Der NDR zeichnete in der Buchholzer Empore den satirischen Monatsrückblick fürs Fernsehen und das Radio auf

Es ist Sonntagabend. Es ist kurz vor 20 Uhr. Im Aufenthaltsraum für Künstler in der Buchholzer Empore sitzt Axel Naumer und geht im Geiste noch ein letztes Mal eine Moderation durch. Dann ertönt die Melodie von Big Ben - das ist das Zeichen, das es jetzt gleich los geht. Der Moderator greift zu seinem lilafarbenen Sakko. Wer nicht auf den Anblickt vorbereitet ist, muss wegen der schreienden Farbe erst mal die Augen schließen, denn Axel Naumer trägt das knalligste Outfit seitdem es Farbfernsehen gibt. „Hab ich vor zehn Jahren in einem verstaubten kleinen Second Hand-Laden in New York gefunden“, berichtet er mit Besitzerstolz. Für zehn Dollar gab’s sogar noch die passende Hose obendrauf, „aber das möchte ich wirklich keinem zumuten“, grinst er und schaut kurz an seinem wohlgeformten Bauch herunter. Er wirft noch einen letzten prüfenden Blick in den Spiegel, dann macht sich der 52-Jährige auf den Weg zur Bühne. Als er aus der Kulisse tritt, begrüßt ihn das Publikum mit tosendem Applaus. Axel Naumer ist mit dem Team der Intensivstation, der Satiresendung von NDR Info, an diesem Abend zu Gast in der Empore. Seit acht Jahren ist die Intensivstation montags ab 21.05 Uhr im Radio zu hören. Seit acht Jahren läuft die Intensivstation jeden Montagabend ab 21 Uhr auf NDR Info und arbeitet eine knappe Stunde lang die wichtigsten Ereignisse der vergangenen Woche satirisch auf.

Außerdem geht des Team der Intensivstation einmal im Monat raus zu den Freunden der gepflegten Ironie und Satire auf die größeren und kleineren Bühnen in ganz Norddeutschland. Mit dabei bei diesem Monatsrückblick sind dann immer drei Kabarettisten, die sich ihre eigenen Gedanken zu tagespolitischen Geschehen machen. Seit rund fünf Jahren ist auch das NDR Fernsehen mit an Bord, „das ist eher selten, dass Fernsehen und Radio gemeinsam eine Sendung produzieren“, sagt Stephan Fritzsche, der gemeinsam mit Axel Naumer das Konzept entwickelt hat und die Sendung im fürs Radio gestaltet und moderiert. In Buchholz ist an diesem Tag aber alles etwas anders, als sonst: Antonia vom Raomatowski, die sonst mit ihren Parodien auf „Angie“ Merkel und „Uschi“ von der Leyen für Lacher sorgt, ist kurzfristig krank geworden. Blöd für den Rest der Truppe, aber „dann haben unsere Gäste etwas mehr Zeit bei ihren Auftritten“, gibt sich Stephan Fritzsche entspannt.

Doch bevor an diesem Sonntagabend die Show in der Buchholzer Empore über die Bühne gehen kann, bedarf es tagelanger Vorbereitung. NDR Fernsehen und Radio reisen mit einem Tross von rund 80 Mitarbeitern an. Sechs große Lkw und Übertragungswagen von NDR Info und Fernsehen stehen auf dem Parkplatz hinterm Haus. Arbeiter haben Kabelbäume über die Straße gelegt, vom Lichtstrahler bis zum großen Bühnenelement bringt der NDR alles mit: „Die Bühne war sozusagen nackt, als wir kamen“, erklärt Aufnahmeleiterin Angelika Lützkendorf. Zwei Tage brauchen die Bühnenarbeiter, um alles aufzubauen, zu installieren und anzuschließen.

Am Sonntag, geht es für alle Beteiligten schon früh los. Am Mittag haben Techniker die Beschallung eingestellt, am frühen Nachmittag beginnt der Probedurchlauf für die Show. Fünf Kameramänner sind auf ihrem Posten, Fernsehredakteur Ralf Kossak hat vor der Bühne Platz genommen und verfolgt das Geschehen über ihm mit konzentriertem Blick. Jeder Schritt, jeder Gag, jeder Text ist genau geplant. Was später bei der Show leicht und locker erscheint, folgt in Wirklichkeit einer minutiös geplanten Choreografie. Drei Stunden dauert die Probe, immer wieder wird sie unterbrochen von der Stimme des Aufnahmeleiters Kai Erich. Er sitzt im Ü-Wagen auf dem Parkplatz hinter der Empore und plant die Kameraführung und den reibungslosen Ablauf, denn jede Szene, jede Kameraeinstellung muss sich wie Perlen an einer Schnur nahtlos aneinander reihen.

Nichts wird dem Zufall überlassen, aber auch wenn diese Sendung fast eins zu eins gesendet wird, müssen natürlich Szenen bearbeitet werden, allein wegen des Timings. Deshalb sind beispielsweise die kleinen Kreuzchen auf dem Bühnenboden so wichtig. Sie zeigen den Künstlern, wo sie stehen müssen, damit sie optimal von den fünf Kameras in Szene gesetzt werden können. Wenn die Kreuzchen nur nicht so klein wären: Stephan Fritzsche zumindest findet sie nicht auf Anhieb: „Ist das jetzt ein Stoffrest oder der Orientierungspunkt?“, fragt er planlos in die Runde. Er ist nicht nur für die Inhalte der Show verantwortlich, sondern spielt auch zwei Charaktere, die in jeder Sendung auftauchen: den Oberpfleger Fritzschensen, der mit trocken bodenständigem Mutterwitz auf die Schweigepflicht pfeift und frei von der Leber weg über die auf der Intensivstation eingelieferten politischen Notfälle plaudert. Außerdem gibt der 52-Jährige den Radioreporter im Stil der 50er-Jahre und berichtet bei der Wochenschau über die neusten Ereignisse aus dem „Vaterland“. Ebenfalls an diesem Sonntag auf der Bühne stehen die Kabarettistin Christine Prayon, die regelmäßig in der zdf heute-show zu sehen ist, die Kollegen Horst Evers und Florian Schröder und Hans Hermann Thielke als pensionierter Postbeamter mit Durchblick.

Nach mehr als drei Stunden ist der Probelauf endlich durch. Schlagartig leert sich die Bühne, gemeinsam geht das Team ins Lims und stärkt sich am warmen Büffet für den Abend. Dann beginnt das Warten. Im Aufenthaltsraum sitzt an einem langen Tisch Dirik Schilgen und schlägt mit seinen Schlagzeugsticks einen Takt, den er gerade im Ohr hat. Neben dem Drummer sitzen seine Kollegen Matthias Dörsam, Daniel Prandl und Stephan Schmolck von der Intensivstation Hausband und checken per Handy schnell noch die neusten Entwicklungen in Sachen Deutsche Mannschaft bei der Fußball-WM. Florian Schröder und Horst Evers feilen an ihren Texten. In der Garderobe nebenan zischt das Dampfbügeleisen von Garderobiere Sharon Rohardt über Axel Naumers Hemd, ein Raum weiter legt Maskenbildner Axel Ruppert letzte Hand an das Make Up von Christine Prayon. Die Stimmung ist gelöst, Lampenfieber ist keinem anzumerken. Langsam leeren sich die Räume, die Künstler sind bereit. Ein Gong ruft zum Showbeginn, Axel Naumer nimmt sein lilafarbenes Sakko vom Bügel und greift zu einem Stapel mit Moderationskärtchen.

Der Abend ist ein voller Erfolg, trotz der fehlenden Kanzlerin-Parodistin. Die Buchholzer amüsieren sich über süffisante Spitzen zu den Themen Europawahl und Grand Prix, Oberpfleger Fritzschensen verarztet diesmal als prominenten Patienten den türkischen Ministerpräsidenten Erdogan und Christine Prayon berichtet mit dem Verve einer Spanierin von den neuen Partygesetzen auf Mallorca. Für unfreiwillige Komik sorgen die kleinen Pannen. Slapstickreif ist die Szene mit Musiker Matthias Dörsam. Bei Ankabeln seines Basses, fallen ihm die gesamte Sammlung an Notenblättern herunter, die er hektisch wieder aufklaubt. Dazu passt dann der Texthänger, der Axel Naumer kurze nach Beginn der Show ereilt, später stehen plötzlich während seiner Moderation drei schwarzgekleidete Arbeiter auf der Bühne und wollen die Deko abbauen. „So viele Pannen haben wir wirklich lange nicht mehr gehabt“, schwört später Stephan Fritzsche Stein und Bein. Axel Naumer überspielt die Patzer souverän und mit viel Charme. Und auch den Buchholzern gefällt was sie sehen, und spenden frenetischen Applaus am Ende der Show.

Zurück in der Garderobe schält sich Axel Naumer wieder aus seinem Sakko. Bis nach der Sommerpause hängt es nun im Fundus des NDR. Erst im September wird es wieder herausgeholt, wenn es wieder los geht, mit der NDR Info Intensivstation auf Tour, dann in Neumünster.

Der Monatsrückblick aus Buchholz wird morgen Abend auf N3 gezeigt, die Sendung beginnt um 23.30 Uhr. Montags ist die Intensivstation ab 21.05 Uhr auf NDR Info zu hören.