Yvonne Lautenschläger will Freude in die Kunst bringen und wirkt gerade deshalb im aufgeregten Kunstmarkt subversiv

Hausbruch. Eine Herde bunter seltsamer Schafe hat die Künstlerin Yvonne Lautenschläger erschaffen. Jeder Wollkleidträger steht für einen berühmten Künstler oder eine Kunstepoche. Der Pop-Art-Künstler Roy Lichtenstein ist leicht an der für ihn berühmten Sprechblase zu erkennen. Nur dem Kunstexperten dürfte auffallen, dass sich am Bildrand ein ordinäres Hausschaf unter die Meister gemogelt hat. Und nur der detailverliebte Betrachter wird erkennen, dass ein Stück Fell unter dem Schafspelz den Wolf verrät.

Auch wenn der volle Witz subversiv daherkommt: Es ist offensichtlich, dass Yvonne Lautenschläger den Humor in die Kunst tragen will. „Ich möchte Freude und Schönheit in die Welt bringen“, sagt die Künstlerin aus Hausbruch, die seit Jahren nicht mehr Fernsehen schaut. Zu düster erscheint ihr die Welt dort.

Wer Boshaftigkeit vermutet, die großen Meister ausgerechnet als dumme Schafe darzustellen, sollte nicht den Stellenwert des belämmerten Wiederkäuers in deutschen Redewendungen zum Maßstab machen, sondern den Blick nach China richten. In dem Riesenreich gilt das Schaf als Schutzpatron der Künstler.

Das Schafsbild gehört zu einer Serie mit dem Titel „Wer schummelt?“. Ähnlich wie früher das Bilderrätsel in der Sesamstraße schleust die Künstlerin jeweils ein Element in das Bild, das dort nicht hingehört. Weitere Bilder ihrer humorvoll-surrealistischen Serie zeigt Yvonne Lautenschläger ab Sonnabend, 12. Juli, in ihrer Soloausstellung im Harburger Kulturcafé „Komm du“. Dazu gibt es Szenen einer Ehe zwischen einer Banane und einer Möhre.

Das unscheinbare Hausschaf, das eigentlich ein Wolf ist, unter all den leuchtenden Meistern könnte auch die Rolle Yonne Lautenschlägers im Kunstbetrieb beschreiben. Die Künstlerin ist Quereinsteigerin und damit kein Herdentier. Das bekommt sie in der Branche zu spüren. Viele Galeristen schließen Bewerber von vornherein aus, die nicht Kunst studiert haben. Das zwei Jahre dauernde Fernstudium in Kreativer Malerei, das Yvonne Lautenschläger absolviert hat, dienst da kaum als Türöffner.

Yvonne Lautenschläger hat Humanmedizin studiert. Ihren Eltern zuliebe, sagt sie, die eigentlich viel lieber Kunst studiert hätte. Wegen einer Krankheit gab die Ärztin ihren Beruf auf und ist seit 2009 hauptberuflich Künstlerin. Offenbar die richtige Wahl: „Wenn ich mal zwei Tage nicht male, dann sinkt meine Lebensfreude und das merkt mein Umfeld“, sagt die heute 49-Jährige. Das Umfeld sind ihr Mann, ein Systemarchitekt, und ihr Sohn.

Eigentlich malt und zeichnet Yvonne Lautenschläger immer. Im Wartezimmer, in der S-Bahn, immer wenn sich eine Pause ergibt. Dazu hat sie ein extra großes Handy mit einem Grafikprogramm. „Monstas“, wie sie selbst im jugendlichen Jargon schreibt, lässt sie dann auf dem Display entstehen. Keine grauenvollen Kreaturen, sondern liebenswert-kuriose Wesen.

Die Nähe zur Illustration, die sich in ihren Bildern wiederfindet, ist nicht bewusst gewählt. Sie ergibt sich aus Yvonne Lautenschlägers ureigenen künstlerischen Schaffensprozess. „Ich mache genaue Zeichnungen und lege Wert darauf, dass die Größenverhältnisse stimmen“, erklärt sie. Ihre Arbeiten sähen aus wie echt, ist dann auch eine häufige Reaktion des Publikums bei ihrem Ausstellungen.

Der Hype, also die aufgebauschte Hysterie um einzelne im Kunstbetrieb bereite ihr Grausen, sagt Yvonne Lautenschläger. So sehr, dass sie, die die Kunst liebt, sich manchmal fragt, ob sie zum Kunstmarkt gehören will. Sie sei keine Nachteule und brauche geregelte Tagesabläufe, sagt Yvonne Lautenschläger über sich selbst. Mit so viel Bodenständigkeit ist sie das provozierende Gegenmodell zu den exaltierten Helden des Kunstmarktes wie etwa ein Jonathan Meese. Das ist ähnlich subversiv wie ein Wolf im Schafspelz.

Yvonne Lautenschläger: „Bilder aus dem Hier und Jetzt“, Vernissage: Sonnabend, 12. Juli, 15 Uhr, Kulturcafé „Komm du“ in Harburg, Buxtehuder Straße 13, bis 12. September