Die Tampentrekker haben bei Ina Müllers musikalischem Talk im Dritten einen Fensterplatz. Aber sie haben viel mehr drauf als Shantys

Die Weste im Fischerlook, dazu eine rotes Tüchlein um den Hals, den Elbsegler auf dem ergrauten Haupt und einen dicken Tampen in der Hand – so kennen die Freunde der Musik vom Meer ihren Shantychor „De Tampentrekker“. Jedem präsentiert sich sofort das Bild vom Hafenarbeiter, der die Tampen der großen Schiffe zieht, dabei wissen die wenigsten, dass es den Begriff „Tampentrekker“ gar nicht gibt: „Das ist alles Tüdelkram, das Wort hat sich unser Gründer und Ehrenvorsitzender Rudfried Villwock ausgesucht, als er den Chor 1976 ins Leben gerufen hat“, verrät Hartmut Grossmann, Sprecher der Shantysinger. 41 Aktive sind zurzeit dabei, mehr als die Hälfte wohnt in Harburg und im Landkreis.

Immer dienstags proben sie mit ihrem Chorleiter Tim Hußmann in der Wilhelm Carstens Gedächtnis-Stiftung im Wilhelmsburg und üben nicht nur die maritimen Klassiker wie „Rolling Home“ oder „Auf der Reeperbahn nachts um halb eins“, sondern auch moderne Songs von Rod Stewart oder Santiano ein.

Der Chorleiter bringt die betagten Herren regelmäßig in Wallung, „der hat Hummeln im Hintern und motiviert uns“, berichtet Hartmut Grossmann. Das lebendige und frische Repertoire hat den Chor mit dem Dreizack im Vereinsemblem zum Erfolg geführt: Die Tampentrekker kennen auch Menschen, die südlich des Rheins wohnen, was auch daran liegt, dass sie Sänger allein als Botschafter der Hansestadt Hamburg mehr als 1700 Auftritt in ganz Deutschland absolviert haben.

Bei einem der Übungsabende stand vor sieben Jahren plötzlich eine quirlige Frau in der Tür, die sich gemeinsam mit ihrem Begleiter die „Jungs“ mal aus der Nähe anhören wollte. Es war die NDR-Moderatorin Ina Müller, die zusammen mit dem Regisseur Axel Hahne auf der Suche nach einem Shantychor für ihre neue Sendung war. „Als sie reinkam, hab’ ich sie wie eine alte Bekannte begrüßt – und sie hat mich erstmal in den Arm genommen und geknuddelt“, grient Hartmut Grossmann. Der Moderatorin gefiel, was sie hörte und sie engagierte die Jungs für „Inas Nacht“, die seit mehr als sieben Jahren erfolgreich im NDR-Fernsehen läuft. Dazu lädt sie zwei Talkgäste in die Kneipe „Am Schellfischposten“ am Hamburger Fischmarkt ein und schnackt frei von der Leber weg mit ihren Gästen. Draußem vor der Tür, bei Wind und Wetter harren die Tampentrekker aus und kommentieren auf ihre Art die guten und manchmal auch schlechten Witze, die die Gäste reißen. „Lustich, lustich“ erschallt es dann aus den Kehlen der maritimen Sänger. Anfangs waren nur ein paar Auftritte geplant, mit den Jahren sind die Tampentrekker bei Inas Nacht zur Institution geworden. Ende Mai können sie auf 77 Inas-Nacht-Fernsehsendungen zurückblicken, insgesamt waren die Tampentrekker mehr als 100-mal auf der Mattscheibe zu sehen. Der erste Auftritt war 1989, da filmte der NDR den Shantychor auf der Rickmer Rickmers fürs Hamburg Journal. Dann kamen musikalische Auftritte bei „Melodien der Meere“, „Bi uns to Hus“, „Freut Euch des Nordens“ und ein Besuch auf dem roten Sofa bei Bettina Tietjen, „natürlich passten wir nicht alle drauf, und haben uns drumherum verteilt“, erzählt Hartmut Grossmann. Darüber hinaus haben es die Tampentrekker sogar ins Werbefernsehen geschafft und für die Cruise Days und eine Bank geworben. Witzig war ein Spot für eine Biermarke, für den sie ihr Seebären- Outfit gegen Jägerkostüme eintauschen mussten.

Am allerliebsten sind den Tampentrekkern aber die Auftritte vor dem Shellfischposten. Ina Müller hat schon vor Jahren die Herzen der singenden Herren im Sturm erobert. Nicht immer sind die Tampentrekker bei den Drehs vollzählig, Hartmut Grossmann ist immer dabei, „weil es mir einfach Spaß macht“. Drei Stunden müssen sie pro Sendung an der frischen Luft ausharren. Das geht manchmal an die Substanz, schließlich liegt das Durchschnittsalter der Sänger bei 69 Jahren, „da hat so mancher schon ein Zipperlein“, gibt Hartmut Grossmann zu. Er selbst darf ausnahmsweise einen Stehstuhl bei den Auftritten benutzen, nachdem er einmal ohnächtig geworden ist. Ina Müller erwartet immer volle Mannstärke, wenn zu wenig Tampentrekker vor der Kneipe stehen, schimpft sie auch mal mit ihren Jungs, „bei 15 zog sie die Nase kraus“. Ansonsten sind die Shantysänger für jeden Spaß zu haben - und stehen auch mal im gelben Friesennerz und Sturmfrisur-Perücke vor der Tür um das typische Hamburger Schietwetter zu symbolisieren.

Eigentlich sind die Sänger froh, dass sie draußen stehen können, denn im Schellfischposten tummelt sich so einiges. Zur Moderatorin und ihren beiden Gästen gesellt sich nämlich noch die Hausband. Hinzu kommen all diejenigen, die man im Fernsehen nicht sieht: drei Kameramänner, ein Fotograf, zwei Tonleute, ein Redakteur und ein Mensch, der die Pappen mit den Texten hochhält, dazu die Gäste, die an den Tischen sitzen plus Kneipenwirtin, die hinter dem Tresen wahrscheinlich am meisten Platz hat – es ist reichlich eng, wenn Ina Müller in den Schellfischposten lädt.

Nicht nur die Moderatorin macht den Tampentrekkern Spaß, natürlich sind es auch die prominenten Gäste, die die Sänger hautnah Nähe erleben. Auf den Nachhausefahrten mit der Vierer- Fahrgemeinschaft nach Stelle werden jeder Abend und die Gäste im Auto noch mal durchdiskutiert. Da sind diejenigen, die ihre Zähne nicht so richtig auseinander kriegen und an denen sich auch die quasselige Moderatorin regelrecht abarbeitet.

Ralf Schumacher war so ein Kandidat und erstaunlicherweise auch „Dittsche“ Olli Dittrich, der privat sehr zurückhaltend ist. Weitaus wohlwollender beurteilen die Tampentrekker die Gäste, die offen und locker mit ihnen umgehen und die auch noch nett sind, wenn die Kameras schon lange aus sind. „Karl Moik kam schon zwei Stunden vor Drehbeginn und hat uns allen persönlich die Hand gegeben. Mit dem haben wir über Gott und die Welt geschnackt“, erinnert sich Hartmut Grossmann. „Und die Schauspielerin Katja Riemann krabbelte hinterher zu uns durchs Fenster raus und hat mit uns gesungen“.

Ulrich Tukur und Ute Lemper beeindruckten durch ihre Musik und Gesang und Gewichtheber Matthias Steiner durch sein nettes Wesen. Mit Ex- Boxer Axel Schulz gab es einen nicht ganz ernst gemeinten verbalen Schlagabtausch, als der Berliner Ina fragte, was die ollen Kerle vor der Tür denn sollten. Ein gefundenes Fressen für die Tampentrekker, durch das offene Kneipenfenster hielten sie stramm gegen die Frotzeleien an, „nachher kam er noch raus und hat mit uns ein Weißbier getrunken“. Lustig war auch der Auftritt von Calli Calmund. Was die wenisten wissen, ist nämlich, dass der Manager in früher Jugend Akkordeon spielte, das Hobby aber schnell wieder an den Nagel hängte. Bei Ina sollte er nun spielen und brauchte erst mal 15 Stunden vor Drehbeginn „Quetsche-Nachhilfe“. Mit dem Instrument bewaffnet machte er es sich dann zwischen den Tampentrekkern gemütlich, „es war schon ganz schön eng“, schmunzelt Grossmann. Besonders überrascht hat ihn Schlagersänger Heino, den konnte er nämlich gar nicht leiden, „der war so locker, freundlich und unterhaltsam, das hätte ich nie gedacht“.

Inas Nacht, natürlich mit den Tampentrekkern an Bord, ist am 31. Mai auf N3 um 23.40 Uhr zu sehen. Dann kann man sich davon überzeugen, dass Axel Schulz eine echte Berliner Schnauze hat. Ebenfalls hinter den engen Kneipentisch, an dem Ina mit ihren Gästen plaudert, quetscht sich Schauspielerin Nora Tschirner.

Die Sommerpause nutzen die Tampentrekker für Auftritte: Am Samstag 21. Juni laden sie zum vierten Shantychortreffen ins Bürgerhaus Wilhelmsburg. Mit dabei sind dann neben den Tampentrekkern der HHLA-Shantychor „De Jungs vun de Logerhus“, die „Kliffkieker“ aus Herford und der „Passatchor“ aus Travemünde. Die Karten für die veranstaltung kosten 12 Euro und sind erhältlich im Bürgerhaus und unter Telefon: 040/792 84 34.