Wahlkampf konkurriert mit Abiturprüfungen: SPD-Kandidatin aus Hausbruch fährt zurzeit zweigleisig

Harburg. Wenn sich ihre Freundinnen und Freunde mit ihr zum Kaffee oder zum Tanz verabreden wollen, verteilt Natalia Sahling schon mal Körbe. Nicht, weil sie auf solcherart Zerstreuung womöglich gut verzichten könnte. Aber gerade in diesen Tagen gibt es für sie ganz andere Prioritäten, die durchaus ungewöhnlich sind, für eine 19 Jahre alte Abiturientin. Denn Natalia Sahling gehört zu Harburgs jüngsten Kandidaten für die bevorstehenden Wahlen zur Bezirksversammlung am 25. Mai.

Erst am vergangenen Sonnabend hat sie sich wieder mit anderen Genossen des SPD-Distrikts Hausbruch den Bürgern präsentiert. Zwei Stunden hat sie am Infostand in der Rehrstieg Galleria Fragen beantwortet, dabei persönliche Ziele umrissen und natürlich auch die kommunalpolitischen Schwerpunkte ihrer Partei erläutert. „Natalia ist nicht nur sehr hübsch. Sie ist auch klug, überaus kommunikativ und hat für ihr Alter schon einen erstaunlichen politischen Sachverstand“, lobt sie Distriktschef Manfred Schulz, in der ablaufenden Legislatur zugleich Vorsitzender der hiesigen Bezirksversammlung.

So verwundert es nicht, dass Natalia Sahling, die momentan an der Goethe-Schule Harburg mitten in den Abiturprüfungen steckt und aller Voraussicht nach auf einen exzellenten Notenschnitt von 1,2 zusteuert, von ihren Parteifreunden auf Platz vier im Wahlkreis nominiert wurde. Auf der Bezirksliste der SPD ist sie immerhin auf Platz 28 zu finden und rangiert auch dort in der oberen Hälfte. „Das ehrt mich sehr“, sagt sie. „Der Sprung ins Rathaus würde mich schon reizen, da hätte ich echt Lust drauf.“ Weil ihr die Entwicklung des Hamburger Südens sehr am Herzen liege: „Harburg ist meine Heimat. Hier bin ich geboren und aufgewachsen. Hier will ich etwas bewegen.“

Angefangen hat das alles schon vor Jahren in der Schule. Sich einmischen, sich einbringen, um Probleme zu lösen und positive Veränderungen zu bewirken, das hat sie schon immer interessiert. Also wurde Natalia, die überdies eine exzellente Schwimmerin ist, Schulsprecherin an der Eliteschule des Sports Alter Teichweg und saß später auch in der Schülerkammer Hamburg. „Über den Volksentscheid zur Primarschule bin ich dann in Kontakt zu den Parteien gekommen“, erzählt sie.

Was wollen die, was will ich, so sei der Check konkret gelaufen. Und trotz einiger Sympathien für die Grünen seien die Schnittmengen mit den Sozialdemokraten letztlich am größten gewesen. Natalia Sahling: „Während die Grünen in mancher Hinsicht doch etwas weltfremd sind, überzeugten mich die Jusos mit ihrem handfesten Programm und einer stringenten Struktur.“ Im März 2011 ist sie SPD-Mitglied geworden, mit 16 Jahren.

Dass die Primarschule gescheitert sei, könne sie bis heute nicht nachvollziehen: „Ich fand die Idee gut und habe leidenschaftlich für sie gekämpft.“ Am Ende hätte sich aber gezeigt, dass offenbar auch in der Bildungspolitik „die mit der Kohle das Sagen haben“ und ihre elitären Vorstellungen kraft deutlich größerer Finanzmittel durchsetzen. „Das ist weder gerecht noch solidarisch. Gerade deshalb lohnt es, sich politisch zu engagieren. Demokratie verwirklicht sich nicht im Selbstlauf, sondern nur durch rege Beteiligung“, sagt sie.

Harburg ist „lebendig und l(i)ebenswert“, heißt es im Untertitel des SPD-Wahlprogramms für den Kampf um die Majorität der Sitze in der neuen Bezirksversammlung. Der Slogan gefällt der Jungpolitikerin. Es sei doch eine Tatsache, dass da in den vergangenen Jahren viel in Gang gekommen ist. Der Binnenhafen gehöre mit seinem attraktiven Mix aus innovativen Arbeitsplätzen, modernen Wohnprojekten, vielseitigen Kultur- und Gastronomieangeboten zu den prosperierendsten Quartieren Hamburgs. Die Technische Universität ziehe viele junge Leute in den Süden der Stadt, was Harburgs Zentrum mehr und mehr belebe. Überdies seien mit dem Elbmosaik und der ehemalige Röttiger-Kaserne wichtige Bauprojekte angeschoben worden, um auch die Süderelbe-Region zu stärken und zu entwickeln. Natalia Sahling: „Und überall hat die SPD maßgeblichen Anteil. So sollte es auch in Zukunft sein.“

Dass es erneut zur absoluten Mehrheit in der Bezirksversammlung reicht, sieht sie eher skeptisch. „Die Grabenkämpfe im Vorfeld der Wahlen waren unnötig und haben der Partei geschadet“, sagt sie. Ebenso wie die hitzige Diskussion um die neue Flüchtlingsunterkunft in Bostelbek. Dabei trage die SPD Harburg an den zu Recht kritisierten Abläufen gar keine Schuld.

Integration hält Natalia für eines der wichtigsten Themen überhaupt. Deshalb findet sie es gut und wichtig, dass ihre Partei Migranten konkrete Angebote macht, sich einzubringen und kommunalpolitisch zu engagieren. Allerdings erreiche sie damit momentan offenbar vornehmlich Einwanderer mit türkischen oder muslimischen Wurzeln. „Gerade in Heimfeld und Süderelbe gibt es viele Migranten aus Osteuropa und Spätaussiedler aus Russland und Kasachstan. Auch sie müssen stärker eingebunden werden und eine Stimme bekommen“, sagt sie.

Kurioserweise galt sie wegen ihres Namens einige Zeit selbst als Vertreterin dieses Migrantenkreises. „Das ist aber nicht zutreffend. Meine Großeltern stammen aus Hamburg und Gelsenkirchen“, berichtet Natalia. Was im Übrigen auch erklärt, warum ihr beim Fußball Erfolge von Schalke 04 deutlich näher gehen als das Schicksal des HSV: „Mein Vater Klaus-Dieter hat sich als ehemaliger Gelsenkirchener schon immer für S04 begeistert. Das hat sich wohl auf mich übertragen."

Trotz allen Faibles für Politik – Berufspolitikerin zu werden, reizt Natalia Sahling nur bedingt. „Als Volksvertreter sollte man schon einen richtigen Job haben und auch Erfahrungen im normalen Leben sammeln“, findet sie. Deshalb würde sie nach dem Abitur gern Wirtschaftspsychologie studieren, am liebsten an der Leuphana in Lüneburg. „Es hat mich schon immer interessiert, wie die Menschen ticken – und auf welche Weise sie beeinflusst und gesteuert werden“, sagt sie. Momentan wäre sie aber schon froh, wenn sie viele Bürger dazu bewegen könnte, am 25. Mai zur Wahl zu gehen.