Wahl 2014: Wie Thomas Grambow (SPD) und Rainer Rempe (CDU) als Landrat den Kreis Harburg führen wollen

Winsen. Es war ihr erstes Treffen zu einem Meinungsaustausch unter vier Augen: Thomas Grambow (SPD) und Rainer Rempe (CDU), die beiden Kandidaten für die Landratswahl am 25. Mai, kamen als Gäste zum Abendblatt. Die Redaktion hatte auf neutrales Gebiet außerhalb des Kreises geladen, ins Hotel Lindtner in Harburg. Beide Politiker erläuterten ihre Strategie für den Landkreis der Zukunft, für Verkehr, Gesundheit, sowie Wirtschaft. Am Sonntag in fünf Wochen entscheiden rund 200.000 Wähler. Rempe, 51, ist derzeit Erster Kreisrat in der Verwaltung und damit der Vertreter von Landrat Joachim Bordt (FDP). Grambow, 50, ist Controller bei der Knappschaft in Hamburg, Oberstleutnant der Reserve und stellvertretender Bürgermeister von Neu Wulmstorf. Mit den Kandidaten sprachen die Redakteure Frank Ilse und Rolf Zamponi.

Hamburger Abendblatt:

Herr Grambow, Herr Rempe, müssen wir Sie noch gegenseitig vorstellen?

Rainer Rempe:

Das ist nicht nötig. Wir haben uns am 21. Januar genau hier im Hotel Lindtner beim Neujahrsempfang der Sparkasse Harburg-Buxtehude gesehen.

Aber zum Austausch hat es damals nicht gereicht?

Thomas Grambow:

Nein. Wir sprechen heute erstmals ausführlich miteinander.

Dann erklären Sie uns doch, warum es für den Kreis gut wäre, wenn einer von Ihnen Landrat wird.

Rempe:

Wer die Verantwortung für 250.000 Einwohner, rund 900 Beschäftigte und einen Haushalt von 450 Millionen Euro übernimmt, sollte Kompetenz, eine fundierte Ausbildung und Erfahrung mitbringen. Während meiner über 20-jährigen Tätigkeit in der Verwaltung – seit sieben Jahren als Vertreter des Landrats – habe ich mir das Vertrauen der Politik, der Wirtschaft und der Menschen in diesem Landkreis erarbeitet. Fachkompetenz ist besonders wichtig, weil der Kreis mehr als 1000 Leistungen für unsere Bevölkerung erbringt und den Dialog mit vielen Akteuren pflegt. Diese Arbeit möchte ich als Landrat fortsetzen, weil ich eine Menge Ideen habe, wie der Kreis für die Bürger noch attraktiver werden kann. Dieser großen Aufgabe fühle ich mich gewachsen.

Grambow:

Ich bringe das mit, worum es bei dieser Wahl geht: Nämlich einen Kandidaten zu wählen, der sich als Ansprechpartner der Bürger versteht. Das ist entscheidend. Dagegen finde ich es nicht so wichtig, dass sich ein Kandidat über Jahre in der Verwaltung hochgearbeitet hat. Die Verwaltung hat Kompetenz, die ein Landrat abrufen soll. Er muss aber vor allem bereit sein, zwischen Politik, Verwaltung und Bürgern zu vermitteln. Verwaltungserfahrung habe ich durch meine Ausbildung für die Krankenkasse. Nur eben nicht in dieser Kreisverwaltung.

Herr Grambow, bisher waren Sie über Neu Wulmstorf hinaus nur wenig bekannt. Was hat ihr früh gestarteter Wahlkampf und ihre Hausbesuche daran geändert?

Grambow:

Ich musste früh starten, weil ich mein Konzept als Bürgerlandrat erklären wollte. Inzwischen bin ich seit 13 Wochen unterwegs und habe mich in allem Gemeinden und den beiden Städten vorgestellt. Auch bis zur Wahl wird kein Tag vergehen, an dem ich die Hände in den Schoß lege. Schließlich beginnt am Karfreitag mein Wahlurlaub. Deutlich ist: Es gibt immer mehr Menschen, die mich in der Öffentlichkeit erkennen und wissen, dass ich Landrat werden will.

Herr Rempe, von Ihnen wurden erst jetzt die ersten Wahlplakate geklebt. Warum diese Zurückhaltung?

Rempe:

Als Erster Kreisrat begegne ich jeden Tag vielen Menschen in unserem Landkreis, habe also schon einen gewissen Bekanntheitsgrad. Meine bisherige Funktion gebietet mir jedoch eine gewisse Zurückhaltung, um das Amt und die Kandidatur nicht zu vermengen. Darum steige ich erst jetzt in den Wahlkampf ein und werde dafür nach dem Kreistag am 5. Mai Urlaub nehmen.

Und auf Prominenz zur Unterstützung verzichten Sie im Gegensatz zu Thomas Grambow?

Rempe:

Nicht ganz. Ich werde mit unserem Europa-Kandidaten David McAllister unterwegs sein. Aber auf Landesebene kann ich anders als mein Mitbewerber keine Politiker mit Regierungsverantwortung einbringen, weder aus Hamburg noch aus Hannover.

Zu den Sachthemen. Nennen Sie die aus Ihrer Sicht drei wichtigsten, bei denen Sie etwas verändern wollen!

Grambow:

Nahverkehr, die regionale Gesundheitsversorgung und die wirtschaftliche Entwicklung, die mit dem Naturschutz verbunden werden muss.

Konkret?

Grambow:

Bei meinen Hausbesuchen rechnen mir die Leute vor, wie viel Zeit sie jeden Tag auf dem Weg zur Arbeit im Stau verlieren. Wir brauchen also den Ausbau der Eisenbahnstrecke zwischen Buchholz, Maschen und Harburg. Dazu muss sich bei den Busverbindungen etwas ändern. Hier wird viel für die Schüler getan und zu wenig für Pendler. Für dieses Thema sind meine Gespräche mit Scholz und Ministerpräsident Weil wichtig. Bei der Versorgung der Menschen mit Ärzten kommt es darauf an, auf Gemeindeebene zu denken und nicht einfach festzustellen, dass im Kreis genügend Ärzte angesiedelt sind. Der Kreis ist groß und gerade im Süden gibt es immer weniger Praxen, vor allem von Fachärzten. In der Wirtschaft profitieren wir von Hamburg, sind aber gleichzeitig abhängig. Aber es kann nicht sein, dass wir Flächen für eine neue Autobahn-Raststätte oder für Hamburgs Logistik hergeben, damit die Hansestadt ihre weiter für ihre Belange nutzen kann. Schließlich geht es hier um unser Land. Dort wollen viele Menschen, die zu uns kommen ihre Kinder in der Natur aufwachsen lassen. Wir aber geben ihnen zunächst ein Grundstück und bauen dann Umgebungsstraßen. So geht es nicht weiter.

Herr Rempe, was sind Ihre Themen?

Rempe:

Mein Ziel ist es, unseren Bürgern ihre hohe Lebensqualität zu erhalten und auszubauen. Gerade in unserer älter werdenden Gesellschaft wollen wir Menschen motivieren, sich im Kreis nieder zu lassen. Dazu gehört eine gute Infrastruktur, etwa für junge Familien, für die wir gemeinsam mit den Gemeinden ein vielfältiges Angebot an Kitas und Schulen ausbauen. Allein in den letzten zehn Jahren hat der Kreis hier 110 Millionen Euro investiert. Dazu brauchen wir eine Betreuung, mit der sich Beruf und Familie vereinbaren lassen. Natürlich spielt auch die medizinische Versorgung eine Rolle. Mit unserer aktiven Anwerbung von Ärzten im Landkreis und mit unseren Krankenhäusern in Buchholz und Winsen sind wir gut aufgestellt und hoffen, dass auch der Standort Salzhausen erhalten bleibt. Für ältere Menschen müssen wir mehr tun, denn die Zahl der Pflegebedürftigen wird sich bis 2020 von derzeit 6500 mehr als verdoppeln. Ebenso wichtig sind Verbesserungen in der Verkehrsinfrastruktur für die vielen Pendler im Öffentlichen Personennahverkehr. Wir brauchen noch bessere Lösungen, die S-Bahn muss bis Buchholz und Tostedt sowie bis Winsen und Lüneburg fahren. Auch die erwähnte Bahnstrecke Buchholz – Maschen – Harburg sollte dafür reaktiviert werden. Aber das wird das sehr hohe Verkehrsaufkommen nicht mindern, so das wir auch in den Straßenausbau investieren müssen: Ohne neue Umgehungsstraßen etwa in Winsen, Hittfeld und Buchholz wird es nicht gehen.

Mit der wirtschaftlichen Entwicklung sind Sie zufrieden?

Rempe:

Wir haben in den letzten Jahren viel aufgeholt, seit dem Jahr 2000 liegt das Wachstum mit 23 Prozent über dem Durchschnitt von 18 Prozent in Niedersachsen. Aber die Balance von Wohnen und Arbeiten ist noch nicht ausgewogen, es gibt zu wenig Arbeitsplätze im Landkreis und wir verlieren zuviel Kaufkraft: Die Menschen kaufen jährlich für 450 Millionen Euro in Hamburg statt im Einzelhandel vor Ort ein. Ein weiterer Wirtschaftsfaktor wird durch die Energiewende beflügelt, die wir in parteiübergreifendem Konsens eingeleitet haben. Hier sehe ich noch viel Potential, auch wenn ich manchmal den Eindruck habe, dass die Bereitschaft der Menschen etwas zu verändern, vor der eigenen Haustür nicht gilt. Ich denke da etwa an die aktuelle Diskussion über Vorranggebiete für Windkraftanlagen. Hier muss ein Landrat klare Optionen aufzeigen und einen Ausgleich zwischen Einzelinteressen und dem Allgemeinwohl schaffen.

Das klingt alles ähnlich, wo unterscheiden sich ihre Auffassungen?

Grambow:

Zunächst einmal ist es gut, dass die künftigen Schwerpunkte unumstritten sind. Aber ich will deutlich machen, wo unsere Linie liegt. Umgehungsstraßen sorgen oft dafür, dass sowohl im umfahrenen Bereich als auch dort, wo die neuen Straßen entlang führen, Menschen unzufrieden sind. Es gibt neue Bereiche mit Pkw und Lkw und in den alten sind trotzdem weiter Fahrzeuge unterwegs. Deshalb sind wir gegen weitere Planungen für Umgehungsstraßen. Wir sind dafür, Bürger an Entscheidungen uneingeschränkt zu beteiligen, nicht nach Möglichkeit. Und bei Windanlagen kommt es nicht in Frage, für sie Bereiche aus Landschaftsschutzgebieten heraus zu nehmen. Das unterscheidet uns.

Rempe:

Es wäre aber auch ungewöhnlich, wenn wir überall die gleiche Meinung hätten. Eines aber vorweg: Der Landrat hat gegen die Herausnahme der Landschaftsschutzgebiete in Toppenstedt und Gödenstorf für die Windkraft gestimmt.

Grambow:

Interessant wäre ja Ihre Meinung?

Rempe:

Die kann ich Ihnen sagen. Solange es Alternativen gibt, bin ich persönlich dafür, Landschaftsschutzgebiete unangetastet zu lassen.

Interessant wäre, wie Sie, Herr Rempe, die Umgehungsstraßen und die Bürgerbeteiligung sehen?

Rempe:

Bürgerbeteiligung ist heute doch längst ein fester Bestandteil aller Planungsverfahren. Die Kreisverwaltung tut hier häufig sogar mehr als gesetzlich verlangt wird. Dabei müssen wir aber auch die demokratischen Spielregeln einhalten. Wenn 63 Prozent der Bürger für den Ostring in Buchholz sind, sollten wir ihn auch bauen. Das ist eine Selbstverständlichkeit. Ein Landrat muss für Interessenausgleich unter den Bürgern sorgen. Aber er darf sich auch nicht vor Entscheidungen drücken, die von einer Mehrheit legitimiert sind.

Nach den Sachfragen ein privates Thema. Welche Rolle spielen Ihre Familien im Wahlkampf?

Rempe:

Meine Familie steht voll hinter meiner Kandidatur, allerdings werde ich meine Frau Brigitte und meine Kinder im Alter von 14 und 17 Jahren nicht für den aktiven Wahlkampf einspannen.

Grambow:

Die Familie gehört zu einer solchen Kandidatur. Meine älteste Tochter unterstützt mich genau wie meine Frau Katja, die mich begleitet. Dadurch fühle ich mich besser. Meine Familie soll zu den Terminen mitkommen und mit erleben, was ich tue. Schließlich muss sie auch die Folgen tragen.

Herr Grambow, würden Sie nach einer Niederlage erneut für ein politisches Amt kandidieren?

Grambow:

Zunächst wohl nicht. Ich würde mir sagen: Das war’s. Denn es kostet Energie, in gut vier Monaten für die SPD alles aufzuholen, was über Jahre versäumt wurde. Ich würde mich sicher eine Weile besinnen und dann schauen, ob mich meine Partei weiter trägt. Denn die Partei bestimmt zum großen Teil, ob man noch einmal antreten kann.

Herr Rempe, was tun Sie, wenn Thomas Grambow gewinnt und damit Ihr neuer Chef wird?

Rempe:

Darüber werde ich mir erst am 26. Mai, dem Tag nach der Wahl, Gedanken machen.

Beenden Sie bitte beide den Satz: „Ich werde Landrat, weil...“!

Rempe:

...mein Herzblut seit 20 Jahren am Kreis hängt.

Grambow:

... ich die Unterstützung der Bürger finde.