Neues Projekt: Die Möbelkiste in Neu Wulmstorf macht Arbeitslose fit für den Ausbildungsmarkt und geht zudem neue Wege über Facebook

Neu Wulmstorf. Die Geschichte von Kevin Hein aus Jork ist eine, die man gerne hört. Sie erzählt von der zweiten Chance, von schwierigen Zeiten, die aber dann noch ein gutes Ende finden. Der 19-Jährige aus Jork hat seine Ausbildung zum Zimmermann kurz vor dem Abschluss abgebrochen, also zwei Jahre in den Sand gesetzt. Doch mit Hilfe der Möbelkiste in Neu Wulmstorf kann er wieder zuversichtlich in die Zukunft blicken.

Er beginnt ab August eine Ausbildung zur Fachkraft für Küchenmöbel und Umzugsservice. Die Möbelkiste am Grenzweg 23a in Neu Wulmstorf wird von der Hamburger Kinder- und Jugendhilfe betrieben. Kern der Einrichtung ist die Kooperation mit Ikea. Das schwedische Unternehmen stellt der Möbelkiste kostenlos Ausschussware zur Verfügung. Das sind beispielsweise Ausstellungsstücke oder auch Teile, die leicht beschädigt sind. Die möbeln die arbeitslosen Jugendlichen und Erwachsenen in der Werkstatt wieder auf und verkaufen sie zum günstigen Preis an Geringverdiener.

Das ist das grundsätzliche Konstrukt. Aber in jedem Jahr muss sich die Möbelkiste neu erfinden, da die Projekte auf eine Dauer von zwölf Monaten begrenzt sind. Schwerpunkt in diesem Jahr ist die Qualifizierung zur Berufsausbildung. StartKlar 2014 heißt das Projekt, in dem Berufscoach Stefanie Reese mit den Arbeitslosen herausfindet, welcher Job für sie interessant sein könnte oder ihnen dabei hilft, den bisher eingeschlagenen Weg hinter sich zu lassen und sich völlig neu zu orientieren.

Das geschieht beispielsweise mit Praktika. Auch Kevin Hein hat in seinem Praktikum bei Küchen Aktuell seine neue Berufung gefunden. Der Realschüler arbeitet in der Möbelkiste mit Förderschülern und Abiturienten sowie Studienabbrechern zusammen. Dadurch sind so ziemlich alle Berufsfelder vertreten, in die die Arbeitslosen vermittelt werden. „Das macht es so spannend“, sagt Stefanie Reese. Damit die Arbeitslosen nicht gleich beim ersten Bewerbungsgespräch scheitern, werden sie auch dafür fit gemacht. Drei Unternehmen aus dem Landkreis Harburg, mit denen die Möbelkiste kooperiert, führen unter Realbedingungen Personalgespräche durch. Und so ganz nebenbei stärkt Stefanie Reese die Persönlichkeit der Arbeitslosen.

Zudem widmet sich die Möbelkiste verstärkt dem Thema IT in diesem Jahr. Die Arbeitslosen erstellen eine Homepage, auf der die reparierten Möbel präsentiert werden. Allerdings soll der Verkauf weiter über das Geschäft am Grenzweg abgewickelt werden. Wenn alles gut läuft, soll die Möbelkiste bald Mitglied bei Facebook sein. Projektkoordinator Klaus Reese verspricht sich davon, dass auf Facebook registrierte Freunde der Möbelkiste freie Stellen melden. „Die Besetzung vieler Ausbildungs- und Arbeitsstellen läuft oft noch unter der Hand“, sagt Klaus Reese. „Den Bereich wollen wir abgreifen.“

Dabei war die Vermittlungsquote schon im vergangenen Jahr beachtlich. 93 Prozent der 30 Teilnehmer hat die Möbelkiste in Ausbildung, Arbeit und Schule bekommen. Stefanie Reese begründet den Erfolg damit, dass die Arbeitslosen im Arbeitsprozess eingebunden sind. Sie decken die gesamte Wertschöpfungskette ab. Sie holen die Möbel vom Ikea-Lager in Moorfleet ab, beheben die Fehler, bieten sie zum Verkauf an und liefern sie zum Kunden aus. Dadurch lernen sie die Bereiche Fertigung, Logistik, Verwaltung, Dienstleistung und IT kennen.

Es gelten die gleichen Regeln wie in jedem anderen Betrieb. Die Mitarbeiter müssen sich mit realen Kunden, mit Terminproblemen und Beschwerden herumschlagen. Sie müssen einen freundlichen Ton am Telefon anschlagen und das Einmaleins des Umgangs in einem Unternehmen beherrschen. „,Ey Digger’ funktioniert hier nicht“, sagt Projektkoordinator Klaus Reese.

Sie wieder an eine Tagesstruktur zu gewöhnen – ihnen beizubringen, pünktlich und verbindlich zu sein, sieht der pädagogisch-technische Leiter Dieter Knoll-Bruns als die größte Herausforderung an. „Auch ihnen näher zu bringen, nicht aufzugeben, wenn Probleme auftreten, sondern um Hilfe zu bitten, ist ein großes Thema“, sagt Sozialpädagogin Franziska Jürgens.

Denn wer von den Jobcentern in Buchholz und Buxtehude in die Möbelkiste vermittelt wird, hat meistens ein schweres Päckchen zu tragen. Einige der Projektteilnehmer leiden unter psychischen Problemen, haben keinen Schulabschluss, sind alleinerziehend oder müssen fürchten, ihre Wohnung zu verlieren.

Vielleicht ist das eigentliche Erfolgsrezept der Möbelkiste, dass die Verantwortlichen an die Projektteilnehmer glauben. Für Kevin Hein war es jedenfalls besonders bemerkenswert, dass das Team der Möbelkiste ihn ohne zu zögern am Schnuppertag in die Werkstatt eingeteilt hat: „Ich durfte gleich an die Maschinen ran.“