Eine Glosse von Manfred Scholz

Auf dem Nachtschränkchen meiner Herzallerliebsten stapelt sich Fachliteratur. Eine Auswahl gefällig? Die Titel sprechen Bände: „Dünengrab“, „Die Stunde des Mörders“, „Der Tod bittet zum Tanz“, „Entfliehen kannst du nie“ oder „Blutige Geschenke“. Die Fachrichtung ist klar: Mord und Totschlag. Zwischen den Buchdeckeln geben psychisch gestörte Täter ihren Trieben nach. Begleitet von der Herzallerliebsten, die allzu gern mit den gestressten Kollegen gegen die Bösen dieser Welt ermittelt. Buchstäblich Schulter an Schulter. Kurz: Die Herzallerliebste stolpert am liebsten über Leichen. Als Leserin, versteht sich.

Merkwürdig bei dieser Leselust ist jedoch: Die Leserin ist der friedlichste Mensch, der sich denken lässt. Jedes Aggressive ist ihr fremd. Die Herzallerliebste gleicht aus, vermittelt mit Geschick und versucht mit ihrem beachtlichen Verhandlungsgeschick, Probleme aus der Welt zu schaffen. Eigentlich wäre sie erfolgreiche Berufsdiplomatin. Das ist die eine, die friedliche Seite. Ihre andere, die unbekannte, ist aber rabenschwarz. Krimis und Thriller gehören längst zu den beliebtesten Lektüren. „Da ist aber viel Schrott auf dem Markt“, kommentiert die Expertin. Beim Austausch mit Gleichgesinnten gibt es genügend Gesprächsstoff.

Krimis satt gibt es auch in bewegten Bildern. Ihre TV-Lieblingsserien kommen ausnahmslos aus England oder Schweden. Wer anspruchsvolle Krimi-Kost schätzt, kommt bei den Sender-Zwergen voll auf seine Kosten. Klar deshalb, welches Genre bei ihr abends bevorzugt läuft. Ich nenne sie die „Flatterband-Filme“. Deshalb verziehe ich mich dann vor unseren Zweitfernseher. Das Weltgeschehen ist mörderisch genug.