Eine Koalition um jeden Preis soll es aber nicht geben. Zweifel an Verlässlichkeit der Sozialdemokraten

Harburg. Die Grünen haben bei den jüngsten Bezirkswahlen Ende Mai mit einem Plus von 3,5 Prozent der Wählerstimmen (jetzt 13,5) und dem Zugewinn von zwei Sitzen in der hiesigen Bezirksversammlung (jetzt 7) ein erstklassiges Ergebnis erzielt. Damit durften sich die Grünen zu recht als einer der großen Sieger feiern. Kein Wunder also, dass die SPD ihnen jetzt nach dem Verlust der absoluten Mehrheit Avancen macht, als Juniorpartner eine Koalition zu bilden.

So verlockend diese Option für die Grünen auch erscheint, es gibt etliche Vorbehalte, die die SPD selbst provoziert hat. Die wieder aufgebrochenen Grabenkämpfe in der SPD-Fraktion lassen nicht wenige Grüne an der Verlässlichkeit der Sozialdemokraten zweifeln. „Irgendwie möchte man ja schon wissen, mit wem wir da künftig verhandeln werden. Für mich wäre es jedenfalls irritierend, wenn wir da plötzlich Herrn Wiese gegenüber säßen“, sagt Noch-Fraktionschef Kay Wolkau.

Dass Arend Wiese, Vorsitzender des einflussreichen SPD-Distrikts Neugraben-Fischbek, zwischenzeitlich eine Kampfkandidatur gegen SPD-Fraktionschef Jürgen Heimath angekündigt hatte, offenbarte mehr als deutlich, dass die Machtkämpfe innerhalb der Harburger SPD noch lange nicht beendet sind. „Die SPD macht nicht gerade einen homogenen Eindruck, sie ist nach wie vor zu sehr mit sich selbst beschäftigt“, sagt der gerade im Amt bestätigte Kreissprecher der Grünen, Robert Klein.

Zwar hat Wiese inzwischen einen Rückzieher gemacht. Von einer nachhaltigen Befriedung der Lage kann dennoch keine Rede sein. „Vermutlich wird erst nach der Bürgerschaftswahl Mitte Februar nächsten Jahres wirklich Ruhe einkehren“, mutmaßt Klein. Doch bis dahin stünden sicher wichtige Entscheidungen für den Bezirk an. „Da müssen wir uns schon darauf verlassen, dass angesichts einer knappen Mehrheit von Rot-Grün Fraktionsdisziplin im Lager der SPD herrscht und es keine Abweichler gibt“, so Klein.

Und was wäre mit wechselnden Mehrheiten? Laut Klein hätte diese Möglichkeit „durchaus Charme“. In Bergedorf würde das seit Jahren mit Erfolg praktiziert. „Allerdings wäre die AfD vermutlich ziemlich oft das Zünglein an der Waage. Und daran kann keinem wirklich gelegen sein“, gibt Klein zu Bedenken. Auch für Wolkau wären wechselnde Mehrheiten grundsätzlich „okay“. In der Fraktion gebe es aber den Wunsch nach einer „gewissen Verbindlichkeit politischer Absprachen“. Das könne er verstehen. „Weil es dann auch eine stärkere Bindung an die Bezirksverwaltung gäbe, die die Beschlüsse der Bezirksversammlung ja umsetzen muss. Da wären einfach andere faktische Prioritäten möglich“, so Wolkau.

Dass die Schnittmengen mit den Sozialdemokraten am größten sind, darüber herrscht bei den Grünen prinzipiell Einigkeit. Das hätten nicht zuletzt die jüngsten, zweieinhalb Stunden währenden Sondierungsgespräche gezeigt, sagt Robert Klein. Die SPD habe im Programm der Grünen sogar vieles gefunden, das in einem möglichen Koalitionsvertrag stehen sollte. Was Klein aber auch nicht sonderlich überrascht: „Unser Wahlprogramm ist mit 60 Seiten doch um einiges detaillierter als das der SPD, das gerade 28 Seiten umfasst.“ In den Schwerpunkten wie Verkehrspolitik, öffentlicher Personennahverkehr, Umweltschutz habe es laut Wolkau jedenfalls eine 95-prozentige Übereinstimmung gegeben. Das schließe aber nicht aus, dass „in detaillierten Verhandlungen noch der eine oder andere Stolperstein auftauchen“ könne. „Diese Verhandlungen müssen nicht zwingend in eine Koalition münden“, stellte Klein noch einmal klar.

Bis es soweit ist, müssen unterdessen die Grünen selbst noch für Klarheit sorgen. Denn wer neuer Fraktionschef wird, ist noch nicht entschieden. Wolkau würde es gern bleiben, wird aber von Britta Herrmann herausgefordert. Die Kita-Leiterin hatte in ihrem Wahlkreis Heimfeld mit 2726 Stimmen das drittbeste Ergebnis eingefahren und sieht sich auch durch die Tatsache gestärkt, dass unter den sieben Grünen-Abgeordneten Frauen mit 4:3 in der Überzahl sind. „Ich hoffe, die beiden Kandidaten einigen sich noch vor unserer konstituierenden Fraktionssitzung am Donnerstag dieser Woche“, sagt Kreissprecher Robert Klein. Letztlich könne er aber mit beiden gut leben. Herrmann habe sich in der vorangegangenen Legislaturperiode als Nachrückerin für den verstorbenen Fraktionschef Ronald Preuß rasch ein gutes Standing erarbeitet und gerade durch ihre Mitarbeit im Jugendhilfeausschuss viel Kompetenz bewiesen.

Aus Sicht der aus der Fraktion ausgeschiedenen Heinke Ehlers, was Klein und Wolkau unisono ausdrücklich bedauerten, spräche die größere Erfahrung für Wolkau. „Erfahrung und taktisches Geschick braucht es in einer möglichen Koalition mit der SPD unbedingt. Denn problemlos wird es mit diesem Partner bestimmt nicht“, so Ehlers.