Unbekannter widmete sie zum „Thälmann-Denkmal“ um. Bezirksamt weiß nichts von Ehrung für den Kommunisten

Marmstorf. Ohne dass die Bezirksverwaltung davon weiß, hat der Hamburger Stadtteil Marmstorf plötzlich ein Ernst-Thälmann-Denkmal. Ein Unbekannter hat ein Messingfarbendes Schild an der Marmorplastik „Turm der Vögel“ am Marmstorfer Einkaufszentrum angebracht, dass den Namen und die Lebensdaten des von den Nationalsozialisten ermordeten Kommunistenführers Ernst Thälmann (1886 - 1944) trägt. Das Schild ist so sorgfältig produziert und befestigt, dass es hochoffiziell aussieht.

Viele Menschen dürften das als politische Provokation empfinden. Denn der frühere KPD-Führer aus Hamburg-Altona gilt als ein Feind der parlamentarischen Demokratie im allgemeinen und der Sozialdemokraten im besonderen.

Die Ehrung für Thälmann geschieht allerdings still im Verborgenen, denn die etwa drei Meter große Skulptur fristet ein unbeachtetes Dasein im Hinterhof des Penny-Marktes am Ernst-Bergeest-Weg. Ein unbekannter Abendblatt-Leser hat mit einer Postkarte auf das nicht zum Kunstwerk gehörende Schild hingewiesen und fragt: „Wer hat das gemacht?“

Harburgs Stadthistorikerin am Archäologischen Museum Hamburg hat zwei Theorien: „Entweder stammt der Unbekannte aus dem extremen linken politischen Ecke und möchte Ernst Thälmann damit ehren“, sagt Melanie Leonhardt. Oder der Unbekannte sei ein Mensch mit ausgeprägtem Sinn für Satire. Tatsächlich erinnert das klotzartige Kunstwerk mit ein wenig Fantasie an die monumentale Architektur in der früheren Sowjetunion.

Während das Bezirksamt Harburg mehrere Tage zu der Aussage benötigt, dass das Thälmann-Denkmal tatsächlich kein offiziell städtisches sei, entlarvt die Stadthistorikern Melanie Leonhardt die Umbenennung sofort als dreisten Scherz. „Wenn man darüber nachdenkt, ist ein Thälmann-Denkmal in Marmstorf total absurd“, sagt sie. Von der Umstrittenheit der politischen Figur abgesehen, sei Thälmann in Altona geboren und habe dort politisch gewirkt. Der frühere KPD-Führer habe keinen Bezug zu Harburg.

Allerdings sei das Schild an der Marmstorfer Skulptur wirklich gut gemacht, räumt Melanie Leonhardt ein. Jemand müsse sich viel Mühe gegeben haben, dass Aluminiumschild mit Messingansicht zu produzieren oder herstellen zu lassen und es dann mit Zementkleber sauber anzubringen.

Möglicherweise wollte jemand mit einer inszenierten politischen Provokation auf das für ein Kunstwerk unwürdige Hinterhofdasein hinweisen. Vor zwei Jahren war die Verlegung der vermutlich tonnenschweren Skulptur auf den Alten Friedhof in Harburg im Gespräch, um sie aus der Tristesse zu befreien. Auch die Rasenflächen im Eingangsbereich zu dem heute öffentlichen Park an der Knoopstraße oder die Engelstreppe an der Bunatwiete wurden als mögliche neue Standorte in die Diskussion geworfen. Zu einer Entscheidung der Bezirksversammlung kam es aber nie und die Skulptur blieb, wo sie war.

Früher stand der „Turm der Vögel“ von Johannes Ufer und Pièrre Schumann aus dem Jahr 1968 repräsentativ und gut sichtbar auf dem damals neuen Marmstorfer Marktplatz am Ende des Einkaufszentrums Ernst-Bergeest-Weg. Erst nach dem Bau des Penny-Marktes geriet das Kunstwerk in seine klägliche Lage.

Rechtlich dürfte es sich bei dem Scherz um Sachbeschädigung handeln. Aber wem gehört das Kunstwerk eigentlich? Das Bezirksamt winkt ab: Der „Turm der Vögel“ stehe nicht auf öffentlichen Grund. Deshalb dürfte die Abteilung Stadtgrün, sonst mit der Pflege der öffentlichen Kunstwerke in Harburg betraut, nicht für die Unterhaltung der Marmstorfer Skulptur zuständig sein.

Der 1. Vorsitzende des Vereins Alter Friedhof weiß Näheres zu der Eigentumsfrage: Das inzwischen nicht mehr existierende Wohnungsbauunternehmen Neue Heimat habe damals das Einkaufszentrum in Marmstorf gebaut und seinerzeit wohl auch das Kunstwerk „Turm der Vögel“ in Auftrag gegeben, sagt F. Peter Jungehülsing. Eigentümer müsste der Rechtsnachfolger der Neuen Heimat sein.

Die meisten Regionalgesellschaften der Neuen Heimat wurden um 1990 an die Bundesländer verkauft, in Hamburg an die GWG Gemeinnützige Wohnungsbaugesellschaft. In Niedersachsen erwarb auch der US-Investor Lone Star Wohnungen aus der Konkursmasse. Wem genau der Flecken Erde zwischen Penny-Markt und der Altenwohnanlage Ernst-Schmidt-Haus gehört, auf dem der „Turm der Vögel“ steht, muss noch geklärt werden, wollte Harburg sein „Thälmann-Denkmal“ wieder loswerden wollen.

Der unbekannte Witzbold gibt also mehrere Rätsel auf. Offen ist, wer das Thälmann-Schild wieder entfernt. Zumindest die Art und Weise sollte klar sein: stilecht mit Hammer und Sichel!