Sonntag wird der Vertrag zur Restaurierung der Neuenfelder Orgel unterzeichnet. Spender können Pfeifenpaten werden

Neuenfelde. Zwei Manuale, 34 Register, über 1300 Pfeifen von der Größe einer Kugelschreibermine bis zur Dicke eines Ofenrohrs – und kaum ein Teil, das nicht komplett überholt werden müsste. Die Sanierung der Arp-Schnitger-Orgel von Neuenfelde ist keine Aufgabe für Schnellaufgeber und Dünnbrettbohrer. Am Sonntag soll der Kontrakt mit dem Dresdner Orgelrestaurator Kristian Wegschneider unterzeichnet werden. 770.000 Euro kostet es, das Kulturdenkmal zukunftssicher flottzumachen. Um das zu finanzieren, ist die Kirchengemeinde auf Spenden angewiesen. Gut die Hälfte ist bereits zusammengekommen. Die Kirche ist zuversichtlich, bis zur Fertigstellung der Arbeiten auch den Rest noch aufbringen zu können.

Nicht nur für den Restaurator ist die Herrichtung des historischen Instruments eine große Aufgabe. Letztlich ist er zwar ein Experte seines Fachs, arbeitet jedoch auf Geheiß des Bauherren. Als Organist der Neuenfelder St.-Pankratius-Kirche ist Hilger Kespohl auf Gemeindeseite für die Restauration verantwortlich. Er ist ein Experte für alte Musik und historische Orgeln, hat einen Lehrauftrag an der Hochschule für Künste in Bremen und hat nicht nur an der Orgel ein feines Gehör: Nach der Organisten-Reifeprüfung an der Frankfurter Musikhochschule studierte Kespohl zunächst Tontechnik, bevor er sich dem Studium der Kirchenmusik zuwandte. Schon als Student errang er zwei internationale Orgelpreise.

Kespohl hat die Neuenfelder Organistenstelle nicht trotz, sondern wegen der Sanierung angenommen. „Als Orgelsachverständiger weiß man, wo die Herausforderungen warten und ich habe genau diese Herausforderung gesucht“, sagt er. Seit 2007 steht Kespohl in Dienste der Neuenfelder Gemeinde. So lange ist er auch dabei, die Restaurierung vorzubereiten.

Arp Schnitger hat diese Orgel im Jahr 1688 fertiggestellt. Ursprünglich war der Auftrag des Orgelbauers lediglich gewesen, die bestehende Orgel in der alten Neuenfelder Kirche zu demontieren und sie in die neue Kirche, die an selber Stelle errichtet wurde, wieder einzubauen. Als er dies tat, stellten die Neuenfelder und er bald fest, dass die alte Orgel für die neue Kirche zu klein war und kaum so prächtig klang, wie die Kirche aussah. Die Neuenfelder kommissionierten eine neue Orgel. Die alte wurde nach Stade verkauft.

Orgelbauer Schnitger lernte bei den Arbeiten in Neuenfelde seine Frau kennen und wurde hier sesshaft. In seiner Neuenfelder Werkstatt schuf er Instrumente, die seinen Weltruhm begründeten. Schnitger-Orgeln stehen von Stettin bis Groningen. Die Orgel in Neuenfelde gilt immer noch als eines seiner besten Werke, vor allem, weil Kirchengebäude und Orgel mehr oder weniger in einem Guss geplant wurden und die Kirche der Orgel als perfekt abgestimmter Resonanzkörper dient.

Die Restauration der Orgel ist ein komplexes System vielerlei verschiedener Baustellen. Vom Gehäuse über das Windwerk bis zu den Pfeifen muss gearbeitet werden. Da fallen Zierleistenfragmente herab auf den Spieltisch, da bröckelt der weiße Belag der Manualtasten, doch das sind nur die optischen Schäden. Allerdings ist die Orgel auch in ihrer Funktion beeinträchtigt. Sei es, dass Pfeifen nicht mehr hundertprozentig fest sitzen, was Nebenluft entweichen lässt, sei es, dass sich in den Pfeifen Bleizucker bildet; ein Acetat, dass in Kristallen ausblüht und die Tonbildung stört.

„Ein ganz großes Problem ist auch Schimmel“, sagt Hilger Kespohl. „Davon sind einige Teile der hölzernen Windladen betroffen. Dieses Problem ist in den letzten Jahren in vielen historischen Kirchen aufgetaucht.“

Für die Restauration wird die Orgel Mitte nächsten Jahres demontiert und nach Dresden gebracht. Eineinhalb Jahre später kommt sie zurück. Hilger Kespohl freut sich jetzt schon darauf. Wie er die Neuenfelder Gottesdienste in der Zwischenzeit begleitet, hat er noch nicht ganz überdacht. Es gibt eine kleine Zweitorgel in der Kirche. Möglich ist auch eine elektronische oder elektromechanische Orgel.

Um Geld zu sammeln, haben sich die Neuenfelder etwas einfallen lassen: Sie vergeben Pfeifenpatenschaften. Für eine nach Pfeifenklasse gestaffelte Spende wird man in ein Buch eingetragen und hat seine persönliche Pfeife in der Orgel. Die Patenschaft für eine große Prinzipalpfeife kostet 1000 Euro. Die kleinen Pfeifen im Rückpositiv kann man ab 50 Euro sponsern.

Am Sonntag ab 15 Uhr erklärt Orgelbauer Wegschneider seine Arbeit. Ab 16.30 Uhr spielt Hilger Kespohl Werke von Bach, Böhm, Lübeck, Scheidemann und Sweelinck. Der Eintritt ist frei, aber selbstverständlich kann man für die Restaurierung der Orgel spenden.