Abendblatt-Interview mit dem gerade wiedergewählten Kreisvorsitzenden der SPD, Frank Richter

Harburg . Ende März wurde Frank Richter mit 82 Prozent der Stimmen im Amt als SPD-Kreisvorsitzender bestätigt. Damit hat er zugleich die schwierige Aufgabe übernommen, die zerstrittenen Flügel der Harburger SPD wieder zu einen und sie bei der bevorstehenden Bezirkswahl am 25. Mai erneut zur stärksten Fraktion zu führen. Im Interview mit dem Abendblatt spricht der 49 Jahre alte Rechtsanwalt, der bereits seit Juni 2004 Kreisvorsitzender ist, über den massenhaften Zulauf von neuen Mitgliedern, das desaströs verlaufene Beteiligungsverfahren zum Flüchtlingscamp Bostelbek und ungetrübte Siegesgewissheit.

Hamburger Abendblatt:

Herr Richter, im Vorfeld der Kandidatenaufstellung für die Bezirkswahl verzeichnete die Partei den massenhaften Eintritt neuer Mitglieder. Altgediente Sozialdemokraten befürchten eine Unterwanderung der SPD Harburg, insbesondere durch türkischstämmige Migranten. Teilen Sie dieses Unbehagen?

Frank Richter:

Richtig ist, dass seit Mitte 2012 etwa 180 Neumitglieder registriert wurden. Normal sind etwa 40 pro Jahr. Im Vorfeld von Bundestags- und Bürgerschaftswahlen ist aber oft ein Mitgliederzuwachs zu verzeichnen. Richtig ist auch, dass die Mehrzahl der Neuzugänge einen Migrationshintergrund haben. Allerdings handelt es sich um Mitglieder unterschiedlicher Herkunft, von denen wiederum etwa ein Drittel türkische Wurzeln haben. Wir wissen auch, dass teilweise eine gezielte Werbung stattgefunden hat. Wie nachhaltig dieser Zuwachs ist und was er bewirkt, kann aber erst Mitte des Jahres beurteilt werden.

In diesem Zusammenhang ist immer wieder von der Gülen-Bewegung die Rede. Wie sieht das der Kreisvorstand?

Richter:

Darüber, dass die Gülen-Bewegung an Neueintritten mitgewirkt hat, liegen uns keine Erkenntnisse vor. Selbst wenn mehrere neue Mitglieder dieser Bewegung nahestehen sollten, wäre das kein Beleg für eine Unterwanderung. Die Sichtweisen auf die Gülen- Bewegung sind sehr unterschiedlich. Natürlich gibt es Tendenzen, die bedenklich sind. In Leipzig zum Beispiel wurden mehr als 30 Mitglieder mit nur drei Adressen registriert, unter anderem in „Häusern des Lichts“ der Gülen- Bewegung. Dort gab es deutlich den Versuch, Strukturen zu verändern. Davon kann in Harburg aber überhaupt nicht die Rede sein.

Dennoch gibt es immer wieder Kritik am Parteiaufnahmeverfahren.

Richter:

Das stimmt, und darauf haben wir auch reagiert. In der Vier-Wochen- Frist, in der die Distrikte die Aufnahmeanträge prüfen müssen, sollen verstärkt persönliche Gespräche mit den potenziellen Neumitgliedern geführt werden.

Es steht konkret der Vorwurf im Raum, dass in einzelnen Distrikten, zum Beispiel in Süderelbe, gezielt Einfluss auf die Kandidatenkür genommen wurde. Wird sich der neue Kreisvorstand mit diesem Thema auseinandersetzen?

Richter:

Ja, aber erst nach der Wahl. Fest steht, dass es hier unterschiedliche Wahrnehmungen gibt. Dass in Süderelbe distriktsfremde Genossen gesichtet wurden, ist eine Tatsache, per se aber nicht ungewöhnlich. Inwieweit aber tatsächlich Einfluss genommen wurde, bleibt zu klären und zu bewerten.

Könnte die Verwicklung des Spitzenkandidaten des SPD-Distrikts Harburg-Mitte, Martin Semir Celik, in das umstrittene Genehmigungsverfahren für das Platinum Event Center zur Hypothek im Wahlkampf werden?

Richter:

Ich habe Herrn Celik geraten, nicht zu kandidieren, dazu zwingen kann ich ihn nicht. Allein der Anschein einer Verquickung von privatem und politischem Interessen ist und bleibt schädlich. Die Entscheidung über einen Rückzug kann er aber laut Landeswahlleiter nur selbst fällen.

Auch die Diskussion um den Standort der neuen Harburger Flüchtlingsunterkunft in Bostelbek belastet die SPD. Hat sie ein Glaubwürdigkeitsproblem?

Richter:

Das Verfahren ist grottenschlecht gelaufen, da gibt es nichts zu beschönigen. Die Siedler hätten viel früher einbezogen werden müssen. Durch diesen Umgang ist das Klima momentan vergiftet. Fakt ist aber auch, dass der Bezirk Harburg bislang unterdurchschnittlich an der Lösung dieses drängenden Problems beteiligt ist. Am Anfang gibt es immer viele Berührungsängste. Doch ich kenne die Bostelbeker ganz gut, war 14 Jahre Vorsitzender des Bostelbeker Sportvereins: Mit ihnen kann man reden.

Glauben Sie, dass es trotz allem wieder zur absoluten Mehrheit in der Bezirksversammlung reichen wird?

Richter:

Keine Frage, in den vergangenen drei Monaten gab es zu viel Unruhe, da ist vieles nicht rund gelaufen. Dennoch hat die Fraktion unter Leitung von Jürgen Heimath in dieser Wahlperiode einen richtig guten Job gemacht, zum Wohle des Bezirks. Wir haben die großen Neubaugebiete in Neugraben- Fischbek voran gebracht, die Eigenständigkeit des Helms-Museums erreicht, den Gloria-Tunnel wiederbelebt, die Entwicklung des Binnenhafens forciert, die Rieckhof-Sanierung gesichert. All das spricht für uns. Wir haben bessere Visionen von Harburg als alle anderen. Deshalb bin ich davon überzeugt, dass wir wieder stärkste Fraktion werden. Einer Umfrage von infratest dimap vom 15. Januar zur Bezirkswahl zufolge, hätten sich 44 Prozent aller Befragten für die SPD entschieden. Von einer hohen Wahlbeteiligung würde die SPD auf jeden Fall profitieren.

Und wenn nicht? Werden dann die parteiinternen Gräben tiefer denn je?

Richter:

Das glaube ich nicht. Denn jedem ist in den vergangenen Wochen klar geworden, dass wir so nicht weiter machen konnten. Da sind zwei Züge ungebremst aufeinander zugerast. Dabei ist viel Porzellan zerschlagen worden, weil es auch sehr persönlich geworden ist. Ich glaube aber prinzipiell an die Vernunft des Menschen. Wir sind dabei, wieder die Grundlage für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit zu schaffen. Im Juni wird es zudem ein zweitägiges Seminar geben, in dessen Verlauf alle kritischen Themen noch einmal auf den Tisch kommen. So bleiben wir also Harburgs treibende Kraft.