Expertin führt Wanderer auf dem Heidschnuckenweg durch die urwüchsige Landschaft des Naturschutzparks

Wesel. Kein Windhauch kräuselt die Wasseroberfläche. Der See spiegelt Himmel, Bäume und Heidekraut, noch braun vom Winter. „Hier soll Heide-Pastor Wilhelm Bode, der Begründer des Naturschutzparks, häufig gesessen haben, um in Gottes freier Natur seine Predigten vorzubereiten. Daher der Name Pastorenteich “, sagt Friedhild Riebesehl, während sie sich auf einer Holzbank niederlässt. Wissen über die Lüneburger Heide gehört zu ihrem Job. Die 70-Jährige ist zertifizierte Natur- und Landschaftsführerin.

Seit zwei Jahrzehnten schon bringt die Hanstedterin Gästen bei Wanderungen und Radtouren ihre Heimat nahe. Heute führt sie durch eines ihrer Lieblingsgebiete. Die Weseler Heide liegt abseits der großen Touristenströme. Von einem Parkplatz an der Straße von Schierhorn nach Wesel schlägt sie einen großen Bogen. Ein Teil der zweistündigen Tour geht über den Heidschnuckenweg, wie das schwarze „H“ auf Findlingen und Wegweisern zeigt. Der Schnuckenweg führt durch Heideflächen, Wiesen, Wälder und Felder, durch Fluss-Auen und romantische Dörfer von Fischbek bis Celle. Der Wanderweg wurde mehrfach als einer der schönsten Deutschlands prämiert.

Viele Wanderwege wurden geschlossen, um Ruhezonen für die Tiere zu schaffen

Hier, in der Weseler Heide, schlängelt er sich in Form eines schmalen Trampelpfads durch die einsame Weite. Es geht vorbei an einer Gruppe von Eichen, gepflanzt zum Gedenken an Weltkriegsopfer, entlang an Bienenzäunen, einem Bachlauf, durch Senken und Anhöhen, von denen man eine herrliche Aussicht genießt. In Richtung Süden reicht die Heide bis zum Horizont, im Osten und Westen ragt Mischwald auf. Helle Birkenstämme bilden einen scharfen Kontrast zum Dunkelgrün der Kiefern und Fichten. Jetzt, im Frühling, sind nur das Jubeln der Feldlerchen und das Knirschen des feinen Sands unter den Sohlen zu hören. Keine Menschenseele weit und breit.

In den vergangenen Jahren wurden viele Wanderwege geschlossen, um Ruhezonen für die Tiere zu schaffen. Insbesondere die Vogelbestände haben sich dadurch erholt. „Es gibt wieder mehr Birkhühner, Steinschmätzer, Braunkehlchen und sogar der Wiedehopf kommt wieder vor“, sagt Friedhild Riebesehl. Auch von der Kulturgeschichte der Heide weiß sie viel zu berichten. Vor einem mit Reet gedeckten Schafstall liegen Bündel von Heidekraut, meterhoch gestapelt. „Diese Pflanzen waren bereits so verholzt, dass die Heidschnucken sie nicht mehr fressen. Das Material dient zum Decken der Firste von Strohdachhäusern.“

Wo das Heide-Gestrüpp einst wuchs, steht heute blanker Sand an. Die oberste Humusschicht ist mit Maschinen abgetragen worden, weil Heide gut auf nährstoffarmen Böden wächst. Pro Hektar kostet das 5000 bis 6000 Euro. „Früher machten die Knechte die Arbeit mit einer speziellen Hacke, der Twigge. Abplaggen nannte man diesen Knochenjob. Daher stammt das Wort plagen.“ Auch heute noch müssen sich die Menschen eigenhändig mühen, um die Heide zu erhalten. Ohne Bewirtschaftung, ohne grasende Schnucken, würde hier schnell Wald aufkommen.

„Allerdings gibt es nur noch zehn Herden in der Lüneburger Heide. Ihre Wolle ist vergleichsweise hart und ihr Fleisch nicht sonderlich populär. Dabei kann man es äußerst lecker zubereiten“, weiß Friedhild Riebesehl, Meisterin der ländlichen Hauswirtschaft. Um Waldwuchs zu verhindern, übernehmen Einheimische das regelmäßige Ausreißen von Baumschösslingen. Ausgenommen vom „Entkusseln“ sind nur die landschaftsprägenden Wachholder. „Riechen Sie mal, wie würzig das Holz duftet.“ Friedhild Riebesehl reicht ein Stückchen Wachholderholz. Wer unter ihren Fittichen wandert, erlebt die Natur mit allen Sinnen und lernt eine Menge dazu. Beispielsweise, dass die Wachholder-Form je nach Geschlecht variiert. „Die männlichen sind schlankwüchsig. Die weiblichen eher rundlich.“

Sie lacht über die Parallele zur menschlichen Figur. Dabei ist die mehrfache Oma selbst gertenschlank. Die vielen Wanderungen und Radtouren halten sie fit. Stetigen Schrittes marschiert sie voran, hügelauf, hügelab durch die Moränenlandschaft. Vom oberen Pastorenteich aus wären es nur noch wenige Kilometer bis nach Undeloh. Dort beginnt der nächste Abschnitt des Heidschnuckenwegs. Er führt über Wilsede bis Niederhaverbek – eine Strecke von 17 Kilometern.

Der prämierte Heidschuckenweg ist insgesamt 223 Kilometer lang

Die Gesamtlänge des Wanderwegs von der Hamburger Landesgrenze bis zur Residenzstadt Celle beträgt 223 Kilometer. Die von der Lüneburger Heide GmbH herausgegebene Broschüre schlägt 14 mit Landkarten illustrierte, detailliert beschriebene Teilstrecken vor. Friedhild Riebesehl wählt den Rückweg nach Wesel. Entlang einer ganzen Reihe von Fischteichen geht es durch feuchten Wald, über raschelndes Laub und weiches Moos. So oft die Gästeführerin diesen Weg auch schon gegangen ist – sie kann sich immer wieder neu daran erfreuen. „Ständig ergeben sich neue Perspektiven. Ich liebe den Abwechslungsreichtum dieser Landschaft und möchte auch andere für die Schönheit der Heide begeistern.“

www.heidschnuckenweg.de Telefon-Hotline: 04131/298980800