Eine Glosse von Heike Linde-Lembke

Uns droht ein kalter Winter. Das ist seit Anfang April klar. Die Obstblüte ist stark wie seit langem nicht mehr. Im Alten Land werden die Blüten sogar abgeschlagen, weil es zu viele von ihnen gibt. Dafür prophezeien die Obstbauern eine reiche Ernte. Auch wie seit langem nicht mehr. Wenn sie ihnen nicht noch verhagelt. Im kalten Mai.

Doch nicht nur die Apfel-, Pflaumen- und Zwetschgenbäume stehen in weißer Pracht. Jetzt eifern ihnen die Kastanien nach. Die weißen hohen Kerzen überdecken fast die grünen Blätter in jeder Baumkrone. Dazu blüht schon der Flieder in tiefem Violett, in blassem Lila und in Weiß. Von den fetten Butter- und Hundeblumen, den zarten Sternmieren und blauen Vergissmeinnicht am Wegesrand ganz zu schweigen. Welch’ eine Freude!

Und im Herbst? Prasseln sie auf uns nieder, die Kastanien. Und die Eicheln. Auf uns. Auf unsere Autos, Wege und Straßen. Wozu? Sie sind überlebenswichtig. Für Reh, Hase und Hirsch. Und für die Wildschweine.

Jede Bauernweisheit unkt: Wenn es viele Kastanien und Eicheln gibt, wird es ein harter Winter. Ein eisiger Winter. Und die Früchte sollen dem Wild das Überleben sichern. Für die Menschen bleiben immer noch Äpfel, Kirschen und Zwetschgen.

Was sagt uns das? Zieht euch warm an! Das ist zudem eine Persiflage der Punkband ZK aus den 70er-Jahren auf das Lied der Wolgaschlepper, ein russisches Volkslied. Und aus Russland und der Ukraine wehen ja schon eisige Winde zu uns herüber.

Bleibt zu hoffen, dass alles doch noch besser wird und der Winter so erträglich wie in diesem Jahr.