Neu Wulmstorf tut viel, um Jugendliche in die Ausbildung zu vermitteln. Ende der Schule steht bevor

Neu Wulmstorf. Wer die Wahl hat, hat die Qual: Aus 340 Ausbildungsberufen den richtigen Beruf auszuwählen, überfordert viele Schüler. Da ist es schon hilfreich, wenn die Jugendlichen wissen, was sie nicht wollen. Für Karina Nerenberg ist klar, dass sie nicht im Verkauf arbeiten möchte. „Mir bringt der Verkauf total Spaß, aber als Beruf ist es nichts für mich“, sagt sie. Sie steht schon lange genug hinter dem Kiosktresen, um das beurteilen zu können. Die 16-Jährige gehört mit zum Catering- und Verkaufsteam der Hauptschule Vossbarg in Neu Wulmstorf.

Das ist nicht einfach ein Pausenservice. Dahinter steckt eine Firma mit 13 Abteilungen. Damit will die Hauptschule die Jugendlichen auf die Berufswelt vorbereiten. Schüler stehen als Chefs an der Spitze und schreiben Dienstpläne, kümmern sich um den Einkauf und kalkulieren Kosten. Andere Jugendliche schlüpfen in die Rolle von Angestellten. Karina Nerenberg bereitet Snacks wie Pizza, Waffeln, Hot Dogs oder ähnliches zu und verkauft sie in der Pause an Schüler und Lehrer.

Ihre Mitschüler reparieren Fahrräder von Bürgern aus Neu Wulmstorf, betreuen den Fitnessraum der Schule oder schreiben für die Schülerzeitung. „Dadurch wird es für die Jugendlichen klarer, was man in einem Betrieb berücksichtigen muss. Sie werden offener und selbstbewusster“, sagt Schulleiterin Ursula Stahmer. Der gesamte neunte und zehnte Jahrgang ist in der Schülerfirma eingebunden. Achtklässler müssen zurzeit sogar Bewerbungsgespräche durchlaufen, um in die Schülerfirma aufgenommen zu werden.

Die Hauptschule am Vossbarg tut alles, um den Jugendlichen eine Orientierungshilfe für die Ausbildung zu geben. Deshalb attestieren Verwaltung und Bürger ihr einen so guten Ruf. Deshalb gibt es die Schule überhaupt noch. In anderen Gemeinden und Städten des Landkreises ist die Hauptschule längst ein Auslaufmodell. Entweder haben sie sich von der Hauptschule verabschiedet oder sind gerade dabei, sie in eine andere Schulform zu betten. Neu Wulmstorf ist neben Tostedt die einzige Gemeinde im Landkreis Harburg mit dreigliedrigem Schulsystem. Vorerst.

Die Schulleiterin Ursula Stahmer weiß, dass sich die Hauptschule in ihrer herkömmlichen Form auf Dauer nicht halten kann. Sinkende Schülerzahlen wird auch sie nicht aufhalten können. Vor zehn Jahren besuchten noch 327 Jugendliche die Schule. In diesem Jahr sind es 236. „Die Zahlen werden so zurückgehen, dass für die Hauptschule kaum noch etwas übrig bleibt“, sagt Stahmer. Der Rat hat sich zwar darauf geeinigt, die Schulstruktur frühestens im nächsten Schuljahr zu ändern. Aber hinter verschlossenen Türen wird die Zukunft der Schule heftig diskutiert.

Das weckt Begehrlichkeiten. Was soll aus dem Gebäude werden? Von einem Kultur- und Freizeitzentrum ist die Rede. „Vielleicht lässt sich da Wohnungsbau realisieren. Es fehlt ja günstiger Wohnraum“, sagt Joachim Franke, Fraktionsvorsitzender der Grünen. Doch CDU und SPD bezweifeln, dass die Hauptschüler ohne weiteres woanders untergebracht werden können. „Immerhin muss Platz für acht Klassenräume sein“, sagt Malte Kanebley, Fraktionsvorsitzender der CDU.

Ursula Stahmer sieht es gelassen, dass über die Zukunft des Gebäudes verhandelt wird. Viel wichtiger ist für sie die künftige Schulform. Die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass die Hauptschule in einer Oberschule aufgeht. Für eine Integrierte Gesamtschule reichen die Schülerzahlen nicht. So richtig anfreunden kann sich Stahmer weder mit der einen noch mit der anderen Form. „Große Systeme sind für Hauptschüler nicht das Richtige. Da gehen sie unter“, sagt sie. Sie plädiert dafür, für die Schüler wenigstens einen kleinen Rahmen im großen zu finden. „Damit sie viel Zuspruch bekommen.“

Mit positiven Erlebnissen und Ergebnissen hat Stahmer es auch geschafft, ihre Hauptschule auf Erfolgskurs zu führen und den schlechten Ruf, der sonst in der Gesellschaft an der Hauptschule haftet, abzuschütteln. Vor allem aber hat sie die Schule mit Vereinen und Firmen im Ort vernetzt. Sie arbeitet eng mit Unternehmen wie Mercedes, Shell und Airbus zusammen und veranstaltet einmal pro Jahr eine Berufsmesse, in der die Schüler den direkten Draht zu den Firmen aufnehmen können. Jenny Vedder, 16, hat so den Beruf Sozialpädagogin für sich entdeckt. Maurice Bock, 16, will Industriemechaniker werden. Stahmer: „Die meisten Schüler wissen am Ende, was sie wollen.“