Aus Sicht der Christdemokraten sind die Rechenmodelle zur Verteilung der Bezirksmandate unlogisch und ungerecht

Harburg. Obwohl die Christdemokraten in Hamburgs südlichstem Stadtbezirk bei den jüngsten Bezirkswahlen in der Wählergunst eher stagniert haben und nach wie vor über 14 Sitze in der Bezirksversammlung (BV) verfügen, wies sie die Statistik in den einzelnen Wahlkreisen unter dem Strich doch als überaus erfolgreich aus. Gleich in fünf der acht Harburger Wahlkreise holten CDU-Kandidaten die meisten Stimmen, alle acht Spitzenkandidaten schafften den Einzug ins Bezirksparlament. Nach Ansicht der Fraktionsspitze hätten es aber mehr sein müssen.

„In seinem neuesten Urteil zur Europawahl hat das Bundesverfassungsgericht im Zusammenhang mit dem Wegfall der Drei-Prozent-Hürde unmissverständlich klargestellt, dass jede Stimme das gleiche Gewicht haben muss. Wahlrechts- und Chancengleichheit der Parteien müssten erhalten werden“, sagt der wiedergewählte Fraktionschef Ralf-Dieter Fischer. Genau das aber sehen er und namhafte Parteifreunde mit Blick auf die letztlich verteilten Mandate in mindestens zwei Wahlkreisen nicht gewährleistet.

Im Wahlkreis 3 (Marmstorf) holte Fraktionsvize Rainer Bliefernicht mit 7350 Stimmen (22,8 Prozent) so viele, wie kein anderer Harburger Wahlkreiskandidat. Dennoch fehlten der CDU am Ende 40 Stimmen um bezüglich der Gesamtstimmen die SPD hinter sich zu lassen. Mit 37,2 zu 37,1 Prozent aller gültigen Stimmen behielten die Sozialdemokraten knapp die Oberhand. Und nur das ist für die Anzahl der Mandate entscheidend. So zogen mit Birgit Rajski (2974 Stimmen) und Klaus Fehling (1888) zwar zwei SPD-Kandidaten in die neue BV, mit Bliefernicht aber eben nur ein CDU-Kandidat.

„Obwohl wir in Marmstorf mit 11.986 mehr als doppelt so viele Stimmen geholt haben wie die Grünen mit 5518, dürfen auch sie mit Jürgen Marek einen Vertreter entsenden. Auf diese Weise werden die Bürgerstimmen aber eben nicht gleich gewichtet“, zürnte Bliefernicht. Und fragt sich, ob die Bürgerstimmen im Fall der CDU nur halb so viel wert sind. Aus seiner Sicht würde mit der konkreten Wahlarithmetik der Bürgerwille nicht adäquat abgebildet.

Das sieht Parteifreund Uwe Schneider ebenso. Mit 3183 Stimmen ließ er im Wahlkreis 4 (Eißendorf) alle Mitbewerber hinter sich. Überdies holte Jens Ritter mit 2283 Stimmen auch noch das drittbeste Resultat nach SPD-Spitzenkandidat Peter Bartels (3129) und vor dessen Genossin Anna-Lena Bahl (2266). Weil aber auch hier die Sozialdemokraten mit 39,4 Prozent der Gesamtstimmen vor der CDU (32,1) lagen, erhielten Bartels und Bahl BV-Mandate, Ritter aber nicht. Dafür aber die Spitzenkandidaten der Linken, Sabine Boeddinghaus, und der Grünen, Tülin Akkoc, die mit 1966 und 2194 Stimmen ebenfalls hinter Ritter geblieben waren.

„Das Wahlsystem und die Wichtung der Stimmanteile offenbaren hier deutliche Schwächen“, sagt Schneider. Das gelte gerade mit Blick auf die Gesamtstimmen. Linke (11,2 Prozent) und Grüne (11,0) konnten nur etwa ein Drittel der CDU-Stimmen erzielen, sind aber auch mit je einem Mandat bedacht worden. Schneider: „Hier wird dem Wählerwillen nicht ansatzweise entsprochen. Es ist doch einfach absurd, wenn man mit 32 Prozent aller Stimmen ebenso viele Sitze erhält wie mit 11.“

Das wollen die Christdemokraten aber nicht unwidersprochen hinnehmen. „Im Kreisvorstand wurde der Beschluss gefasst, Beschwerde beim Verfassungsgericht einzulegen“, sagte CDU-Fraktionschef Ralf-Dieter Fischer dem Abendblatt. Das werde passieren, sobald die Wahlergebnisse im amtlichen Anzeiger veröffentlicht und damit rechtskräftig seien. Natürlich berge das Verhältniswahlrecht immer kleinere Vor- und Nachteile für die einzelnen Parteien. Aber so eklatant dürften die Unterschiede nicht sein. „Die Rechenmodelle müssen so angepasst werden, dass die Ergebnisse noch logisch nachvollziehbar sind. Das waren sie bei der jüngsten Bezirkswahl aber eben nicht“, erklärt Fischer. Er legte aber wert auf die Feststellung, dass mit der Beschwerde beim Verfassungsgericht die Ergebnisse der jüngsten Bezirkswahlen nicht angefochten werden sollen.

Einspruch hatten auch die Liberalen avisiert. Sie hatten nur in drei Wahlkreisen Kandidaten benennen können, weil Hamburgs Landeswahlleiter Willi Beiß bei der Kandidatenkür auf mindestens drei anwesenden Parteimitgliedern bestand, die im Wahlkreis wohnen. Nur so sei eine „geheime Wahl“ auch wirklich möglich. „Das ist für kleinere Parteien natürlich oft schwierig“, sagt der ehemalige Harburger Fraktionschef Carsten Schuster. „Aus unserer Sicht macht es keinen Unterschied, ob bei der Kandidatenkür nun drei, oder nur zwei Parteimitglieder anwesend sind.“

Dass die Liberalen nur drei Wahlkreiskandidaten benennen konnten, sei bei der Bezirkswahl zum Nachteil geworden. „Wir haben mit 5800 Persönlichkeitsstimmen doppelt so viele wie Listenstimmen geholt. Das zeigt, das für uns deutlich mehr möglich gewesen wäre“, sagt Schuster.