Hobbymaler nutzt Räume in Harburg-Arcaden. In der Fußgängerzone soll es nach diesem Vorbild Ausstellungen geben

Harburg. Untergeschoss: Heimtiere, Spielwaren, Oberbekleidung und Gemischtwaren für Preisbewusste, Lebensmittel, Kunst. Kunst? In der Tat: In dem letzten Laden links vor der Treppe hängen Bilder. Der Künstler ist auch da. Maler Manfred Lachmann teilt sich den Ausstellungsraum in den Harburg-Arcaden mit dem Fotografen Wolfgang Roth. Der ist allerdings auf Foto-Expedition. Deshalb ist Lachmann gerade jeden Tag hier. Der Künstler ist Zwischennutzer: Zieht ein Geschäft in den Arcaden aus, darf er in den Räumen ausstellen, bis das Einkaufszentrum einen neuen Mieter gefunden hat.

In den vergangenen zehn Jahren hat Manfred Lachmann schon zehn Läden in den Arcaden belebt. Er ist zufrieden damit. Die Harburg-Arcaden sind zufrieden mit ihm. Die Zusammenarbeit läuft reibungslos. Auch außerhalb der Arcaden, in der Fußgängerzone, will man nun Leerständen mit künstlerischer Zwischennutzung begegnen. Vorgeschlagen hat man das dem BID Lüneburger Straße schon einige Jahre lang. Vorgemacht haben es die Arcaden und Lachmann sogar noch länger.

Manfred Lachmann malt in Acryl. Mal kopiert er Meister der Moderne – Miro und Marc haben es ihm angetan – mal malt er Landschaften, mal probiert er sich in Action-Painting. Seinen eigenen Stil erarbeitet er noch – mit 78 Jahren, denn er ist Spätstarter. Eigene Kreativität schlummert in ihm aber auch, beziehungsweise erwacht sie gerade. Das sieht man, wenn Lachmann, inspiriert von den naturalistischen Makroaufnahmen seines Ateliergenossen Roth, aus Ausschnitten dieser Lichtbilder in Acryl abstrahiert.

„Ich male erst, seit ich in Rente bin“, sagt der ehemalige Taxifahrer. „Irgendwas muss man ja tun.“

Eine künstlerische Ausbildung hat Lachmann, außer in seiner Schulzeit in Leipzig, nie genossen. Er hat auch als Rentner nie einen Kursus besucht. „Alles, was ich über Proportion, Farbe, Perspektive und Schatten weiß, habe ich noch aus der Jugend. Ich war Klassenbester im Zeichnen. Als ich in Rente ging, lag die Schule 51 Jahre zurück. Ich kaufte mir ein Buch über Acrylmalerei und fing an“, sagt er. „Vielleicht habe ich ja nur Glück mit dem Lehrbuch gehabt. Ich empfehle es jedenfalls gerne jedem weiter, der in die Ausstellung kommt und mich danach fragt.“

Auf der Suche nach Ausstellungsmöglichkeiten kam Manfred Lachmann vor zehn Jahren auf die Idee, bei den Harburg-Arcaden zu fragen, denn dort stand gerade ein Geschäft leer. Die damalige Centerleitung ließ sich von Lachmann überzeugen und auch die jetzige hat es nicht bereut. Jedesmal, wenn sich zwischen zwei Vermietungen ein längerer Zeitraum ergibt, werden Manfred Lachmann und Werner Roth angerufen. „Wir haben gute Erfahrungen mit diesen Künstlern gemacht“, sagt Anja Dierks, Assistentin der Geschäftsleitung. „Der große Vorteil für uns ist, dass so Leben in einem Raum ist, der sonst öde und leer wäre.“

Pro Ausstellung verkauft der Künstler für kleines Geld acht bis zehn Bilder

Dieses Leben in den Raum zu bringen, ist die Bedingung dafür, dass die Arcaden den Künstlern Läden überlassen. Das bedeutet aber auch, das von Center-Öffnung bis Geschäftsschluss jemand in der Galerie sein muss. Deshalb teilen sich Manfred Lachmann und Werner Roth auch die Wände. Die Pflichten werden damit nämlich ebenso verteilt. Damit er trotzdem noch zum Malen kommt, nutzt Manfred Lachmann die Ausstellung ab und zu gleichzeitig als Atelier. So kann man dem Maler manchmal bei der Arbeit zusehen.

Lachmann veräußert seine Bilder zu einem kleinen Preis. „Pro Ausstellung verkaufe ich acht bis zehn Bilder. Das bringt soviel Geld, dass ich Material für die nächsten zehn besorgen kann", sagt er. „Von meiner Rente kann ich mir mein Hobby nämlich nicht leisten. Gute Farben und gute Leinwände haben ihren Preis.“

Ab und zu verschenkt Manfred Lachmann auch ein Bild. Wenn er Lose zugunsten der Kinderkrebshilfe verkauft, ist stets eines seiner Werke sein Hauptpreis. „Ich habe als Taxifahrer so oft schwerkranke Kinder zu Behandlungen gebracht, dass mir die Kinderkrebshilfe eine Herzensangelegenheit ist“, sagt er.

Zwischennutzungen und Zwischenvermietungen sind keine Erfindung Lachmanns und der Arcaden. In London zum Beispiel hat man mit sogennanten Pop-up-Stores schon in den 90er-Jahren Quartiere beleben können, die im Schatten der großen Einkaufsstraßen Oxford Street und Regent Street trotz zentraler Lage verödeten. In Hamburg hat das Planungsbüro Konsalt an der Neuen Großen Bergstraße in Altona, die lange Zeit ähnliche Probleme hatte, wie die Harburger Fußgängerzone, gute Erfahrungen mit Zwischennutzungen gemacht.

Diese Erfahrungen will Konsalt als Träger des BID Lüneburger Straße jetzt auch in Harburg umsetzen. „Wir hatten schon einen Pop-Up-Store in der Hölertwiete, der dort eine Idee ausprobiert hat, die er jetzt erfolgreich im Schanzenviertel umsetzt“, sagt Peter Kowalsky, BID-Zuständiger bei Konsalt. „Momentan verhandeln wir mit einem anderen Künstler. Wir besichtigen schon Räume in der Fußgängerzone."

Manfred Lachmann muss keine Räume besichtigen. Er hat ja schon eine Ausstellung. Bis der nächste Mieter kommt.