Wo Backsteinwände heute Büros verbergen, wurde früher sehr viel kräftiger angepackt. Ein Künstler will das zeigen

Harburg. Der Harburger Binnenhafen heute: Gegen neun Uhr kommen die meisten Leute zur Arbeit, setzen sich hin und legen los. Der Harburger Binnenhafen noch vor wenigen Jahrzehnten: Gegen neun Uhr machen die meisten Arbeitnehmer schon Frühstückspause. Dann stehen sie auf und machen weiter. Dass im Binnenhafen allerdings einst der Umschlag das Geschehen bestimmte und nicht die Umschläge und dass Firmen, die hier etwas produzierten am Ende tatsächlich Produkte herstellten und keine Konzepte oder Werbefilme, scheint immer mehr in Vergessenheit zu geraten.

Werner Krömeke will das Vergessen verhindern. Er ist Architekt, Maler und Kunsthistoriker – und er hat eine Idee: Auf historischen Binnenhafenfassaden soll die Arbeitswelt von einst wieder sichtbar werden. Krömeke möchte alte Hafenszenen lebensgroß auf die Backsteinwände malen. Mal so, als würde man durch die Wand hindurchblicken; mal als würden sich die Szenen direkt vor der Fassade abspielen.

„Ohne den Bezug zur Arbeitswelt von einst sind die Fassaden nur ein Stapel Steine“, sagt Krömeke, „und ohne den Reiz des Vergangenen ist der Binnenhafen nur ein Gewerbegbiet, wie jedes andere.“ Am Computer hat Werner Krömenke schon ein paar Vorentwürfe gemacht. Die Szenen, die er aufmalen will, hat er sich nicht ausgedacht: Seine Motive stammen von alten Fotos. Die Bilder sollen deshalb auch in Schwarzweiß auf die dunkelroten Fassaden aufgebracht werden. „Bei meinen Vorrecherchen bei der Harburger Geschichtswerkstatt habe ich sehr interessante Motive gefunden. Richtig spannend ist, dass man einige Bilder genau dort umsetzen könnte, wo die Fotos einst entstanden sind.“

So gibt es zum Beispiel ein Motiv mit einer Gang samt Viez, die am westlichen Bahnhofskanal Sackgut umschlägt. Auch Wenn der ehemalige Hafenspeicher jetzt Büros und Parkplätze berherbergt: Die Fenster und Bodentüren, die auf dem Foto zu sehen sind, sind noch heute erhalten. „Alle Elemente der Fassade sind noch da, man muss ihr nur Leben einhauchen.“

Außer dem Gebäude am Bahnhofskanal kann sich Werner Krömeke auch Bilder am Palmspeicher, an der Gummikamm-Fassade sowie am Lagertank von Zehrer und Petersen vorstellen. Auch weitere Gebäude sind denkbar, aber dafür müsste er recherchieren und Fotos finden.

Mit Fassaden und Innenwänden beschäftigt sich der Künstler Krömeke immer wieder: Sei es, dass er sie als Motiv nimmt, indem er real bestehende Fassaden in Malereien abbildet oder verfremdet, sei es dass er sie als Medium benutzt um darauf Kunst zu verwirklichen. Derzeit hat er einen Gestaltungsauftrag für Sanierungsarbeiten am Alexander-von-Humboldt-Gymnasium in Wilstorf, der mit einem Lehrauftrag an der Schule gekoppelt ist. Gerne würde er seine Binnenhafenideen zusammen mit seinen Kunstschülern verwirklichen.

Sein Atelier hat Krömeke zwar auch in Wassernähe, aber in Winterhude, nahe des Osterbekkanals. Erst über den Auftrag am Alexander-von-Humboldt-Gymnasium kam Krömeke auf den Binnenhafen. „Hier in Harburg ist der Hafen ja ständig Gesprächsthema und da habe ich mal geguckt. Ich war gleich fasziniert. Das Besondere des Binnenhafens ist das Nebeneinander von Alt und Neu“, sagt er. „Damit das Alte aber nicht untergeht, muss man seine Besonderheit unterstreichen."“

Ob beim Helms-Museum, der Geschichtswerkstatt, der Kulturwerksstatt oder der Kontaktgruppe Binnenhafen: Überall, wo Krömeke seine Ideen bislang vorstellte, stieß er auf offene Ohren. Auch die Eigentümer der Gebäude, deren Bemalung er sich vorstellen könnte, sind interessiert. Allerdings müsste das Projekt noch finanziert werden. „Pro Motiv würde ich mit 7000 bis 9000 Euro rechnen“, sagt Werner Krömeke, „Das Geld müsste sich ja irgendwo auftreiben lassen.“

Mehr zu Werner Krömeke und seinen Binnenhafenplänen: http://www.baukunststudio.de/9.html