Modellbauer brauchen Fingerspitzengefühl und Geduld. In Buchholz treffen sie sich, um ihre Schätze zu vergleichen

Buchholz. Wenn Björn Heineke den Blinker seines A6 betätigt, blitzt auf dem Armaturenbrett die Kontrollleuchte im Takt. Eine weiße Lampe am Heck zeigt an, dass der Rückwärtsgang eingelegt ist. Und wenn die Scheinwerfer eingeschaltet sind, ist das Nummernschild vorschriftsmäßig illuminiert. Das wäre nicht weiter bemerkenswert, wenn es sich um einen echten Audi handeln würde. Aber die schwarze Limousine mit Sitzen aus feinem weißen Alcantara ist nur ein Spielzeug-Auto. Allerdings eines, das es buchstäblich in sich hat. Unter seiner Plastik-Karosserie beherbergt das Vehikel Technik im Wert von weit mehr als tausend Euro. Es handelt sich um ein Funktionsmodell im Maßstab 1:14. Originalgetreu bis zur Blinkerkontrollleuchte mit dem Durchmesser eines Nadelstichs.

In Kinderhände sollte das computergesteuerte Wunderwerk nicht kommen. Dabei war es ursprünglich für Jungs im Grundschulalter konzipiert gewesen. Ein einstmals billiges Massen-Produkt, das von Batterien betrieben vorwärts, rückwärts und in die Kurve fahren konnte. Sonst nichts. Bis Björn sich seiner annahm.

Die Passion des 32-Jährigen ist Modellbau. Begonnen hat er als Teenager mit Schiffen. Jetzt hat sich der Buchholzer auf Landfahrzeuge spezialisiert. Sein Jeep mit Allradantrieb und Kippanhänger ist mit High-Tech aufgerüstetes Kinderspielzeug, genau wie ein noch nicht ganz fertiggestellter Radlader. Die Teile seines Scania Longliners, eines Dreiachsers, an dem er schon seit fünf Jahren bastelt, stammen dagegen aus Kleinst-Serienproduktionen sowie aus aufwendigem Eigenbau. 5000 Euro und ungezählte Stunden hat Björn bereits investiert. Dennoch liegt die Fertigstellung noch in weiter Ferne.

Aber für diejenigen, die die große Welt im Kleinen neu erschaffen möchten, ist der Weg das Ziel. „Modellbau ist das Hobby der 1000 Berufe. Es erfordert Geschick und Kenntnisse im Umgang mit allen Materialien – Holz, Metall, Kunststoff. Und man sollte etwas von Elektrik verstehen“, sagt Björn. Er selbst ist vom Fach. Seine Bluetooth- Fernsteuerung hat der gelernte Elektriker aus Teilen eines alten Laptops zusammen gebaut und selbst für alle eigenen Modelle programmiert.

Björn steht mit seiner Passion nicht allein. Er ist Gründungsmitglied und Erster Vorsitzender der „Interessengemeinschaft Spaß am Modellbau“. Die IG SaM, wie der gemeinnützige Verein kurz genannt wird, ist eine kleine Gruppe begeisterter, erfahrener Modellbauer aus Hamburg, Buxtehude, Rosengarten und Buchholz. Die Altersstruktur ist äußerst gemischt. Unter den zehn Aktiven sind auch zwei Kinder: Maya ist neun, Jeremy elf Jahre alt. Freilich basteln die Kids unter Anleitung ihrer Väter.

Auch Björn Heineke und sein Vater bilden ein Gespann. Allerdings ist es zumeist der Filius, der dem Senior Tipps gibt und zuweilen helfend unter die Arme greift. Claus-Dieter Heineke, 64, gelernter Autoschlosser, hat bereits mit seinem ersten Modell Lorbeeren eingeheimst. Bei den Deutschen Modell-Truck-Meisterschaften 2009 gewann sein Reisebus im Maßstab 1:25 den zweiten Preis. Die Luxuskutsche mit der Aufschrift „Cläuschen’s Bus-Touren“ ist exakt dem Fahrzeug nachgebildet, das Claus-Dieter einst als selbstständiger Reisebusfahrer lenkte.

Alle Türen des ursprünglich im Discounter erworbenen Spielmobils öffnen sich nunmehr automatisch, im Inneren leuchten Leselampen und Fernsehbildschirme. Für die Verpflegung der Passagiere gibt es eine Bordküche und Getränkekisten. Zur Orientierung des Fahrers liegt eine winzige Landkarte im Cockpit bereit.

Zu bestaunen sind der Bus, der Kipper, der Audi und mehr als 200 weitere Modelle in Funktion beim von der IG SaM organisierten Buchholzer Modellbautreffen am letzten Mai-Wochenende. 110 Modellbaufans aus ganz Deutschland und anderen europäischen Ländern werden in der Schützenhalle je zwei ihrer rollenden Schätzchen vorführen. Die beiden Heinekes und ihre Vereinskameraden sorgen für die entsprechende Infrastruktur. In zweitägiger Arbeit baut das Team einen 300 Quadratmeter großen Parcours mit Straßen, Brücken, Häusern und Figuren auf.

Zur Fantasie-Landschaft gehören auch acht Kubikmeter Mutterboden, auf der Mini-Bagger und Trecker zeigen, was sie und ihre Hydraulik schaffen: Erde auf- und abladen, planieren, eggen, pflügen und walzen. Björn und Claus-Dieter erwarten etwa 1200 Zuschauer und zahlreiche Händler.

Für Insider ist die Vorführung eine gute Gelegenheit zum Fachsimpeln, für Laien Anlass zum Staunen und Entdecken. Denn sowohl für Gefährte als auch für Gebäude gilt: Erst beim genauen Hinschauen erschließt sich die Fülle der liebevollen Details.

In einem Schnellrestaurant bilden umfunktionierte Kugelschreiberspitzen dekorative Hängelampen über den mit Männchen besetzen Tischen. Das Büro neben einer Fahrzeugwaage ist voll ausgestattet. Sogar die Rücken der Mini-Aktenordner tragen Beschriftung. Am Rückspiegel von Björns Scania Highline baumeln als Talisman winzige Würfel, ursprünglich Modeschmuck-Ohrringe.

Modellbauer seien äußerst erfinderisch darin, verschiedenste Gegenstände zweckentfremdet zu nutzen, sagt Björn. „Die Realität maßstabsgerecht ins Modell umsetzen und zum Funktionieren zu bringen, fasziniert mich. Ich liebe die feine Arbeit, auch wenn sie lange dauert. Für mich ist das Entspannung pur.“

Das Buchholzer Modellbautreffen findet am Sonnabend 24. Mai, 10 bis 18, und Sonntag, 25. Mai, 10 bis 17 Uhr in der Schützenhalle an der Richard-Schmidt-Straße statt. Tickets: Erwachsene 4,50, Jugendliche 3, Kinder bis zwölf Jahre 2 Euro. Kinder bis einen Meter Größe haben kostenlosen Eintritt. Familienkarten 10 Euro. www.ig-sam.de