„Hefegebäck für das Osterhasenfest“. So die Überschrift im Rezeptteil einer Zeitschrift.

Ich dachte, ich lese nicht richtig! Osterhasenfest? Ostern die erwachende Natur feiern, die Freude am Leben und an der Auferstehung – all das habe ich bisher gern mitgefeiert. Diese neue Sprachschöpfung erinnert mich an den Versuch der antichristlichen Regierung der DDR. Die machte ganz offiziell aus Weihnachtsengeln „geflügelte Jahresendgestalten“. Auch daran, dass Stalin befahl, Ostern abzuschaffen und die Menschen arbeiten zu lassen, um das Plansoll besser zu erfüllen. Oder an die Nationalsozialisten, die aus dem Christfest die germanisch geprägte Wintersonnenwendfeier machten. Versuche, die fehlschlugen. Das Volk feierte unbeirrt weiter Ostern und Weihnachten in christlicher Tradition. Besagter Artikel folgt dem Trend „Umsatz, Umsatz über alles, über alles in der Welt“. Wie die Supermärkte, in denen sich seit Januar die Tische voller Marzipaneier und Schokoladenhasen biegen. Man kann das kritisieren. Man kann aber auch Konsumverzicht üben.

Ich möchte lieber an den Sinn der alten schönen Osterbräuche erinnern. Und sie als Bereicherung für ein bewusstes Feiern verstehen. Viele Menschen wissen heute schon nicht mehr, was Ostern eigentlich bedeutet und schön macht. Es besteht die Gefahr, dass Ostern zu einem beliebigen Fest, zu einem Event oder zu einem Familienfest ohne besonderen Inhalt vorkommt.

Der Osterhase gehört natürlich zu den österlichen Bräuchen. Seit frühen Zeiten ist er ein Symbol der Fruchtbarkeit und Zeugungskraft. Immerhin bringt die Häsin bis zu zwanzig Junge pro Jahr zur Welt. Was durchaus zum Fest des Lebens und der Auferstehung passt. Kindern wird noch heute erzählt, dass der Osterhase die Eier im Garten versteckt. Die Kleinen schwärmen dann aus zum Ostereiersuchen, zur Freude und Belustigung der Erwachsenen. Ein schönes Spiel! Der Herr Medizinprofessor, Georg Franck von Franckenau, stellte dagegen schon 1678 fest, dass der Glaube an den Osterhasen eine „Fabel“ sei, die „man Simpeln und Kindern aufbinde“. Ziemlich kritisch! Psychologen halten das heute für unschädlich, so wie den Glauben der Kinder an den Weihnachtsmann. Man sollte aber, wenn die Kleinen größer werden, ihren Zweifeln nicht ausweichen und ihre Fragen angemessen beantworten. Aus der „Fabel“ hat sich übrigens die Sitte entwickelt, ein Osterbrot zu backen, dem das Bild des Osterhasen aufgeprägt wird. In das Brot wird ein Ei gebacken. Da haben wir dann den eierlegenden Osterhasen!

Apropos Ostereier. Ihr Ursprung und ihre Geschichte ist interessant und nachdenkenswert. Schon in vorchristlicher Zeit gilt das Ei als Ursprungsort des Menschen und des ganzen Universums. Für die Christen wurde das Ei zum Sinnbild des Lebens und der Schöpfung: Das Leben entsteht aus einem Ei. Den Toten wurde ein Ei mit ins Grab gegeben. Für uns heute fremd. Aber die Menschen früher verstanden Symbole viel unmittelbarer als wir heute. Für sie war das Ei wie das verschlossene dunkle Grab Jesu. Aus einem nur scheinbar toten Körper schlüpft schließlich Lebendiges. So wurde das Ei zum Symbol der Auferstehung.

Seit dem vierten Jahrhundert wurden die Eier zu Ostern bunt bemalt, manchmal kunstvoll, mal mit der Phantasie der Kinder. Als wir vor Jahren zu Ostern auf Kreta waren, brachte die Vermieterin der Ferienwohnung uns rote Eier, ein nicht nur dort üblicher Brauch. Rot steht für Blut und Blut bedeutet in der Bibel Leben. Das wird verständlich, wenn das Rote Kreuz zum Blutspenden aufruft mit dem Satz: „Blut spendet Leben“. Die roten Eier sind ein Hinweis auf das Blut Christi und damit auf das neue Leben, das er gebracht hat. Eier wurden nicht nur bemalt, sondern auch beschriftet. Ich habe so eines entdeckt. Darauf steht: „Wie der Vogel aus dem Ei gekrochen, so hat Jesus Christus das Grab zerbrochen“.

Zum Osterfest gehören die Osterfeuer. Nicht nur an der Elbe, sondern auch bei der Freiwilligen Feuerwehr Hausbruch. Dazu sind besonders die Kinder eingeladen. Ihnen würde ich gern erzählen, dass Feuer schon immer als heilig galt. Die Christen verlegten das Feuer vor die Kirchentüren. In der Osternacht entzündeten sie daran die Osterkerze. Sie wurde in feierlicher Prozession in die Kirche zum Gottesdienst getragen. Feuer und Licht sind sichtbare Zeichen für das Leben – ohne beides gibt es kein Leben. Die Osterkerze brennt bei allen Taufgottesdiensten. An ihr werden die Taufkerzen entzündet, die einem Paten für sein Taufkind überreicht wird. Zum Zeichen dafür, dass Christus das Licht seines Lebens ist.

Unvergessen der große ökumenische Ostergottesdienst im Michel. Er wurde nach dem Ritus der orthodoxen Christen gefeiert. Sie haben einen anderen Ostertermin als wir. Aber in dem Jahr fiel Ostern bei Katholiken, Protestanten und Orthodoxen auf dasselbe Datum. Die Teilnehmenden erhielten am Eingang eine verzierte Osterkerze. Der griechische Bischof nahm die große Osterkerze und entzündete mit ihr meine Kerze. Ich gab das Feuer weiter an eine Frau. So ging es weiter, bis das Licht von zweitausend Kerzen das Kirchenschiff und die Gesichter der Feiernden zum Strahlen brachte. Ein ergreifendes Erlebnis!

Diese und noch viele andere Osterbräuche zeigen, wie tief das Osterfest in den Traditionen der Völker und Menschen verankert ist. Als Frühlingsfest, als Fest des Lebens und der Hoffnungskraft. Dass es das höchste christliche Fest ist, bedeutender als Weihnachten, Karfreitag und Pfingsten, das hat die Botschaft von der Überwindung von Tod, Trauern und Gewalt bewirkt. So weisen alle Bräuche auf eine tiefe und wunderbare Erfahrung: Das Leben behält den Sieg. Es ist stärker als der Tod. Das vielfältig und intensiv zu feiern bringt Freude ins Leben. Darum: Frohe und gesegnete Ostern!

Helge Adolphsen ist emiritierter Hauptpastor des Hamburger Michel. Er lebt in Hausbruch. Seine Kolumne erscheint im Zwei-Wochen-Rhythmus im Regionalteil des Hamburger Abendblattes