Künstler und Schüler gestalten mit einem surrealen Wandbild die Fassade eines 17 Meter hohen Mietshauses

Wilhelmsburg. Hauseigentümer Konrad Grevenkamp lässt die Fassade seines 109 Jahre alten Mietshauses in der Fährstraße 115 auf eine besondere Art und Weise renovieren: Die Künstler Kai Teschner und Hanna Lena Hase gestalten zusammen mit Jungen und Mädchen der Stadtteilschule Wilhelmsburg ein riesiges Wandbild: 17 Meter hoch und mehr als zehn Meter breit.

Das Kunstwerk, das von der viel befahrenen Hafenrandstraße zu sehen ist, ist ein fantasievoller Appell, Mut zu eigenen Gedanken zu zeigen. In zwei Wochen wird es voraussichtlich fertig sein.

Das Bild zeigt den Kopf eines Menschen mit surrealer Frisur. Die Haarsträhnen verwandeln sich in einen Dschungel, in dem ein nicht näher bestimmtes Vogelungetüm, Äffchen und ein Reiher leben. Diese fantastische Welt symbolisiert die menschliche Fantasie: Gedanken, die frei sein sollen.

Die beiden Künstler haben mit ihrem Entwurf eine Hommage an alle Freigeister geschaffen. Der Reiher ist eine Reminiszenz an den Standort des Hauses, das Reiherstiegviertel.

Geschickt haben Kai Teschner und Hanna Lena Hase die beiden an die Wand geschraubten Werbetafeln in das Bild integriert. Mit einigen Pinselstrichen verwandeln sie die Plakatwände in ein Brillengestell und bringen damit subversiv eine zivilisationskritische Botschaft unter. „Es ist eine Kritik am plakativem Denken“, sagt Kai Teschner.

Seit einer Woche malen die Schüler der Klasse 9b der Stadtteilschule Wilhelmsburg in zwei Schichten etwa vier Stunden am Tag an dem gewaltigen Wandbild. Ähnlich einem Schachbrett ist die 170 Quadratmeter große Wand zur genauen Orientierung in Felder aufgeteilt. Der 16 Jahre alten Öznur gefällt das freche und zugleich tiefsinnige Motiv: „Es ist einzigartig, etwas, das keiner hat“, sagt sie.

Ein halbes Dutzend Entwürfe haben Kai Teschner und Hanna Lena Hase vorgelegt, bis alle Beteiligten endlich einverstanden waren. Hauseigentümer Konrad Grevenkamp entschied ebenso mit wie die insgesamt 15 Mieter des Hauses. Ein Entwurf, der Kritik an der Internationalen Bauausstellung zum Ausdruck brachte, stieß bei Konrad Grevenkamp auf Bedenken: Die Bauausstellung sei mittlerweile Geschichte, sagt er, über die rede in zwei Jahren keiner mehr. Zu wenig zeitlos also.

Ein anderer Entwurf sollte die als „Wilde 13“ bekannt gewordene Wilhelmsburger Buslinie 13 im Großformat auf die Wand bringen. In einem Dokumentarfilm und einem Buch haben Wilhelmsburger Kreative der Buslinie ein Denkmal gesetzt. Bewohner des Mietshauses in der Fährstraße 115 legten ihr Veto ein, weil sie den ihrer Meinung nach „Mainstream der Wilhelmsburg-Werbung“ nicht bedienen wollten. Der zeitlose Freigeist schließlich stieß bei allen auf Zustimmung.

Kai Teschner und Hanna Lena Hase haben bereits ein Wandbild an der Stadtteilschule Wilhelmsburg geschaffen. Beide Wandbilder gelten als ein Doppelprojekt, das ein Gesamtbudget von 10.000 Euro hat. Das Wohnungsunternehmen SAGA/GWG und der Beirat für Stadtentwicklung Wilhelmsburg unterstützen das Projekt.

Der Künstler Kai Teschner hat die bekannten Wandbilder an der Hamburger Hafenstraße geschaffen. Hanna Lena Hase ist studierte Illustratorin und lebt seit sieben Jahren in Wilhelmsburg. Die Farben des Wandbildes würden in drei oder vier Jahren zwar blasser, sagt Kai Teschner. Nichts spreche aber dagegen, dass das Kunstwerk zusammen mit dem Haus alt werde. In zehn oder 20 Jahren müsste es renoviert werden. Wer das Projekt unterstützen möchte, etwa mit Acrylwandfarben, wendet sich in einer E-Mail an Hanna Lena Hase.

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