Könner standen ihren Nachbarn mit Wissen und Werkzeug zur Verfügung. Kaffee, Kuchen und Klönschnack gab’s dazu

Heimfeld . Wer wissen will, warum es Elektro-„Handwerk“ heißt muss nur 30 Sekunden lang Karl-Heinz Schütt und einem Schukostecker zugucken. Im Nullkommanix hat Schütt das defekte Bauteil aufgeschraubt und zerlegt es weiter – um es dann von Grund auf wieder aufzubauen. Zwischen Ringfinger und kleinem Finger klemmt eine Litze, zwischen Mittelfinger und Ringfinger der Schutzleiter, und den dritten Draht fädelt Schütt mit Daumen und Zeigefinger in den Kontaktstift ein. Die Fingerspitzen von kleinem, Ring- und Mittelfinger derselben Hand benutzt er, um alle anderen Teile, die jetzt widerspenstig in den im Stecker eng begrenzten Arbeitsbereich drängen könnten, in Schach zu halten.

Die zweite Hand hat er so komplett für seinen Schraubenzieher frei, den er führt, wie ein Zeichner die Feder oder ein Chirurg ein Messer. Kaum ist der erste Kontakt angeschraubt, nimmt sich der Handwerker mit den Fingerspitzen den nächsten Draht aus seiner Warteposition zwischen den anderen Fingern. Mit diesem Mann sollte man nur dann Karten spielen, wenn man wirklich weiß, dass er ehrlich ist.

Ihm gegenüber steht Axel Dürkop. Er hat die alte Schreibtischlampe mitgebracht, an der sich Schütt gerade zu schaffen macht. Der Flohmarktfund macht sich zwar schick auf der heimischen Arbeitsplatte, macht aber durch seine Wackelkontakte Chaos bei allen anderen Geräten an der Mehrfachsteckdose.

Deshalb ist Dürkop ins Reparaturcafé im Heimfelder Treffpunkthaus gekommen. Er ist nicht der einzige: Hinter ihm werden Kleidungsstücke geflickt, vor dem Eingang steht ein Fahrrad Kopf und Björn Loss macht sich daran zu schaffen, während ein älterer Herr ihm erstaunt zuguckt. Er hat an dem Rad seines Enkels viel selbst machen können, aber an einigen Stellen ist die Fahrradtechnologie heute zwei Schritte weiter, als sein Wissen. Als er geht, ist das Rad nicht nur heil, sondern der Großvater auch schlauer.

„Auch das ist der Sinn eines Reparaturcafés“, sagt Björn Loss, „dass man Hilfe zur Selbsthilfe gibt, und Rat, wenn Leute nicht weiter wissen.“

Björn Loss und seine Frau Claudia haben die Idee der Reparaturcafés aus den Niederlanden und waren begeistert: Viel zu viele defekte Dinge werden einfach weggeworfen, obwohl man sie noch reparieren könnte. In den Niederlanden veranstalten die Stadtteilzentren deshalb schon länger Reparaturtreffs. Wer was kann, stellt sich mit Werkzeug und Wissen ein paar Stunden den Nachbarn zur Verfügung. Am Ende gibt es nicht nur weniger Müll, sondern auch mehr Nachbarschaft.

Zuhause in Heimfeld setzten die Eheleute die Idee zusammen mit der SPD um. Beide sind Mitglieder der Partei, Claudia Loss kandidiert für die Bezirksversammlung. „Aber mit Wahlkampf hat das Reparaturcafé nur am Rande zu tun“, sagt sie. „Das hier ist ja schon das zweite Mal. Das erste fand ohne Wahlkampf statt.“

Allerdings habe der Wahlkampf Vorteile für das Reparaturcafé: „So konnten wir die Plakatstellwände nutzen, um für die Veranstaltung zu werben“, sagt Claudia Loss.

Außerdem sorgt der Wahlkampf für prominente Besucher: Die Bürgerschaftsabgeordneten Melanie Leonhard und Sören Schumacher machen hier Kaffeepause vom Infostand um die Ecke, an dem ihr Kreisvorsitzender Frank Richter einsam in der Sonne brät und den Besuchern der Heimfelder Suppenküche die Vorzüge der Agenda 2010 erklärt.

In den Niederlanden veranstalten Stadtteilzentren schon länger Reparaturtreffs

Axel Dürkop fragt in die Runde, warum denn ausgerechnet die SPD so ein Reparaturcafé veranstaltet: „Nachhaltigkeit ist doch viel mehr ein Thema der Grünen“, sagt er. Sören Schumacher widerspricht: „Solidarität und gegenseitige Hilfe ist eine sozialdemokratische Urtradition“, sagt er.

Claudia Loss ergänzt, dass man so ein Expertennetzwerk, wie es hier zum Reparieren und Ratgeben versammelt ist, auch nur in einer großen Volkspartei mit vielen Mitgliedern aus allen Bevölkerungsschichten finden kann. 60 Menschen sind an diesem Vormittag zum Reparaturcafé gekommen. Die meisten hatten etwas zum Reparieren dabei. Einige wenige kamen nur zum Klönen „Und es kamen gar nicht mal alle aus Heimfeld“, sagt Claudia Loss. „Eine ältere Dame ist mit einem kaputten Elektrogerät ganz aus Neuwiedenthal angereist – mit dem Fahrrad.“

Im September möchte die Heimfelder SPD das nächste Reparaturcafé veranstalten, dann wieder ohne Wahlkampf. Axel Dürkops Lampe war übrigens eines der wenigen Geräte, die an diesem Tag nicht repariert werden konnten. Sie braucht eine komplett neue Anschlussleitung. Dürkop ist darüber nicht traurig. „Ich hatte mir das schon fast gedacht, aber ich wollte es wenigstens versucht haben, das Originalkabel zu retten.“ sagt er.

Karl-Heinz Schütts feinfühlige Finger haben mittlerweile den nächsten Patienten: Einen Mixer, dessen Schalter klemmt. Im Nullkommanix hat er das defekte Gerät geöffnet.