Verkehrsbehörde sieht keine Gefahr der Grundwasserabsenkung und Bauschäden. Einwohner fordern Messbrunnen zur Prüfung des Wasserstands

Rübke. Hinter Uwe Klindtworth rollen schwere Baufahrzeuge heran, türmen hellen Sand auf und schaffen Tatsachen. Der errichtete Vorbelastungsdamm zeigt, wie dominant der Nachbar Autobahn 26 für die Rübker sein wird. Der Ortsvorsteher von Rübke zeigt auf eine brach liegende Moorlandschaft vor ihm, auf eine Stelle weit weg von den Wohnhäusern in dem kleinen Ort. Da sollte die Autobahn 26, die Stade mit Hamburg verbinden soll, eigentlich einmal gebaut werden.

Damit hätten sich der Ortsvorsteher von Rübke und seine Nachbarn gut arrangieren können. Doch dann kam der Wachtelkönig dazwischen. Naturschützer hatten vor Gericht erwirkt, dass die Trassenführung geändert wird, um den streng geschützten Vogel, der im Moorgürtel brüten soll, vor Verkehrslärm zu schützen. Und so rückt die Verkehrslinie näher an das Ort Rübke heran.

Seitdem ist der seltene Vogel so etwas wie ein Symbol für die Opfer, die die Menschen aus Rübke bringen müssen. Für Klindtworth und die meisten der anderen 560 Einwohner ist es, als sei der Vogel mehr wert als sie. Einmal mehr sieht sich Uwe Klindtworth in diesen Tagen darin bestätigt. Denn offenbar gehen Forderungen der Rübker erneut ins Leere.

90 Prozent der Häuser sind auf Holzpfählen gebaut und brauchen Wasser

Sie haben Angst um ihre Häuser. Sie fürchten eine Grundwasserabsenkung als Folge des Vorbelastungsdamms, der für die Autobahn 26 gebaut wird. Das Grundwasser spielt in dem Moorgebiet eine wesentliche Rolle. 90 Prozent der Gebäude im Dorf sind auf Holzpfählen gebaut. Damit sie nicht verrotten, brauchen sie Wasser. Sonst sacken die Häuser ab.

Die Bewohner glauben, dass es genau dazu kommt, weil der aufgebrachte Sand für den Vorbelastungsdamm das Wasser aus den Torfschichten im Boden presse. Wie bei einem Schwamm, auf dem etwas Schweres lastet, könnte das Wasser herausgedrückt werden. Klindtworth glaubt, dass der Grundwasserspiegel südlich der Autobahntrasse steigt und nördlich, auf der Rübker Seite, fällt. Er will für alle Fälle gerüstet sein. Er will Daten liefern können, sollte es zu einer juristischen Auseinandersetzung kommen. „Sonst werden unsere Häuser beschädigt und wir können nicht beweisen, dass es mit der Autobahn zusammenhängt“, sagte er.

Deshalb möchte er, dass mindestens fünf weitere Pegelmessbrunnen eingerichtet werden, um den Grundwasserstand entlang des Ortes zu prüfen. Derzeit gibt es auf der Nordseite der Autobahn nur eine einzige Messstelle. Doch die niedersächsische Landesbehörde für Straßenbau und Verkehr sieht keinen Grund, tätig zu werden. Sie verweist auf den Planfeststellungsbeschluss vom 29. Juni 2012, wonach der Grundwasserstand nicht nennenswert beeinflusst werde und keine Bauschäden zu befürchten seien. Das gelte auch weiterhin, heißt es in einem Schreiben der Behörde vom 27. März.

Klindtworth fühlt sich wieder an den Wachtelkönig erinnert. An die Diskussion um die Lärmschutzwand. Eine Zeit lang sah es so aus, als sollte für den gefährdeten Vogel extra eine Lärmschutzwand an der A26 gebaut werden, für die Rübker Einwohner aber nicht. Damals waren es die Verwaltung und die Politik der Gemeinde Neu Wulmstorf, die mit Hilfe einer Bebauungsplanänderung nachbesserten. Nur deshalb erhalten sowohl der Wachtelkönig als auch die Rübker eine vier Meter hohe Wand, die den Verkehrslärm von der Autobahn abschirmen soll.

Auch in der Frage der Grundwassermessung will die Gemeinde Neu Wulmstorf, zu der Rübke gehört, wieder einspringen. Zunächst hat Bürgermeister Wolf Rosenzweig vor, sich an das niedersächsische Verkehrsministerium zu wenden. Im Zweifelsfall will die Verwaltung, sofern der Rat es so beschließt, selbst aktiv werden. „Wir gehen notfalls unseren eigenen Weg und investieren selbst. Es kommt jetzt auch darauf an, Tempo zu machen“, sagte Rosenzweig. Dass die Neu Wulmstorfer Fraktionen im Sinne der Einwohner von Rübke entscheiden, gilt so gut wie sicher. Die CDU Neu Wulmstorf hat bereits bei der Gemeinde beantragt, zusätzliche Grundwassermessstellen einzurichten und zu betreiben.

Den Neu Wulmstorfer Fraktionen und der Verwaltung ist klar, welchen hohen Preis Rübke für die Autobahn 26 zahlen muss. Nicht nur weil die Verkehrslinie so nah am Ort entlang führt. Weitere Folgen sind noch längst nicht absehbar. Vor allem die Landwirte in Rübke machen sich Sorgen um ihre Zukunft. Insgesamt 350 Hektar gehen ihnen verloren. Sie erwarten, dass sie die Flächen, die ihnen zum Ausgleich zur Verfügung gestellt werden, nicht so intensiv bewirtschaften können wie die Grundstücke, die sie infolge des Autobahnbaus verlieren. „Dafür gibt es massive Auflagen“, ist sich Landwirt Helmut Benecke sicher. Noch dazu durchkreuzt die Autobahn zahlreiche Flächen und erschwert die landwirtschaftliche Bewirtschaftung. „Um den Vogel wird so ein Heck-Meck gemacht, und wo bleiben wir?“, fragte Ortsvorsteher Uwe Klindtworth.