Im Heimfelder Umsonstladen nehmen die Kunden mit, was sie wollen und lassen dafür etwas anderes da

Heimfeld. Die Kundin legt eine Bluse und zwei Tassen auf den Tisch. Katrin Hoffmann blickt kurz auf die Ware, nickt und damit gehören die drei Dinge der Kundin. Die packt ein, die Tür klingelt beim Öffnen und Schließen, die Frau geht. Das ist keine besondere Form der bargeldlosen Zahlung, das ist der Umsonstladen in der Gazertstraße, Ecke Haakestraße in Heimfeld.

Die Dinge, die den Laden verlassen, ohne etwas zu kosten, haben auch schon nichts gekostet, als sie hier ankamen. Heimfelder bringen Dinge vorbei, die sie selbst nicht mehr brauchen, die aber nicht nutzlos sind. 37 ehrenamtliche Helferinnen und Helfer halten den Laden hier und den anderen in der Nobleestraße in Schwung; nehmen Waren an, räumen sie in die Regale und begutachten das, was die Kunden mitnehmen.

Preise gibt es zwar nicht, aber Regeln: Bringen kann man, so viel man will, solange es kein Müll ist. Mitnehmen darf man höchstens drei Dinge gleichzeitig. Der Umsonstladen möchte so verhindern, dass Flohmarkt-Profis den Laden leerräumen. Aus dem selben Grund wird auf Artikel mit einem hohem Wiederverkaufswert ein Schild mit einem Mindestspendebetrag geklebt. Dieser liegt auf alle Fälle knapp über dem obligatorischen ebay-Euro, sodass Wiederverkäufer zumindest theoretisch das Risiko hätten, Verlust zu machen, aber nie so hoch, als dass man das Stück nicht doch als geschenkt empfinden würde. In der Gazertstraße gibt es hauptsächlich Haushaltsgegenstände, Technik und Kleidung, in der Nobleestraße Bücher, Tonträger und andere Medien.

„Alles, was jemand weiterverwendet ist ein Stück weniger, das im Müll landet und zum Umweltproblem wird“, sagt Katrin Hoffmann. „Darum geht es uns hauptsächlich. Der soziale Aspekt des Umsonst-Abgebens ist ein schöner Nebeneffekt.“

Katrin Hoffmann gehört zu den Umsonstladen-Freiwilligen der ersten Stunde. Sie war schon im Harburger Tauschring aktiv, doch das Konzept der Umsonstläden geht über das Tauschringprinzip hinaus. Im Tauschring wird schlicht um schlicht gehandelt, im Umsonstladen überhaupt nicht. Dort wird nur abgegeben und abgeholt. Der Geber erwartet keine Gegenleistung, der Nehmer muss kein schlechtes Gewissen haben, wenn er nur nimmt. „Trotzdem haben wir unseren Verein aus dem Tauschring heraus gegründet“, sagt Katrin Hofmann. „Wir haben zunächst zweimal im Jahr Umsonstmärkte im Kirchengemeindehaus veranstaltet.“

Im Jahr 2009 wurde dann der erste Umsonstladen eröffnet – und war gleich so erfolgreich, dass er sich selbst schadete: Der Besucherverkehr nervte die Nachbarn, die Kündigung folgte. Seit 2011 sind die Umsonstläden in Heimfeld. Der Laden in der Nobleestraße entwickelt sich durch das medienorientierte Angebot immer mehr zu einem kleinen kleinen Stadtteil-Lesesaal. Im Internet surfen und Dokumente ausdrucken kann man dort auch. Das Papier soll man jedoch selbst mitbringen.

Neben Katrin Hofmann sind Waltraud Brock-Brce und Brit Frenzel gerade als Helferinnen im Laden. Auch sie sind seit mehreren Jahren dabei und haben neben vielem Alltäglichen auch so manches ungewöhnliche Stück hier weitergeben können: „Eine Zeit lang hatten wir hier viele Kloschüsseln – und nicht etwa benutzte“, sagt Waltraud Brock-Brce.

Die ungewöhnlichen Porzellanobjekte brachte ein Klempner vorbei. Der hatte sie aus Neubauten ausgebaut, deren Erstbezieher kein Bad von der Stange wollten und die neuwertige Standardware noch vor den Einzug durch etwas Luxuriöseres ersetzen ließen. „Wir dachten erst, dass wir die nicht los werden, aber wir sind nicht darauf sitzen geblieben“, sagt Waltraud Brock-Brce.

Auch ein Hochzeitskleid und ein Zylinderhut gingen hier schon mal über den Tisch und ab und zu finden sogar Filmrequisiteure hier geeignete Objekte. „Die Ware wird aber oft zur Nebensache, weil hier auch das Menschliche zählt“, sagt Brit Frenzel. „Seit ich hier aktiv bin, kenne ich viel mehr Menschen hier im Viertel und man begegnet sich auf der Straße ganz anders, muss viel häufiger grüßen oder erhält selbst ein paar gute Worte.“

Auf diese nette Weise hat sich der Verein Contrazt mittlerweile so gut im Stadtteil vernetzt und verankert, dass er nicht nur die Läden betreibt, sondern zu einem ernsthaften Träger der Stadtteilkulturarbeit geworden ist: Regelmäßig finden im Laden in der Nobleestraße Lesungen statt, veranstaltet der Verein Konzerte oder gibt Kurse – und das alles kostenlos. Lediglich Spenden für die Unkosten werden gesammelt, so wie auch in den beiden Umsonstläden eine Spendendose auf dem Tisch steht. Miete, Strom und Heizung muss auch ein Umsonstladen bezahlen. Das schafft der Verein mit den eingehenden Spenden meistens auch, wenn auch nicht viel mehr.

„Aber mehr wollen wir ja auch gar nicht“, sagt Katrin Hofmann und muss sich schon wieder um den nächsten Besucher kümmer: Jemand bringt etwas. Katrin Hofmann bedankt sich. Der Kunde geht, nicht ohne selbst ein paar nette Worte zu hinterlassen. Die Türglocke klingelt erneut.