Zu Gast beim Abendblatt: Die drei Landratskandidaten der CDU und ihr niedersächsischer Spitzenkandidat für die Europawahl, David McAllister

Harburg. Mehr als 100 Millionen Euro für den Ausbau der Breitbandkabel in den drei Kreisen Harburg, Stade und Lüneburg, eine Verkehrskonferenz mit Hamburg und Schleswig-Holstein am 5. Juni und direkten Kontakt nach Berlin und Brüssel: Die drei CDU-Kandidaten für die Landratswahl am 25. Mai haben ihre Linie festgelegt. Rainer Rempe (Harburg) und Monika Scherf (Lüneburg), Erster Kreisrat und Kreisrätin in den jeweiligen Verwaltungen, treten zum ersten Mal an. Michael Roesberg (Stade) will zum zweiten Mal gewählt werden. Helfen soll den drei Politikern David McAllister: 2013 als niedersächsischer Ministerpräsident abgewählt, wird er als Spitzenkandidat der CDU im Land sicher ins Europa-Parlament einziehen. „Ich will der Anwalt Niedersachsens in Straßburg und Brüssel sein und als Türöffner wirken“, sagte McAllister. Zur Diskussion über die Chancen Niedersachsens auf Unterstützung von Europa-Politikern bei wichtigen Projekten trafen sich Scherf, Rempe und Roesberg mit McAllister beim Abendblatt.

Keine Frage: Die Mittel in den drei Europäischen Fonds für die Regionen, für Soziales und für die Landwirtschaft fallen für Niedersachsen in der Periode von 2014 bis 2020 deutlich geringer aus. Statt 2,65 Milliarden Euro wie von 2007 bis 2013 gibt es jetzt noch 2,1 Milliarden Euro. Zuletzt hatte allein der Landkreis Harburg mehr als 46 Millionen Euro davon erhalten. Abgesehen von den Kürzungen stuft die EU die Kreise um Hamburg als nicht mehr so förderwürdig ein. Dennoch hat sich McAllister vorgenommen, „möglichst viel der Gelder in die Kreise zu holen“. Zum Beispiel für den Ausbau der Kommunikation über das Internet.

Beispiel Lüneburg. Monika Scherf rechnet vor: Für das Verlegen einer Glasfaser-Ringleitung, von der dann Kabel zu den einzelnen Häusern abzweigen, wären allein für Lüneburg 30 bis 40 Millionen Euro notwendig. Für die einzelnen Kunden fielen zudem einmalige Anschlussgebühren von 500 bis 700 Euro an. Ein teures Projekt. Aber solche Verbindungen sind für die Ansiedlung von Industrie, Handel und mittelständischem Gewerbe unverzichtbar. Auch Privatleute, die von zu Hause aus arbeiten, werden künftig kaum mehr mit einem niedrigeren Standard auskommen. Viel jedoch ist hier von der EU nicht zu erwarten. Denn für ganz Niedersachsen sind für diese Aufgabe nur 60 Millionen Euro vorgesehen. „Das reicht hinten und vorne nicht“, sagt Roesberg. Dazu könnte der von der EU ins Auge gefasste hohe Übertragungsstandard die Finanzierung noch erschweren, weil dadurch die Kosten erneut steigen würden.

Umso wichtiger werden die Kontakte nach Berlin und Brüssel über Hannover. Die SPD-Landesregierung hat dafür vier Regionalbeauftragte eingesetzt. Für die elf Kreise des ehemaligen Regierungsbezirks Lüneburg sitzt Jutta Schiecke (Grüne) in der Hansestadt. Überzeugen tut das den ehemaligen Regierungschef nicht. „Ich wäre nicht auf diese Idee gekommen, wir waren für schlanke Strukturen. Was soll sich mit den neuen Beauftragten bessern?“, fragt McAllister. Stades Landrat Roesberg geht seinen eigenen Weg. „Wir suchen den direkten Kontakt zur Bundesregierung und zur EU“, versichert er. Alle CDU-Vertreter betonen, dass sie mit der Wiedereinführung der regionalen Verwaltungsebene nicht glücklich sind: „Wir hatten die Bezirksregierungen abgeschafft, um die Landkreise zu stärken und ihnen Kompetenzen zu geben“, sagt McAllister. Gleichwohl wollen die Landräte mit der Regionalbeauftragten zusammenarbeiten.

Jetzt jedoch klagen alle drei Landrats-Kandidaten, dass die EU den Kreisen ihre Regionalbudgets gestrichen hat. Mit ihnen konnten sie selbstständig planen. „Das waren je nach Landkreis zwischen fünf und acht Millionen Euro pro Jahr, mit denen wir die Wirtschaft fördern konnten“, sagt Rempe. Nun läuft die EU-Förderung wieder über Anträge.

Wie ist es aber um die Zusammenarbeit mit Hamburg bestellt? „Gut“, urteilt McAllister. „Ich habe mich immer für die Metropolregion Hamburg als Marke eingesetzt. Im globalen Wettbewerb spielen Landesgrenzen keine Rolle.“ Allerdings habe die Metropolregion erst durch Ole von Beust als Bürgermeister einen richtigen Schub bekommen. „Er war der Erste, der auf seine internationalen Reisen niedersächsische Landräte mitgenommen hat.“ Der Erfolg der Metropolregion beruhe auf konkreten Projekten. „Die S-Bahn nach Stade und der Metronom bis Cuxhaven waren ein Quantensprung. Das finden die Leute besser, als Flyer mit dem Titel ,Metropolregion 2050’ zu verteilen“, so McAllister. Ein konkreter Erfolg sei auch die HVV-Erweiterung in die Kreise Stade, Lüneburg und Harburg gewesen. „Jetzt arbeiten wir an der Verbesserung für die Kreise Cuxhaven, Rotenburg und Dannenberg. Ich kann mir aber eine Weiterentwicklung der S-Bahn in den Kreis Harburg und den Kreis Lüneburg vorstellen“, so McAllister.

Wenn es nach den CDU-Kandidaten geht, sollen weitere Projekte dringend angegangen werden, allen voran der Ausbau der A26 bis Hamburg, „inklusive Hafenquerspange zur A1“, der A20-Elbquerung, „um eine transeuropäische Verbindung von Skandinavien bis Rotterdam herzustellen“, und über die Fahrrinnenanpassung der Elbe solle zumindest schnell entschieden werden, so Landrat Roesberg. „Wir wollen da auch mit einer norddeutschen Stimme reden.“

Monika Scherf hat aber auch die A39 im Blick: „Solange die A39 in Lüneburg endet, befinden wir uns in einer Sackgasse. Das haben wir zum Beispiel mit dem Umzug des Gartenmöbelherstellers Dedon von Lüneburg nach Winsen zu spüren bekommen.“ Darüber hinaus fordert die Kandidatin eine schnelle Lösung für den Elbe-Seitenkanal, da das Schiffhebewerk Scharnebek an seine Grenzen stoße. „Wir brauchen dringend ein weiteres Aufstiegsbauwerk und größere Tröge.“ Die Länge von 100 Metern reicht für moderne Binnenschiffe oftmals nicht mehr aus. Die Kandidaten sehen das niedersächsische Umland gegenüber Schleswig-Holstein im Nachteil, was den Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) angeht. „Allein aufgrund der Pendlerzahlen hätten wir längst die S-Bahn im Landkreis haben müssen“, sagte Rainer Rempe. Deswegen sei die Machbarkeitsstudie auf dem Weg. Eine vom Landkreis Harburg initiierte Verkehrskonferenz am 5. Juni solle nun dazu beitragen, die Kommunikation zwischen den drei Bundesländern zu verbessern.

Eher kritisch beurteilen die CDU-Kandidaten das Projekt „Bahnstrecken-Rektivierung“ des SPD-Verkehrsministers Olaf Lies. „Da werden hohe Erwartungen geweckt“, so McAllister. Derzeit sind noch die Strecken zwischen Lüneburg Süd, Amelinghausen und Soltau sowie zwischen Buchholz, Maschen und Harburg im Rennen. Dabei ist jedoch nicht entschieden, welche Kosten auf die Landkreise und Städte zukommen. „Zum einen wird Geld aus dem sogenannten Entflechtungsgesetz den Kreisen weggenommen, und dann sollen sie sich auch noch mit 25 Prozent an den Kosten beteiligen. Auch wer die Betriebskosten trägt, ist noch unklar. Zum anderen löst die Reaktivierung der Strecken nicht das eigentliche Problem: dass der Hamburger Hauptbahnhof und der Knotenpunkt Harburg überlastet sind“, so Roesberg.

Eine Herausforderung vor dem Hintergrund der gekürzten EU-Förderung ist für die Landkreise derzeit die Projektentwicklung. Hier arbeiten Stade, Winsen und Lüneburg an einem Konzept, das vom Beratungsunternehmen CIMA begleitet wird. Die Landesregierung will in den einzelnen Regionen Niedersachsens unterschiedliche inhaltliche Schwerpunkte setzen. Auch darüber ist McAllister nicht recht glücklich. „Strukturförderung darf keine Frage der Himmelsrichtung sein“, meint er. Aktuell will das Land vor allem dem strukturschwachen Süden unter die Arme greifen. „Es gibt aber auch im östlichen Landkreis Lüneburg oder im Alten Land Bedarf“, betont Roesberg. Einplanen können die Landkreise wahrscheinlich Fördermittel für das Stader „CFK-Valley“ und energetische Sanierung von öffentlichen Gebäuden zur Verbesserung der CO2-Bilanz. „Letztendlich steht über allem das Wort ‚nachhaltig‘“, so McAllister.

Der ehemalige Ministerpräsident hält jetzt einen Moment inne. „Naja, ich wünsch Euch was“, sagt er den Landratskandidaten. Er geht nach Brüssel. Aber seine Beachtung dort wird auch davon abhängen, was er für seine Heimat, den Norden, erreichen kann. Die drei Landratskandidaten werden, sofern sie ihre Wahl gewinnen, die Hilfen aus Brüssel im Auge behalten.