Bürger in Thieshope kämpfen gegen hohe Verkehrsbelastung auf der Ortsdurchfahrt – bislang jedoch vergebens

Thieshope. Eigentlich ist in Thieshope alles ganz wunderbar. Alte Höfe bestimmen das Ortsbild, es gibt ein Gasthaus, drumherum liegen Wälder und Felder. Aber der Schein trügt. Obwohl sie einen eigenen Garten hat und trotz des heute herrlichen Wetters sitzt Ulrike Müller bei geschlossenen Fenstern in der Küche ihres Hauses. Sie bleibt lieber in ihren vier Wänden. Denn draußen hält es Ulrike Müller nicht aus. Im Minutentakt donnern die Lkw an ihrem Haus vorbei, das direkt an der Hauptstraße liegt: „Man hat das Gefühl, da fährt ein Panzer nach dem anderen lang“, sagt sie verzweifelt. Im vergangenen Jahr krachte der Anhänger eines Traktors in ihren Garten, wäre dies ein paar Meter weiter geschehen, hätte er eine Bushaltestelle getroffen, an der zu diesem Zeitpunkt Schüler warteten.

Durchschnittlich 7500 Autos und Laster rollen täglich durch den kleinen Ort. Viele nutzen die Landstraße 215, um über den Anschluss Thieshope auf die A7 zu fahren. Besonders schlimm ist es seit Einführung der Lkw-Maut, denn die Fahrer umgehen über die Landstraßen gern das Maschener Kreuz. Außerdem verfransen sich viele Transporter auf ihrem Weg zu der Firma Behr, einem Gemüseproduzenten und Großhändler, der in der Nähe von Ohlendorf eine große Versandhalle unterhält. Vor allem die Ortsunkundigen verpassen nach der Abfahrt von der Autobahn den Weg zu ihrem Ziel und landen stattdessen in Thieshope. „Das liegt an der irritierenden Beschilderung. Die Lkw sollen eigentlich über eine alte Kies-Trasse zu der Firma fahren“, erklärt Ulrike Müller die verkehrstechnische Schieflage. Sie engagiert sich in der Bürgerinitiative Thieshope gegen den Lärm. Auch das Navigationsgerät hilft nicht weiter: „Da die Kiestrasse eine Privatstraße ist, wird sie im Navi nicht aufgeführt“, erläutert Behr-Sprecher Kai Strietzel das Problem.

Dem Unternehmen ist sehr daran gelegen, den Bedürfnissen der Anwohner Rechnung zu tragen - soweit es überhaupt möglich ist. „Wir schreiben jeden Spediteur an, wie er zur Halle kommt. Außerdem bekommen die Fahrer bei der Beladung Zettel mit einer Wegbeschreibung zur Autobahn in die Hand gedrückt.“ Die Firma Behr hat bereits Hinweisschilder anfertigen lassen, die ihren Fahrern auf die Sprünge helfen sollen: „Es ist alles gerade fertig geworden, jetzt machen wir einen Ortstermin mit dem Brackeler Bürgermeister Henning Schamlott und stellen sie auf“, stellt Unternehmenssprecher Kai Strietzel in Aussicht.

Hilfreich wäre auch ein Hinweis auf den Straßenschildern an der Autobahnabfahrt, doch dafür sind andere zuständig. „Die Landesstraßenbaubehörde hat im Februar versprochen, die Beschilderung zu ändern, passiert ist bisher nichts“, berichtet Ulrike Müller. Bürgermeister Schamlott fragt regelmäßig in Lüneburg nach dem Stand der Dinge, bekam bisher aber nur die Auskunft, dass der Vorgang in Arbeit sei. „Die Gefährdung ist unbestritten, aber wir als Gemeinde haben nur wenig Einfluss auf eine zügige Umsetzung.“

Verschärft wurde das verkehrstechnische Dilemma auch noch dadurch, dass einer der Hauptanfahrwege, der durch Holtorfsloh führt, wegen einer Baustelle voll gesperrt war. Für die Holtorfsloher hieß das ein Jahr Ruhe, die Thieshoper mussten seitdem mit noch mehr Schwerlastverkehr leben.

Lkw, die mitten auf der Hauptstraße riskante Wendemanöver vollziehen, sind ein tägliches Bild in Thieshope. Abgesehen davon halten sich die meisten Fahrer kaum an das vorgeschriebene Tempo 50. Und das macht es für die Dorfbewohner laut, bis zu 100 Dezibel haben die Betroffenen schon gemessen, Lärm den sonst eine Motorsäge oder ein Winkelschleifer produziert.

Die Bürgerinitiative versucht seit Jahren, für Thieshope Tempo 30 durchzusetzen. Im Mai 2011 beschloss der Kreistag in Winsen, die Höchstgeschwindigkeit in den besonders stark betroffenen Ortschaften Luhdorf, Pattensen und Thieshope zu senken. Doch dann schaltete sich die Niedersächsische Landesbehörde für Straßenbau und Verkehr ein. Tempo 30 erteilte sie eine Absage, da Tempo 50 für mehr Verkehrsfluss sorge. Ein Gutachten habe außerdem ergeben, dass die Thieshoper nicht besonders extremen Belastungen ausgesetzt seien, auch deshalb sei Tempo 30 keine Option. Ganz im Gegenteil: „Die L 215 bei Thieshope wurde nach einer Verkehrszählung als eine unterdurchschnittlich belastete Landesstraße eingestuft. Lediglich an drei Gebäuden waren die Grenzwerte in der Nacht zwar knapp erreicht, aber auch nicht überschritten worden“, hieß es Anfang 2012 aus dem Wirtschaftsministerium in Hannover. Als übergeordnete Behörde hatte das Ministerium das letzte Wort, der Landkreis baute die Tempo 30-Schilder wieder ab

Für die Thieshoper ein Schlag ins Gesicht: „Dieser Lärm macht uns langsam verrückt“, sagt Ulrike Müller. Gleichzeitig sorgen sich die Thieshoper um die rund 90 Kinder, die auf dem Weg zur Schule, zu Freunden oder zum Sport durch den Ort müssen: „Manchmal warten sie zehn Minuten, bevor sie über die Straße können. Wir haben Angst, dass irgendwann etwas richtig Schlimmes passiert.“

Zumindest neue Schilder an der Autobahn und die wieder geöffnete Ortsdurchfahrt durch Holtorfsloh werden die Situation etwas entschärfen. Und dann ist da ja auch noch der Bau einer Ortsumgebung angedacht. Aber auch da sorgt der Landkreis Harburg mit seiner favorisierten Variante für neuen Zündstoff: Sie verläuft nur etwa 150 Meter südlich von dem Neubaugebiet. In Thieshope selbst wäre es dann ruhiger - aber eine befriedigende Lösung sieht anders aus.