Harald Finke macht die Bioelektrizität von Pflanzen sichtbar und entwickelt daraus Kunst

Harburg. „Sag es mit Blumen“ ist eine Aufforderung, die viele nur für einen doofen - oder schlauen - Werbespruch halten. Harald Finke nicht. Er tritt tatsächlich in Dialog mit der Pflanzenwelt und macht aus dieser Kommunikation Kunst. Musik, Malerei und Performances. Dabei gehört er nicht zu denen, die mit ihrem Ficus faseln und in dessen beharrliches Schweigen eine Antwort hineininterpretieren. Finke nimmt die Signale, die Pflanzen tatsächlich aussenden, kleinste Veränderungen in ihrem elektrischen Feld, und setzt sie so um, dass Menschen sie wahrnehmen können. „Pflanzenschrift“ nennt er diese Methode. Das mag manchem spinnert vorkommen, die Ästhetik des Endproduktes dürfte allerdings auch die Skeptiker faszinieren. Heute Abend eröffnet Finke eine dreiwöchige Ausstellung im Harburger Galeriecafé „Mytoro“.

Finke, Jahrgang 1941, kam über eine Maurerlehre und ein Hochbaustudium zur Kunst, studierte Ende der 60er- und Anfang der 70er-Jahre bei Franz Erhard Walther und Joseph Beuys an der Hochschule für bildende Künste in Hamburg. „Ich habe es schon immer geliebt, dialogisch zu arbeiten“, sagt er. „Meine erste Ausstellung entstand in Zusammenarbeit mit dem Publikum.“

Die Pflanzenschrift, die die Grundlage der größeren Bilder in der Ausstellung bildet, entsteht, indem Finke Messelektroden an einer Pflanze anbringt und die Schwankungen in ihrem elektrischen Feld misst. „Diese Schwankungen ergeben eine Sinuskurve und an jeder Welle der Kurve errechnet der Computer an 20 Punkten Werte aus Winkelfunktionen. Diese stellt er als Bildschirmkoordinaten dar.“

So ergibt sich ein Mosaik aus bunten Pixeln, das Finke ausdruckt. Damit ist das Werk aber erst zur Hälfte fertig. Zum dialogischen Bild wird es erst durch Finkes Zutun: Mit Pinsel und Acrylfarbe malt er assoziativ über der Pflanzenschrift und verleiht deren feinen Mustern kräftige Strukturen.

Statt in Pixeln lassen sich die Werte der Pflanzenschrift auch in Töne übersetzen. Diese verwandelt Finke in einem weiteren Schritt mit einem Midi-Sequenzer in Klänge die denen bekannter Musikinstrumente nachempfunden sind. Tonhöhe und -intensität bleiben erhalten, nur verwandelt sich Brummen und Piepen in - beispielsweise - warme Klavierklänge. Auch hier tritt der Künstler selbst in Aktion und improvisiert eigene Töne an Musikinstrumenten hinzu. Die Pflanzenmusik war Finkes erster Versuch, die Bioelektrizität der Flora für Menschen ästhetisch zu übersetzen. Er erarbeitete die Methode gemeinsam mit dem Leversener Musiker Matthias Winkler. Seine Pflanzenschrift entwickelte er erst danach.

Neben den Pflanzensprach-Bildern stellt Harald Finke im MyToro auch Zeichnungen aus. In ihnen setzt er sich mit anderen Dingen auseinander, die ihn seit den späten sechziger Jahren beschäftigen: Außerirdische, Ufos und das Mysterium der mexikanischen Kristallschädel.

Die Galerie MyToro lädt heute ab 19.30 Uhr zur Vernissage. Musikalisch begleitet wird die Ausstellungseröffnung nicht nur von Pflanzenklängen: Der Zufall verhalf dem Galeristen Mentor „Toro“ Ejupi zu einem Gastspiel des rumänischen Starpianisten Mischa Semeonov. Der machte unter anderem auf MTV von sich reden, weil er klassische Musik eingängig mit Pop zu verbinden weiß. Auch das ist dialogisch.