Bürger aus Moisburg reichen Untätigkeitsklage gegen den Landkreis Harburg ein und fordern Lärmschutzmaßnahmen

Moisburg. Der Landkreis Harburg muss sich einer Untätigkeitsklage stellen. Eingereicht wurde sie von Günter Pudwell und Britta Teichmann. Die Moisburger fordern die Verwaltung auf, umgehend Lärmschutzmaßnahmen für die Diskothek „Mic Mac“ zu erarbeiten und zeitnah umzusetzen. Seit Jahren fühlen sich die Anwohner von den Gästen der Kultstätte gestört und in ihrem Kampf um mehr Ruhe von Betreiber und Behörde alleingelassen.

Die Diskothek „Mic Mac“ ist ein Stück Moisburger Geschichte. 1972 öffnete der Partytempel vor den Toren Hamburgs zum ersten Mal seine Türen. Günter Pudwell und Britta Teichmann wurden mit die Diskothek groß. Sie wuchsen in direkter Nachbarschaft auf. „Kein Problem“, sagen beide. Doch jetzt sei das anders. 2006 machte die Kultdisco dicht. Ein paar Jahre später baute der Besitzer das Gebäude komplett um. Die Decke wurde dabei mit Dämmmaterial versehen. Außerdem bekam das Gebäude ein neues Dach. „Da muss wohl was schief gelaufen sein. Denn damit begannen ja erst die Probleme“, sagt Günter Pudwell. Und auch der Landkreis Harburg räumt ein, dass die Behörde nicht von Beginn an in die Umbaupläne eingeweiht war. „Wir wurden erst während der Baumaßnahmen informiert, konnten dann aber nach umfangreicher Prüfung die Umbauten genehmigen“, sagt Kreis-Pressesprecher Johannes Freudewald.

Als dann 2009 der reguläre Discobetrieb wieder begann, fühlten sich die Anwohner immer häufiger in ihrer nächtlichen Ruhe gestört. Nach einem weiteren Betreiberwechsel im November 2010 sei es mit der guten Nachbarschaft dann vollends vorbei gewesen: „Das Klientel hat sich geändert. Die Besucher gehen heute immer häufiger raus, lärmen auf dem Parkplatz rum, trinken und feiern dort“, sagt Günter Pudwell. Das gehe oft stundenlang so. Immerhin hat das Mic Mac an einem regulären Discotag in der Regel von 22 bis 6 Uhr geöffnet – und das manchmal auch unter der Woche. „Wir sind aber alle berufstätig, viele müssen früh morgens raus. Dass wir gut schlafen, ist wichtig, damit wir uns auf der Arbeit konzentrieren können“, sagt der Kranfahrer.

Auch Kay Rose ist verärgert. Der Brandenburger zog 2008 neben das geschlossene „Mic Mac“ in Moisburg. „Hätte ich gewusst, wie das mal wird, hätte ich das Haus damals ganz sicher nicht gekauft. Wenn die Disco geöffnet ist, finden meine Familie und ich kaum noch Ruhe“, sagt Rose. „Außerdem laufen immer wieder einige ‚Mic Mac‘-Besucher über unsere Grundstücke, pinkeln in unseren Garten. Das ist nicht schön“, fügt der 40-Jährige hinzu. Der Discolärm hat nach Aussage der Moisburger bereits zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen geführt. Roses zweieinhalbjährige Tochter leidet unter „eklatanten Schlafstörungen“, Günter Pudwell muss regelmäßig blutdrucksenkende Medikamente einnehmen und Britta Teichmann trägt ein Hörgerät. „Ihre Ärzte führen das im Wesentlichen auf Stress zurück“, sagt Susanne Pudwell.

Ihr Mann betont, er habe in den vergangenen Jahren immer wieder das persönliche Gespräch mit dem neuen Betreiber Michael Fritz gesucht und um Hilfe gebeten. Auch der Landkreis Harburg hat ab 2011 regelmäßige Messungen des Schallpegels in der Disco und auf dem Außengelände durchgeführt. Außerdem war ein Mitarbeiter der Verwaltung immer wieder vor Ort, um die Musikanlage der Diskothek „einzupegeln“. Drei TÜV-Prüfungen hätten seither belegt, dass Grenzwerte teilweise überschritten wurden, so Freudewald. Die letzte Messung führten die Experten im September 2013 im Schlafzimmer der Familie Pudwell durch. Ergebnis: die Werte für den sogenannten tieffrequenten Bereich waren zu hoch. Grund dafür: ein defekter „Limiter“, der den Schallpegel misst und dokumentiert und ihn automatisch auf den zulässigen Wert begrenzt.

„Das Problem hat mein Mandant bereits gelöst“, sagt Fritz’ Anwalt Dr. Ulf Hellmann-Sieg. In der Hauptdisco sei der „Limiter“ bereits von einer namhaften Firma ausgewechselt worden. Und auch für das sogenannte „Mini-Mic Mac“ habe Michael Fritz vorsorglich einen „Limiter“ bestellt. „Außerdem haben wir schon 2013 ein Optimierungskonzept in Auftrag gegeben, aus dem wir einzelne Maßnahmen nun gezielt umsetzen wollen“, so Hellmann-Sieg. Kernelemente sind die Einhausung der Belüftungsanlage des „Mini-Mic Macs“, die Verlegung des Eingangs sowie der Bau eines Lärmschutzwalls über fünf Meter Höhe und 30 Metern Länge. Michael Fritz habe bereits Mitte 2013 eine Bauvoranfrage für die Umstrukturierung des Eingangsbereichs beim Landkreis eingereicht. Mit der Aufschüttung begann er ebenfalls bereits im vergangenen Jahr, allerdings ohne Baugenehmigung. „Deshalb und weil der Wall auch zu mehr als zehn Prozent aus Bauschutt bestand, musste ihn der Discobetreiber wieder zurückbauen“, sagt Johannes Freudewald. Ein neuer Bauantrag liege dem Landkreis seit Ende März vor. Hellmann-Sieg weist indes darauf hin, dass die Nachbarn auch in Zukunft mit einem gewissen Maß an Geräuschen leben müssen. „Technischen Lärm kann man gut einfangen, menschlichen hingegen nur schwer. Gespräche, Motorengeräusche und klappende Türen wird es weiterhin geben“, so der Anwalt.

Dass das Problem nun auch die Justiz beschäftigt, liegt an der Untätigkeitsklage gegen den Landkreis Harburg. „Für unser Gefühl hat sich die Verwaltung in der Vergangenheit nicht intensiv genug um eine Lösung des Problems bemüht“, sagt Rechtsanwältin Maike Chandra, die die beiden Anwohner im Rechtsstreit vertritt. Bereits im Februar 2013 stellte sie beim Landkreis einen Antrag auf behördliches Einschreiten. „Dem wurde nie entsprochen“, sagt sie. Ein erster nicht-öffentlicher Erörterungstermin fand kürzlich vor dem Verwaltungsgericht in Lüneburg statt. Die Klage ist weiter anhängig und wird voraussichtlich in sechs Wochen erneut verhandelt.

Beim Landkreis hat das Verfahren indes für Erstaunen gesorgt. Freudewald betont: „Es gab 2013 mindestens zehn Vor-Ort-Termine und zahlreiche Maßnahmen, die den Lärmpegel reduziert haben. Zwischenzeitlich haben wir sogar versucht, die Diskothek wegen Lärmbelästigung zu schließen, sind damit aber vor Gericht gescheitert. Von Untätigkeit unsererseits kann keine Rede sein.“