Wie Harburger Geschäftsleute durch das internationale Netzwerk BNI die Umsätze ihrer Unternehmen vergrößern

Heimfeld. Der frühe Vogel fängt den Wurm. Als ginge es darum, dieser Binse zu immer währender Wahrheit zu verhelfen, treffen sich jeden Donnerstag 34 Männer und Frauen im Hotel Lindtner zu einem frühen Frühstück. „Tectona“ nennen sie ihren Verbund. Das klingt ein wenig sektenhaft und geheimbündlerisch. So ist ihr Treiben aber ganz und gar nicht. Auch wenn es von etlichen Ritualen lebt, die ehernes Gesetz bedeuten. Denn nur so sind dauerhaft prosperierende Geschäfte möglich. Um nichts anderes geht es hier, Woche für Woche.

Es ist kurz vor sieben Uhr. Während das Leben in der noblen Herberge an der Heimfelder Straße 123 gerade in Gang kommt, herrscht im Wintergarten im ersten Stock schon Hochbetrieb. Am Buffet wird kräftig zugelangt, der Kaffee fließt in Strömen. In kleinen Gruppen steht man dann zusammen, begrüßt einander freundlich und zugewandt. Dabei herrscht absolute Duzpflicht. Selten hat der Autor zu so früher Stunde so viele gut gelaunte und erwartungsfrohe Menschen auf einem Haufen erlebt.

Viertel nach Sieben hat jeder seinen Platz an der U-förmigen Tafelrunde eingenommen. Weil Olaf Schrape, Chef einer Druckfirma, jetzt jene Begrüßungsformel spricht, mit der die immer gleiche Agenda ihren Lauf nimmt. Schrape ist amtierender Direktor des Chapters „Tectona“, einer von mittlerweile elf Hamburger Regionalgruppen des Business Network International (BNI), eines weltweit agierenden Unternehmernetzwerks für Geschäftsempfehlungen (siehe Infokasten). Der Kernsatz des 53-Jährigen: „Wer gibt, gewinnt!“

Dann darf sich jedes der 34 Mitglieder vorstellen, wie jeden Donnerstag. Dafür hat es maximal eine Minute Zeit, keine Sekunde länger. Darüber wacht an diesem Tag Klaus Bartels, Inhaber einer Harburger Glaserei. Zehn Sekunden vor Ablauf der Frist hebt Zeitnehmer Bartels den Arm. Dann sollte die persönliche Präsentation samt Ansage aktueller Begehrlichkeiten dem Ende zugehen.

Malermeister Gert Krieger aus Neu Wulmstorf lässt wissen, dass er sich an Wochenenden zuweilen nicht ausgelastet fühle. Weshalb er da gern Praxen oder Kanzleien streichen würde, die unter der Woche ja Kundenbetrieb hätten. Chiropraktiker Jaan-Peer Landmann aus Vahrendorf sucht diesmal überraschender Weise auch „gesunde Menschen“ – um sie fit zu halten. Und Bauunternehmer Bernd Westermann, Geschäftsführer der Firma Carl Schütt, hätte erwartungsgemäß gern Kontakt zu Kunden, die „in Betongold“ investieren wollen, sich also für selbst genutzte Immobilien interessieren.

Die Werbung in eigener Sache treibt zuweilen skurrile Blüten. So behauptet Franz Peter Jungehülsing, Chef des Bestatters Albers: „Bei uns liegen sie richtig.“ Tischlermeister Manfred Aberger verspricht, seine metallfreien Schlafsysteme würden „Freude in jedes Bett“ bringen. Optiker Dirk Wiegels, ein Spezialist für Sportbrillen mit Sehstärke, wirbt damit, „ein Ohr für die Augen“ zu haben. Und Chapterdirektor Schrape, der nach eigenem Bekunden „für Papier brennt“, präsentiert schließlich eine stabile Hohlwandschachtel als repräsentative Hülle für kleine Präsente, mit denen sich etwa Hausverwalter bei besonders treuen und teuren Mietern bedanken könnten.

„Jedes Mitglied repräsentiert eine Branche“, erklärt Tim Komischke, Executive Director des BNI für Hamburg. Ein zweiter oder dritter Vertreter pro Branche sei nicht erwünscht. Deshalb gibt es vielerorts Wartelisten für Nachrücker. Die müssen sich teilweise lange in Geduld üben. „Eine Mitgliederfluktuation von 20 Prozent pro Jahr ist normal. In unserem Chapter haben wir aber eine Verlängerungsquote von 87 Prozent. Und 13 der Gründungsmitglieder von vor vier Jahren sind noch immer dabei“, sagt Schrape stolz.

Warum das so ist, wird klar, als der Tagesordnungspunkt „Empfehlungen und Danksagungen“ auf der Agenda steht. Wieder geht es reihum. Und jetzt wird ganz konkret, was die Mitgliedschaft in einem BNI-Chapter wirklich wert ist.

Vermittelt werden an diesem Tag unter anderem der Umbau eines Hauses, die Erneuerung einer ganzen Fensterfront, Pflasterarbeiten für einen Vorgarten und neue Kundschaft für einen Kursus in Nordic Walking. Und natürlich fanden sich spontan Chaptermitglieder, die Malermeister Krieger mit Aufträgen die Wochenend-Langeweile vertreiben.

Das alles geschieht mit einer großen Verbindlichkeit per archaisch anmutender Zettelwirtschaft. Denn jede Empfehlung wird penibel auf kleinen Vordrucken dokumentiert. Ein Exemplar geht an den Auftragnehmer, eins an die Chapterleitung. Der muss später auch der generierte Umsatz gemeldet werden. So wird genau registriert, wer mit wie vielen Empfehlungen an der Gruppenbilanz beteiligt war.

Heilpraktikerin Mechthild Brüggestrat bedankt sich an diesem Tag für die Empfehlung mehrerer Kunden, die ihr einen Umsatz von 4500 Euro beschert haben. Der vermittelte Wochenumsatz des Chapters betrug laut Olaf Schrape bei 23 Empfehlungen exakt 44.071 Euro. Im gesamten Monat März 2014 seien durch 59 Empfehlungen insgesamt 204.295 Euro Umsatz generiert worden.

Aber ließe sich das alles nicht auch in einem 14-tägigen Sitzungsrhythmus und zu einer moderateren Tageszeit bewerkstelligen? „Nein“, sagt Tim Komischke. „Mit diesem Turnus wird eine Verbindlichkeit hergestellt, die Vertrauen schafft und zudem nachweislich effizienter ist, als jede andere Taktung.“ Abends gebe es doch überdies immer Verhinderungsgründe, von der Mitgliedschaft in Vereinen und Organisationen bis zu familiären Verpflichtungen. Komischke: „Sieben Uhr mag sicher nicht jedem gefallen. Aber um diese Zeit gibt es einfach keine Ausreden.“