Das Neue Museum in Lüneburg hat noch gar nicht eröffnet, da haben es schon viele von innen besichtigt

Dieses Museum zählt schon vor seiner Eröffnung 8000 Besucher. Lüneburgs neues Haus zwischen Bahnhof und Innenstadt hat schon als Baustelle mehr Menschen angezogen als der Vorgänger es in einem ganzen Jahr getan hat. Führungen durch die Baustelle, eine Modenschau, die Lüneburger Museumsnacht: Das an sich noch geschlossene Museum ist gar nicht geschlossen. Das betont auch Leiterin Dr. Heike Düselder: „Unser Motto lautet: Das Haus ist offen.“ Auch wenn die Eröffnung erst noch kommt.

Offen ist das Neue Museum, Nachfolger des reichlich angestaubten Museums für das Fürstentum Lüneburg, auch in ganz anderer Hinsicht: Es lässt sich in die Karten gucken. Die Dauerausstellungen zeigen nicht nur Natur, Mensch und Kultur in der Region Lüneburg, sondern auch die Arbeit hinter den Kulissen.

Wie findet sich ein Archäologe eigentlich im Wust der Fundstücke zurecht? Was kommt in die Ausstellung, was bleibt im Lager? Diese Fragen stellt und beantwortet das Museum auch. Den wohl spannendsten und beeindruckendsten Blick hinter die Kulissen wird ein Film geben, der gerade in der Restaurierungswerkstatt des Klosters Lüne entsteht.

Dort arbeitet seit Anfang des Jahres eine Restauratorin an einem 650 Jahre alten Altartuch, das später im Museum zu sehen sein soll. Und weil sich kein Mensch außerhalb des Faches vorstellen kann, wie das funktioniert, warum das mehrere Monate dauert und 30.000 Euro kostet, dokumentiert ein Team die Arbeiten und schneidet daraus einen Film zusammen.

„Ich denke immer an den 15-jährigen Schüler“, sagt Historikerin Düselder, selbst Mutter einer Tochter, der es lange Jahre peinlich war zuzugeben, dass beide Eltern was mit Geschichte arbeiten. „Auch der muss es spannend finden. Da hilft es oft, den Versicherungswert eines Objekts zu nennen. Das erzeugt eine erste Aufmerksamkeit.“ Dieses Interesse nutzen und zeigen, dass es noch mehr Spannendes zu erzählen gibt als den Preis, das ist das große Ziel der Museumsmacher. Zum Beispiel, dass dieses Altartuch in seiner Größe und Gestaltung einzigartig ist.

Düselder möchte auch mit der Vorstellung aufräumen, Kinder und Jugendliche sollten im Museum unbedingt etwas lernen. Nein. Sie sollen sich dort in erster Linie einfach nur gerne aufhalten. Nichts mehr und nichts weniger. „Wir wollen ein Wohlfühlort sein“, sagt die Historikerin, die auch im Fach Kulturwissenschaften an der Leuphana Universität Lüneburg lehrt. Aus einer Not hat das 15-köpfige Museumsteam bereits einen Tugend gemacht. Da in den Plänen der Architekten ein Raum für die Museumspädagogik fehlt, schafft das Haus kurzerhand tragbare Stühle an – und siedelt die Museumspädagogik mobil im gesamten Museum an. Mittelfristiges Ziel der Chefin ist aber ein eigenes Museum für Kinder und Jugendliche, an dem die jungen Besucher selbst mitarbeiten und das Konzept gestalten können.

Schon jetzt hat das Team junge Leute mit in die Arbeit für die Ausstellung eingebunden. In einem Ferienprojekt haben Kinder Rucksäcke für den Gang durchs Haus entwickelt, bei einem weiteren Workshop hat das Museum mit der Volkshochschule und der IGS Kaltenmoor zusammengearbeitet.

Wer weiß, wer Johanna Stegen war? Welche Bedeutung Volkstrachten für das Wendland hatten? Warum man nach Berlin fahren muss, um das Lüneburger Ratssilber zu bewundern? Diese Fragen haben die Schülerinnen und Schüler gemeinsam mit Kurator Dr. Ulfert Tschirner beantwortet und Audiobeiträge darüber entwickelt.

„Das Projekt Land-Checker verfolgt das Ziel, die Medienkompetenz und die lokale Identität von Jugendlichen in ländlichen Räumen zu stärken“, sagt Tschirner. Förderer sind das Sozialministerium, die Landesmedienanstalt und das Landesamt für Soziales, Jugend und Familie. Zwei Audio-Beiträge sind schon fertig, die Jugendlichen haben die Drehbücher selbst erarbeitet und die Hörbeiträge eingespielt. Tschirner: „Ihre Darstellung überführt scheinbar trockene und sperrige Themen der regionalen Geschichte in die Lebenswirklichkeit der Jugendlichen.“

Derzeit arbeiten die Wissenschaftler an den Texten zu den Exponaten – deren Auswahl steht bereits fest. Jetzt heißt es, Exaktheit, Lesbarkeit und Kürze zu vereinen. Außerdem entwickelt das Team die Drehbücher für die 18 Medienstationen und lässt den Großteil der Text auf Englisch übersetzen.

Erstmals wird das neue Geschichts- und Gegenwartshaus sich auch mit der Zeit des Nationalsozialismus in Lüneburg beschäftigen, bislang eine Lücke in der Museumslandschaft. Gemeinsam mit der Geschichtswerkstatt wird ein Eisenbahnwaggon im gegenüberliegenden kleinen Park aufgestellt, der an die Transporte in die Konzentrationslager erinnert. Und in einem dreidimensionalen Stadtmodell sollen alle ausschlaggebenden Orte gezeigt werden.

Düselder, die zu den ganz wenigen Frauen in der obersten Leitungsebene von Museen in Deutschland gehört, ist froh über die Unterstützung von Fördervereinen, von Stadt und Landkreis, über Drittmittel. Sie sieht aber auch eine hohe Erwartungshaltung an das Museum, wenn es denn tatsächlich ein geöffnetes Haus ist. Die Eintrittspreise jedenfalls dürften nicht vom Besuch abhalten: Eine Jahreskarte für Erwachsene kostet 25 Euro, für Familien 40 Euro.