Technische Universität Hamburg Harburg richtet für praktische Wissensbildung neuen interaktiven Lernraum ein

Harburg. Ob früher alles besser war, wie gelegentlich zu hören ist, sei dahin gestellt. Auf alle Fälle waren Kinder und Jugendliche in der Zeit vor Computer und Internet mehr mit Schraubenzieher und Zange beschäftigt als heute, reparierten selbst ihr Fahrrad oder Moped und schraubten vielleicht auch noch am ersten eigenen Auto herum. Die fehlende Schrauberpraxis macht sich inzwischen auch bei Studierenden der Technischen Universität Hamburg Harburg (TUHH) bemerkbar. Ihnen kann beispielsweise das Umdenken von einer zweidimensionalen Zeichnung zu einem dreidimensionalen Maschinenbauteil gewisse Schwierigkeiten bereiten.

Diese Schwierigkeiten durch Mangel an praktischer Erfahrung hat nun auf Initiative von Professor Dieter Krause, dem Leiter des Instituts für Produktentwicklung und Konstruktionstechnik, die TUHH zum Handeln veranlasst. Seine Zielsetzung: „Es gilt den Praxisbezug für Studierende zu verbessern, ihre Kenntnisse der Konstruktionstechnik zu vertiefen und die Motivation zu erhöhen.“

In gut fünfmonatiger Arbeit wurde ein ehemals trister Seminarraum im Gebäude „L“ von Mitarbeitern des TU-Gebäudemanagements zu einem interaktiven Lernraum umgebaut, in dem 37 Maschinenbau-Funktionsteile nicht nur zum Anschauen stehen, sondern auch zum Auseinandernehmen und Zusammenschrauben. Der neue Raum erstrahlt in hellem LED-Licht, das auch die in den Glasvitrinen liegenden Maschinenteile beleuchtet. Die Möbel lassen sich rollen, so dass die Studierenden flexibel in Gruppen lernen können.

Jetzt ist der Raum feierlich eingeweiht worden und soll künftig für Seminararbeit im Bereich von Konstruktionsprojekten genutzt werden. Unter anderem stehen an extra angefertigten Maschinenbauteilen eine Sicherheitskupplung, ein Schnecken- und ein Kegelradgetriebe oder auch ein Freilauf zur Verfügung, daneben auch Antriebswellen, klassische Elemente wir Kugellager und sogar das komplette Getriebe einer Mercedes A-Klasse. An diesem Getriebe wird sich allerdings kein Student mit Werkzeug zu schaffen machen. Der spätere Zusammenbau wäre viel zu aufwändig.

Projektverantwortlicher für den interaktiven Lernraum ist Diplom-Ingenieur und Doktorand Gregor Beckmann. Er sagt, dass wegen der vielfach fehlenden praktischen Vorkenntnisse der Studierenden in die Maschinenbauvorlesungen seit einiger Zeit auch Videovorführungen integriert sind, die die Wirkmechanismen einzelner Maschinenelemente deutlich machen. Beckmann: „Die Videos kommen bei unseren Studierenden gut an. Jetzt gibt es die Demonstratoren aus den Filmen auch noch zum Anfassen und Auseinanderschrauben.“ Beckmann hat die zur Verfügung stehenden Maschinenelemente wie Schnecken- und Kegelradgetriebe selbst entworfen und von der Maschinenbau-Forschungswerkstatt der TUHH anfertigen lassen.

Student Merten Stender sagt zum neuen Angebot: „Das Tolle an den Exponaten hier ist, dass sie auf das Wesentliche reduziert sind und man so die einzelnen Prozesse besser nachvollziehen kann.“ Und er hofft, dass die gewonnenen praktischen Erfahrungen auch in der weiteren Ausbildung hilfreich sein werden: „Unsere Königsdisziplin ist es, im vierten und fünften Semester ein Getriebe zu konstruieren. Da ist es hilfreich, wen man die einzelnen Teile schon einmal gesehen und auch auseinandergebaut hat. Das nimmt die Hemmungen, denn auch ein Pkw-Getriebe besteht auch nur aus den Teilen, die wir hier in Händen halten.“

Studierende können den Raum ab sofort für die Gruppenarbeit nutzen. In Zukunft sind in dem interaktiven Lernraum auch Sprechstunden geplant, in denen mechanische Zusammenhänge anhand der Modelle erläutert werden.

Das ganze Umbau- und Ausbildungsprojekt ist nur durch finanzielle Unterstützung möglich geworden. Michel Grau, Chef der in Wilhelmsburg ansässigen Lackfabrik Mankiewicz, der zu den Unterstützern der TUHH zählt, spendete einen größeren Geldbetrag für den Umbau des Raums und für die Technische Einrichtung.

Für die Geldspende erhielt Grau auch großes Lob von Bert König, dem Geschäftsführer der Stiftung zur Förderung der Technischen Universität. Er sagt: „Michael Grau hat verstanden, was es bedeutet, junge Menschen zu fördern. Seit vielen Jahren ist er bereits Stifter der TUHH. Er spürt sofort, ob eine Idee ihm gefällt oder nicht. Diese Idee vom interaktiven Lernraum mit Maschinenelementen zum Anfassen traf bei ihm voll ins Schwarze.“