Die Bündnis 90-Fraktion zaubert mit dem Bezirksabgeordneten Kay Wolkau einen zweiten Fraktionschef aus dem Hut

Harburg. Die Harburger SPD kann sich noch nicht entscheiden, wem sie zuerst Koalitionsgespräche anbieten will, den Grünen oder der CDU. Und die Grünen besinnen sich plötzlich auf das Rotationsprinzip an der Fraktionsspitze. Britta Herrmann wird die erste Hälfte der fünf Jahre dauernden Wahlperiode die Grünen-Fraktion in der Bezirksversammlung Harburg anführen. Ihr am Montagabend gewählter Stellvertreter, Kay Wolkau, soll dann übernehmen. Und Britta Herrmann übernimmt dann den Stellvertreterposten in der Fraktion. Das klingt nicht gerade nach einem Plan, wie es politisch im Bezirk Harburg nach der Konstitution in der Bezirksversammlung weitergehen soll. Kommt nach dem Postengeschacher in allen drei Fraktionen jetzt die große Ratlosigkeit?

Ebenfalls am Montagabend hatten sich der SPD Kreisvorstand und die neue SPD-Fraktion getroffen, um abschließend darüber zu beraten, mit wem jetzt Koalitionsgespräche geführt werden sollen. Wobei, nach Informationen des Abendblatts, innerhalb der SPD die Stimmen derer, die gerne in der Bezirksversammlung mit der CDU zusammen gehen würden, lauter geworden sein sollen. Nach ersten Sondierungsgesprächen zwischen CDU und SPD hatten beide Seiten von „großen Übereinstimmungen“ gesprochen. Eine Koalition mit der CDU würde zum einen eine wirklich komfortable Mehrheit aus Sicht der SPD bringen, zum anderen hätten die Genossen mit Ralf-Dieter Fischer einen profilierten Bezirkspolitiker als Fraktionschef und guten Rhetoriker im Boot.

Eine Koalition mit den Grünen würde den Sozialdemokraten weder das eine noch das andere bringen. „Britta Herrmann als Fraktionschefin", so ein SPD-Mitglied, das namentlich nicht genannt werden will, „ist für uns natürlich eine unbekannte Größe, weil sie erst seit Kurzem Mitglied der Grünen-Fraktion ist“. Würde die SPD in der Bezirksversammlung mit Bündnis90/Die Grünen koalieren, hätte die Koalition eine Mehrheit von zwei Stimmen. Das ist weit entfernt von einer komfortablen Mehrheit. Zudem zeigen sich jetzt einige Genossen etwas irritiert über die Nachricht der Grünen, jetzt das Rotationsprinzip in Harburg einzuführen.

Überraschend jedenfalls kommt die Nachricht in der Tat, auch wenn die Grünen offiziell durch ihre Geschäftsstelle verlautbaren lassen: „Wie bereits vorab beschlossen, werden nach zweieinhalb Jahren die beiden Spitzenämter zwischen Britta Herrmann und Kay Wolkau personell getauscht. Die Fraktion hatte sich vor den Wahlen mit großer Mehrheit für das Rotationsmodell entschieden.“ Man scheint sich in Schadensbegrenzung zu üben.

Am Freitag vergangener Woche, nach der ersten vorbereitenden Sitzung der neuen Grünen-Fraktion, in der die Besetzung der Posten innerhalb der Fraktion gewählt wurden, war jedenfalls noch keine Rede von Rotation. Da hieß es, wie berichtet, Britta Herrmann sei die neue, „mit deutlicher Mehrheit“ gewählte Fraktionschefin der Grünen. Und weil man in der Sitzung am Donnerstagabend die Personalien nicht abschließend habe klären können, so hieß es aus der Fraktion noch in der vergangenen Woche, werde die Sitzung am Montag fortgeführt.

Nach Informationen des Abendblatts ist die Entscheidung, Wolkau und Herrmann rotieren zu lassen, aber erst später gefällt worden. Offenbar sollen jetzt die Risse in der Fraktion gekittet werden, die durch die Wahl von Britta Herrmann und die damit verbundene Abkanzlung von Wolkau, entstanden sind. Bei der Aufstellung der Spitzenkandidaten der Grünen vor der Bezirkswahl wie auch bei der Wahl der Fraktionsspitze, so ein Grünen.Mitglied, sei die Partei dieses Mal sehr darauf bedacht gewesen, das Frauenstatut der Grünen einzuhalten. In der von der Geschäftsstelle der Grünen verschickten Mitteilung bedanken sich beide, Herrmann und Wolkau, für das Vertrauen, dass ihnen von ihren Fraktionskollegen entgegen gebracht worden sei.

Die SPD, so der Beschluss des Kreisvorstandes am Montagabend, will mit beiden potenziellen Partnern „noch einmal ein klärendes Gespräch führen, auch vor dem Hintergrund der jüngsten Entwicklung bei den Grünen und in der CDU“, so SPD-Kreischef Frank Richter. Dann werde die SPD entscheiden, wem sie Koalitionsverhandlungen anbiete. entscheidend dabei sei, so Richter weiter, mit „wem man in Harburg fünf Jahre gute Politik machen kann und mit wem man einen Koalitionsvertrag schließen kann, der fünf Jahre hält“.