemäßer Neuaufbau der Fassaden sind die einzige Lösung des Problems“, sagt Martina Albrecht. Gut 10.000 Quadratmeter Fassade aus dicken Styroporplatten und aufgeklebten dünnen Klinkerriemchen müssen abgerissen, möglichst sortenrein für Recycling getrennt und per Container abtransportiert werden. Albrecht: „Ein immenser Aufwand. Schade um das Material.“ Derzeit läuft die Ausschreibung für die Arbeiten. Im September soll am Gebäude C1 mit Namen „Ocean“ angefangen werden. Im Dezember – so die Rechnung – soll das Gebäude dann komplett bezugsfertig sein. Nacheinander sollen dann bis Ende 2015 die weiteren fünf Gebäude fertiggestellt werden. Endgültige Fertigstellung mit Beendigung der Arbeiten an den Außenanlagen soll im Mai 2016 sein. „Qualität hat Vorrang vor dem Zeitplan“, erklärt Martina Hankammer, Sprecherin der Provinzial Rheinland Lebensversicherung „wir legen an die Qualität der hochwertigen Wohnanlage auch hohe Maßstäbe an.“ Engel & Völkers ist für die Vermarktung zuständig.

Der mit Eigentums-Wohnraum besonders exklusiv gehaltene Turmbau mit Namen „Pearl“, der in seiner Form dem früher an Ort und Stelle stehenden Silo-Speicher des Umschlagbetriebs Hansen nachempfunden ist, ist mit Dämmung, vorgesetztem Ziegelmauerwerk und Muschelkalk-Putzfassade anders aufgebaut und von den Nacharbeiten nicht betroffen. „Pearl“ soll im September bezugsfertig werden.