Mit „PopUp-Stores“ könnte die Fußgängerzone aufgewertet werden. Die Plattenverkostung ist das erste Experiment

Harburg. Tür auf, Leute rein, Laden voll. So schnell wird aus einem Experiment ein Erfolg: Am Freitag eröffnete der erste so genannte PopUp-Store in der Harburger Fußgängerzone. Soulkitchen-Macher Mathias Lintl, Musik-Freak Wolfgang Strobel und einige Mitstreiter laden 10 Tage lang zur „Plattenverkostung“ in die Bremer Straße ein. In dem Geschäft war zuletzt ein glückloser Schnellbäcker angesiedelt. Nach dessen Geschäftsaufgabe reihte sich der Laden in die Leerstände ein, von denen es in Harburgs einstiger Vorzeigemeile mehr gibt, als den Harburgern lieb ist.

Ein Rezept gegen solche Leerstände sind PopUp-Stores, Geschäfte, die plötzlich irgendwo auftauchen und hauptsächlich durch Mundpropaganda die Kunden anlocken. Solche Läden betreiben sogar etablierte Marken, wie das japanische Kult-Modelabel „Comme des Garcons“. Meist zahlen PopUp-Ladeninhaber wenig oder keine Miete, dafür erleichtern sie die Weitervermietung des Geschäfts.

„Wir legen einfach los, und gucken, was passiert“, sagt Mathias Lintl. „Das Spontane und Kommunikative ist ein ganz wichtiger Teil des Konzepts.“

Bei der Plattenverkostung dreht sich alles um das, was sich einst in jedem Wohnzimmer drehte, entweder 33- oder 45mal pro Minute: Echte schwarze Schallplatten. Mit seinen Freunden von der Soulkitchen-Halle hat Lintl solche Plattenverkostungen schon einige Male veranstaltet, meist jedoch kompakter. Von den regelmäßig in Hamburg stattfindenden Plattenbörsen wollen sich die Macher der Verkostung – obwohl sie sonst für alles offen sind – allerdings abgrenzen. „Da geht es ja hauptsächlich ums Verkaufen und kassieren“, sagt Lintl. „Meistens kommt bei diesen Börsen keine gute Stimmung auf.“

Zuletzt gastierte die Plattenverkostung bei „48 Stunden Wilhelmsburg“ für einen Nachmittag in einem Kirchdorfer Heimstättengarten. Davor gab es zahlreiche Verkostungen sonntags in der Soulkitchenhalle und einige an anderen Orten.

„Ich habe so viele Schallplatten, dass ich in Wilhelmsburg schon einen Second-Hand-Plattenladen aufmachen wollte“, sagt Wolfgang Strobel. „Dann habe ich aber mal gerechnet: Ich kenne alle sechs anderen Sammler in Wilhelmsburg und hätte jedem von denen pro Tag zehn Platten verkaufen müssen, damit sich das rechnet.“

So blieb es bei dem Hobby „Plattenverkostung“, regelmäßig in der Soulkitchen-Halle. Die Tonträger und Plattenspieler passen in ein paar Kisten, der Auf- und Abbau ist schnell erledigt. „Mal kommen viele Leute, manchmal waren wir auch alleine“, sagt Strobel, „aber wir haben jedesmal dazu gelernt und viel Spaß gehabt.“

Auch in Harburg haben die Gäste im Laden Spaß: Harburgs City-Managerin Melanie Gitte Lansmann zum Beispiel wollte eigentlich nur kurz guten Tag sagen. Da fällt ihr Blick auf das Cover einer LP ihrer allerersten Lieblingsband. Gleich steht sie am Plattenspieler und schnell leuchten ihre Augen auf, während der Kopfhörer sie in ihre Teenie-Zeit zurück versetzt.

Nicht nur Musik versetzt hier in die Vergangenheit: Auch Bundespräsidenten-Reden und gesprochene Jahresrückblicke wurden in Schwarz gepresst und zeugen von Zeiten vor CD und Internet. Dass die Leute im Laden bei soviel Erinnerung anfangen, miteinander ins Gespräch zu kommen, freut Lintl und seine Mitstreiter: „So haben wir uns das gedacht.“

Neben den Tonkonserven soll es in der Ex-Bäckerei auch echte Live-Musik und Aktionen geben. Das ganze Programm steht noch nicht fest, aber einige Punkte schon: Jeden Sonntag erklärt Wolfgang Strobel, wie man verschmutzte Schallplatten schonend sauber bekommt.

Diesen Sonnabend, um 16 Uhr stellt der Liedermacher RJ Schlagseite sein neues Album „Tod allen Fanatikern“ vor. Am Sonntag, 29. Juni, dem letzten Tag der Harburger Plattenverkostung, gibt der Experimentalpianist Mischa Bianos eine Probe seines Könnens. Am Freitag, 27. Juni hält Tristan von Neumann einen Vortrag: „Streifzug durch 1000 Jahre Musikgeschichte.“