Kleingärtner starten in die Saison. Manche müssen sich Sorgen um ihre Parzellen machen

Wilhelmsburg. Kristin Spönlein ist spät dran. Der milde Winter hat die Vegetationssaison einige Wochen vorgezogen und im Schrebergarten wächst und wuchert es schon an allen Ecken und Enden. Das ist zwar der Sinn von Pflanzenwuchs aber der Sinn des Gärtnerns ist es, den Wuchs in Bahnen zu lenken. „Deshalb muss ich jetzt ein paar Tage lang Gas geben“, sagt die Kleingärtnerin. Beete müssen vorbereitet, der Rasen gekürzt und die toten Sträucher vom letzten Jahr abgeschnitten werden.

Die letzten Wochen hatte sie nicht gärtnern können, weil sie beruflich verreist war. Als freie Kostümbildnerin war sie bei Dreharbeiten der ZDF-Krimireihe „Der Kommissar und das Meer“ in Schweden tätig. Doch selbst am Filmset schlägt ihr Gärtnerherz: Sie hat aus Schweden wilden Bärlauch mitgebracht, den sie nun bei sich im Beet anpflanzt.

Kristin Spönlein und ihr Lebensgefährte Eugen Rieger haben ihre Parzelle direkt am Assmannkanal, im Verein „Unsere Scholle“. Sie gehören damit zu fast 6000 Personen, Paaren oder Familien, die in Wilhelmsburg und Harburg einen Kleingarten gepachtet haben. Fast so groß, wie die Zahl der Parzellen ist auch die Vielfalt der Gartenphilosophien, die die Schreber auf der Scholle ausleben: Von leicht verwildert wie hier, über reine Nutzgärten bis zu blitzblanken Pedantenparadiesen mit akkuraten Grashöhen und Rasenkanten gönnt jeder Nachbar dem anderen seine Lebensart.

Noch vor einigen Jahren hätte Kristin Spönlein kaum gedacht, dass das Gärtern ihr so viel Spaß machen könnte. Dann zog sie mit ihrem Eugen nach Wilhelmsburg und hörte vom interkulturellen Garten an der Veringstraße, übernahm dort ein Beet und wollte bald mehr. Als sie die Parzelle am Kanal sah, war sie sofort begeistert: Der Vorpächter hatte mit handwerklichem Geschick und gewitztem Geist aus der kleinen Laube mehr gemacht, als man ihr von außen ansah. Draußen bestimmen Obstbäume das Bild: Birne, Apfel, Kirsche. Hinter der Laube, am Kanal gibt es noch eine Mirabelle sowie diverse Beerensträucher. Die Äpfel haben in der Laube gelagert sogar den Winter überstanden, schmecken milde und mürbe. Was für Äpfel das sind, ist ein Mysterium: „Ich bin damit mal bei Hamburgs selbst ernannten Apfelpapst gewesen“, sagt Eugen Rieger. „der konnte die Sorte auch nicht bestimmen.“

Es könnte ein idyllischer Sommer am Kanal werden, müssten sich die Gärtner nicht Sorgen um ihr kleines Paradies machen: Bei den Planungen für die neue Wilhelmsburger Mitte denken diverse Köpfe sehr laut darüber nach, dort wo jetzt noch die 128 Parzellen des Vereins „Unsere Scholle“ sind, Wohnhäuser zu bauen. Die Kleingärtner wehren sich und bringen sich in die Bürgergremien ein: „Wir haben einen hohen urbanen Nutzwert, nicht nur für unsere Mitglieder, sondern für den ganzen Stadtteil“, sagt Michael Weckenbrock, Fachberater und Vorstandsmitglied des Vereins. „Und wir haben einige Ideen, wie wir diesen Wert verstärken. Zum Beispiel denken wir wir eine Seniorenparzelle oder eine Parzelle für die Alstedorfer Assistenz, beide barrierefrei.“

Die Planungs- und Moderationsprozesse zur Wilhelmsburger Mitte ziehen sich noch hin. Erst einmal gärtnern Kristin Spönlein und Eugen Rieger weiter. „Noch ein, zwei Tage, dann wird es wieder etwas entspannter“, sagt Kristin Spönlein. „Dann kann auch die Hollywoodschaukel endlich wieder auf den Rasen.“