Im Januar hat Niedersachsen Beauftragte für die regionale Landesentwicklung berufen. Auf die Lüneburger Vertreterin wartet jede Menge Arbeit

Lüneburg. Ihr Einsatzgebiet ist 15.000 Quadratkilometer groß, umfasst elf Landkreise von der Nordsee bis in die Heide und zählt rund 1,7 Millionen Einwohner. Ihre Aufgabe ist es, für die Region in ihrer Vielschichtigkeit das Optimum herauszuholen: Jutta Schiecke ist die Landesbeauftragte für regionale Entwicklung im ehemaligen Regierungsbezirk Lüneburg. Anfang Januar hat die langjährige Mitarbeiterin im niedersächsischen Umweltministerium und ehemalige Vertreterin des Landes Niedersachsen bei der EU in Brüssel ihre Arbeit aufgenommen.

Die seit einem Jahr amtierende rot-grüne Landesregierung kehrt nach der unter Schwarz-Gelb vollzogenen Auflösung der Bezirksregierungen in Teilen zur früheren regionalen Struktur zurück. Vier Regionalbeauftragte sollen innerhalb ihrer Zuständigkeit Behörden umstrukturieren und die Verteilung von EU-Fördermitteln koordinieren. Das klingt sehr theoretisch und sehr bürokratisch.

Wenn man aber Jutta Schiecke in ihrem Büro in einem Gebäude der alten Lüneburger Bezirksregierung gegenüber sitzt, bekommt man schnell einen anderen Eindruck. Die 59-jährige hat gleich im Antrittsjahr ein ordentliches Pensum zu bewältigen. Aktuell sind es zwei Themen, die sie beschäftigen. „Gerade bauen wir das Amt für regionale Landesentwicklung auf“, erklärt sie. Mehrere Behörden mit Aufgaben wie Strukturförderung, Flurbereinigung, Domänen- oder Moorverwaltung werden in dem neuen Amt zusammengefasst, das zum 1. Juli die Arbeit aufnimmt. Das große Kofferpacken der Mitarbeiter bleibt indes aus. „Wir haben es mithilfe von Außenstellen so organisiert, dass niemand umziehen muss.“ Darüber hinaus möchte sie innerhalb Lüneburgs die Mitarbeiter, die auf zwei Dienststellen verteilt sind, unter einem Dach zusammenfassen.

Das zweite Thema ist die Entwicklung einer Handlungsstrategie für die Region und zur Einwerbung der Fördermittel dafür. Die soll bis Ende der Sommerpause stehen und der Öffentlichkeit vorgestellt werden, damit sie im Herbst vom Kabinett in Hannover verabschiedet werden kann. „Wir wollen uns dabei auf Projekte konzentrieren, die für die Region am meisten bringen. Basis sind eine sogenannte SWOT-Analyse, also eine Stärken-Schwächen-Analyse, und ein Gutachten des Niedersächsischen Instituts für Wirtschaft.“

Daraus werden Handlungsfelder und Schwerpunkte definiert und Projekte entwickelt. Dem vorgeschaltet ist eine Kooperationsvereinbarung mit den elf Landkreisen. Auch Gespräche mit dem Städte- und Gemeindebund sowie Vertretern der Institutionen haben stattgefunden. „Es geht aber nicht nur darum, Schwächen anzupacken, sondern auch Stärken zu stärken“, betont Jutta Schiecke. Ihr ist wichtig, dass Förderung nicht mit der Gießkanne, sondern bei den Schwerpunkten eingesetzt wird, „und das im Konsens mit der Region“.

Mit ihrer Region setzt sich die 59-Jährige, die aus Hannover stammt und seit Februar in Lüneburg wohnt, intensiv auseinander. Neun von elf Landräten hat sie schon besucht und wird in einer zweiten Runde alle Kreise bereisen und sich die Gegebenheiten vor Ort erläutern lassen. Darüber hinaus nimmt sie repräsentative Aufgaben wahr. Ob Grundsteinlegung oder heute die Messe-Eröffnung in Buxtehude. „Eine gute Gelegenheit, Land und Leute kennenzulernen, das mache ich gerne“, sagt sie. Spannend sei etwa eine Konferenz im Heideort Behringen gewesen: „Dort trafen sich Vertreter aus Orten mit Namen Behringen aus fünf verschiedenen Ländern und mehreren deutschen Regionen zu einer Konferenz über soziale Nachhaltigkeit.“

Auch in Sachen Metropolregion war die Regionalbeauftragte schon unterwegs. Beim Hamburger Staatsrat der Wirtschaftsbehörde, Andreas Rieckhof, hat sie sich vorgestellt, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern folgen. Ein Projekt ist die Gründung des Regionalmanagements Unterelbe zur Festigung der Region als Industrie- und Energiestandort, verbunden mit einem Standortmarketing. Ein Leitprojekt der Metropolregion Hamburg zum Thema Demografie wiederum soll mit Jutta Schieckes Hilfe auch bei der Regierung in Hannover in die Strategieplanung einfließen. Schwerpunkte sollen die Mobilität im ländlichen Raum und Bildung sein. Kooperationen sind auch mit den Handelskammern und der Leuphana-Universität Lüneburg vorgesehen. Diese ist im Übrigen ein Beispiel für ein weiteres Aufgabenfeld: die Konversion. Damit gemeint ist die zivile Nutzung ehemals militärischer Einrichtungen. „Nach dem Abzug der britischen Truppen werden in den Kreisen Heidekreis und Celle auf einen Schlag 900 Wohnungen leerstehen. Daran hängen auch Infrastruktur und Arbeitsplätze.“

Ein weiteres Aufgabengebiet ist die Tourismusförderung. „Wir haben steigende Übernachtungszahlen, unsere Quellmärkte – also die Orte, wo die Touristen herkommen – sind Nordrhein-Westfalen, Berlin und die neuen Bundesländer. Die Menschen kommen zum Wandern und Radfahren, wegen der Städte, etwa Lüneburg und Celle, und wegen der Freizeitparks“, fasst Jutta Schiecke zusammen. Der Heidetourismus sei also keineswegs verstaubt. Das beweisen moderne Angeboten wie die Masai-Mara-Lodges im Serengeti-Park oder das Schäferdorf im Wildpark Lüneburger Heide, der Heidschnuckenweg und ein Best-Western-Hotel in Hermannsburg. „Der Trend geht zu Regionalität und Nachhaltigkeit. Wir sind auf gutem Weg mit unserer Region.“

Das Kuriosum, dass die MdL aus dem Landkreis Harburg alle der CDU und somit der Opposition angehören, spielt für Jutta Schiecke keine Rolle. „Es gehört zu meinem Selbstverständnis, dass die Verwaltung für die vom Volk gewählten Vertreter zuständig ist.“ Zur Kritik der CDU am Posten Regionalbeauftragter sagt sie: „Da bin ich anderer Auffassung. Niedersachsen ist das zweitgrößte Flächenland Deutschlands. Das Land ist so vielseitig, es gibt sehr verschiedene Teilregionen. Da braucht es eine Bündelungsbehörde.“

Jutta Schiecke ist in der Region angekommen, nicht nur, was ihre Aufgaben angeht. Sie hat sich in Lüneburg schon gut eingelebt. Und sie versprüht Tatendrang und Optimismus, wenn sie sagt: „Der Wettbewerb der Ideen ist eröffnet.“