Eine Glosse von Lars Hansen

Ein hervorragendes Beispiel dafür, wie sich Prinzipien der großen Politik in den Mikrokosmos Familie übertragen lassen ist die Metamorphose der Regel „Wenn es heute überhaupt irgendwann mal Kekse gibt, dann nicht vor vier, denn ihr habt gerade Mittag gegessen und hättet nicht so viel – insbesondere nicht so viel Gemüse - stehen lassen müssen, wie ihr stehengelassen habt“ zu der Regel „Jeden Tag um vier gibt es Kekse, Papa!“

Erfahrene Politiker wissen sofort, was passiert ist: Es wurde kein Protokoll angefertigt, geschweige denn unterzeichnet. Das Anfertigen eines Protokolls alleine bringt einen ja noch nicht in sicheres Fahrwasser. Allzu oft wird in Gremien, Ausschüssen und Parlamenten ja noch bei der Besprechung des Protokolls versucht, nachzuverhandeln. Bis ein Protokoll unterschrieben ist, läuft nämlich jeder Beteiligte mit seinem eigenen Gedächtnisprotokoll durch die Weltgeschichte und das ändert sich zu den eigenen Gunsten, je länger es reift.

Meine Kinder bekamen an dem fraglichen Tag tatsächlich erst um vier Süßes. In den Tagen darauf auch. Meine Frau und ich dachten, die Regel hätte sich bei den Kindern eingeprägt. Dabei reifte sie nur im Gedächtnisprotokoll. Irgendwann hatten die Kinder so oft um vier Kekse gekriegt, dass das einsetzte, was Politprofis und Rechtsphilosophen als „normative Kraft des Faktischen“ und alle anderen als Gewohnheitsrecht bezeichnen. Länger als drei Wochen hat es, glaube ich, nicht gedauert.

Aus der Angelegenheit erklugt, könnte ich nun anfangen, ständig Kurzprotokolle anzufertigen und abzeichnen zu lassen, aber was solls: Ich kann die Kinder auch mit ihren eigenen Mitteln schlagen. Zum Beispiel, indem ich die Regel aufstelle: „Wenn ich euch Pommes zu Mittag mache, gibt es um vier aber keine Kekse sondern rohes Gemüse zum Knabbern“ - und dann ganz langsam die Pommes aus der Regel herausreifen lassen