Polizeikommissariat Lüneburg organisiert Verkehrssicherheitstag für Lkw-Fahrer auf dem Autohof Sittensen an der A 1

Sittensen. Linkes Bein auf die Konsole gelegt, am rechten Ohr ein Handy, in der Hand eine Zeitung – und dann mit Tempo 110 über die Bahn. Lkw-Fahrer, die so unterwegs sind, verstoßen nicht nur gegen die geltende Straßenverkehrsordnung. Sie setzen auch ihr Leben und das vieler anderer aufs Spiel. Dass Technik und Entspannungsübungen in der Fahrerkabine eines Trucks heute zum Arbeitsalltag dazugehören, ist für die Ordnungshüter der Polizeidirektion Lüneburg nichts Neues. Mit einem Verkehrssicherheitstag „Fit auf dem Bock“ auf dem Sittenser Autohof an der A1 machten sie die Trucker deshalb auf die Gefahren aufmerksam.

Im Jahr 2013 waren Lkw-Fahrer an 1159 Unfällen im Landkreis Harburg beteiligt. Das entspricht immerhin einem Anteil von 13 Prozent an der Gesamtzahl. Fünfmal gab es dabei Schwerverletzte, zwei Unfälle endeten tödlich. In 67 Fällen wurden Menschen leicht verletzt. Die Ursache bleibt häufig ungeklärt. Wie beispielsweise beim jüngsten Lkw-Unfall auf der Autobahn 1: Nahezu ungebremst krachte am Dienstagvormittag ein Sattelzug in die Raststätte Ostetal bei Sittensen. Die schreckliche Bilanz: Ein Toter, vier Schwerverletzte, 14 Leichtverletzte und eine zerstörte Rastanlage. Die Polizei prüft nun, ob gesundheitliche Probleme des Fahrers zu dem Unglück geführt haben.

Auch Sekundenschlaf, Alkohol sowie die Nutzung von Telefonen, Laptops und anderen technischen Geräten führten immer wieder zu schweren Unfällen, erklärt Dirk Poppinga, Verkehrssicherheitsberater der Polizeiinspektion Harburg. „Die Verstöße werden bei uns zwar nicht statistisch erfasst. Und die Handynutzung können wir nur über richterliche Anordnung kontrollieren. Aber ich bin mir sicher, dass sich viele Lkw-Fahrer bei ihrer Arbeit nicht immer ausschließlich auf den Straßenverkehr konzentrieren.“ Reiner Wintjen weiß, wie es auf dem Bock eines Lkw zugeht. Dass Leben eines Truckers könne ohne ein wenig Ablenkung bisweilen recht eintönig sein, sagt der Fahrschullehrer. Kolonne fahren bedeute Monotonie und die verführe den ein oder anderen Fahrer dazu, sich den Alltag mit technischen Hilfsmitteln wie Handys, MP3-Playern, Kaffeemaschinen im Fußraum, Laptop auf dem Sitz und mehr ein wenig zu versüßen.

„Wenn ich mit meinen Fahrschülern auf der Autobahn vorschriftsmäßig mit Tempo 80 unterwegs bin, werden wir regelmäßig von anderen Lastern überholt. Da bekommt man ziemlich interessante Einblicke“, sagt er. Das Handy am Ohr, die Kaffeetasse oder eine Zeitung in der Hand. „Alles keine Ausnahme“, sagt Reiner Wintjen.

Und auch Lkw-Fahrer bestätigen, dass sie sich bei der Arbeit gern mal „ablenken“. Marco Müller beispielsweise. Der Trucker wurde während des Verkehrssicherheitstages von zwei Polizeibeamten aus dem Verkehr gezogen und zum Autohof nach Sittensen begleitet, weil er Kopfhörer benutzte und während der Fahrt über längere Zeit nach unten geschaut hatte. Die Polizisten schickten ihn in einem Fahrschul-Lkw durch einen Sicherheitsparcours, den Müller allerdings fehlerfrei meisterte – und dabei sogar noch eine SMS an Poppinga abschickte.

Acht weitere Lkw-Fahrer holten die Beamten an diesem Tag wegen verschiedener Verstöße von der Bahn. Einer von ihnen hatte am Steuer in einem Roman gelesen. Auf dem Beifahrersitz: seine minderjährige Tochter. Auch er musste den Parcours absolvieren und sich von den Beamten belehren lassen. Wer mitmachte, konnte seine Fahrt übrigens ohne Strafe fortsetzen.

Gerhard Henning aus Sittensen gehörte zu den Gästen, die freiwillig am Verkehrssicherheitstag teilnahmen. Der Pädagoge ist seit seinem 21. Lebensjahr passionierter Trucker. „Ich habe mir auf dem Bock mein Studium finanziert und immer mal wieder als Aushilfsfahrer gearbeitet“, erzählt der 60-Jährige. Fahren mit Handy am Ohr sei für ihn stets tabu gewesen. Zum umsichtigen Fahren habe ihn auch sein Chef immer wieder angehalten. „Bei uns gab es einen Leitsatz: Wenn du müde wirst, merkst du das früh genug. Wenn du einschläfst, leider nicht. Deshalb halte lieber rechtzeitig an.“