Am 1. April vor vier Jahren wurde das Sozialkaufhaus „fairKauf“ im Küchgarten 19 gegründet. Eine Erfolgsgeschichte

Harburg. Bereits eine Woche vor dem vierten Geburtstag, konnte sich das Team des Sozialkaufhauses „fairKauf“ über ein wichtiges Geschenk freuen: Die Bezirksversammlung Harburg genehmigte aus Gestaltungsmitteln des Bezirks 5000 Euro für die Anschaffung eines Kleinlasters zum Transport für Möbel und andere sperrige Gegenstände. „Diese Finanzspritze ist für uns enorm wichtig. Jetzt können wir noch schneller und kostensparender Waren von Spendern ins Kaufhaus holen und zu unseren Kunden bringen“, sagt Dirk Zieciak, Leiter der Einrichtung im Küchgarten 19.

Am 1. April vor vier Jahren öffnete das Sozialkaufhaus erstmals seine Pforten. Im Schnitt 200 Kunden verzeichnet es pro Tag, die längst nicht mehr nur südlich der Elbe wohnen. „Unsere Kunden, wie unsere Spender kommen auch aus dem Stadtgebiet“, so Zieciak, „mit diesem Zuspruch sind wir aus Harburg nicht mehr wegzudenken, der Bedarf ist einfach da.“

Daran kann es keinen Zweifel geben. Aktuell leben im Bezirk etwa 25.000 Menschen, die Sozialleistungen erhalten. Dass mit diesen nur Grundbedürfnisse befriedigt werden können, ist kein Geheimnis. Deshalb bieten Einrichtungen wie das Sozialkaufhaus „fairKauf“ eine gute Gelegenheit, mühsam ersparte Rücklagen in teilweise hochwertigen Konsumgütern anzulegen, die zuvor oftmals ein Vielfaches ihres jetzigen Preises gekostet haben.

„Bei uns gibt es nicht nur umfangreiche Speiseservice von Villeroy & Boch für 50 Euro, auch einen echten Pelzmantel für 100 Euro oder eine modische Ledercouch für 200 Euro“, sagt Zieciak. Auf den Bügeln in der Herren- und Damenabteilung finden sich zudem immer wieder echte Designerstücke von Armani, Boss und Lezard zu absoluten Tiefstpreisen.

Doch nicht jeder, der sich das mehr oder weniger problemlos leisten könnte, darf im Sozialkaufhaus auf Shoppingtour gehen. Wer hier einkaufen will, muss zuvor nachweisen, dass er Arbeitslosengeld II, Grundsicherung, Bafög oder Wohngeld bezieht, beziehungsweise nicht mehr als 850 Euro im Monat verdient. Das wird streng kontrolliert, Ausnahmen Fehlanzeige.

Ebenso wie die Abgabe in „handelsüblichen Mengen“. Denn immer wieder kommt es vor, dass Kunden versuchen, mit den „fairKauf“-Waren selbst Geschäfte zu machen. Wie der Migrant aus Afrika, der unlängst die dritte Couch innerhalb weniger Tage orderte. „Als Adresse hatte er zuletzt gleich einen Container im Hafengebiet angegeben. Da sind unsere Spediteure wieder umgekehrt und der Kauf wurde rückgängig gemacht“, berichtet Zieciak.

Und auch das gibt es immer wieder: Trotz der Niedrigpreise werden allzu oft Diebstähle registriert. Unlängst hatte ein Mann einen ganzen Anzug unter seiner Kleidung versteckt, obwohl der komplett keine 30 Euro gekostet hat. „In solchen Fällen sprechen wir konsequent Hausverbote aus“, sagt Dirk Zieciak. Der sich inzwischen auch nicht mehr darüber wundert, dass selbst bei Fünf-Euro-Artikeln noch versucht wird, zu handeln.

Doch „fairKauf“ im Küchgarten ist weit mehr als ein Kaufhaus. Das 1200 Quadratmeter große Areal ist vom Betreiber IN VIA auch als Trainingsraum für Langzeitarbeitslose konzipiert. Im Kaufhaus arbeiten momentan mehr als 100 Mitarbeiter, in der Regel aus geförderten Beschäftigungsverhältnissen verschiedener Art. Nicht nur im An- und Verkauf, auch im Transportteam, in der Möbelwerkstatt, in der Näherei/Wäscherei sowie in der Gastronomie.

„Durch ihre Tätigkeit im Sozialkaufhaus sollen die Mitarbeiter durch individuelle Beratung und gezielte Fortbildung wieder für den ersten Arbeitsmarkt fitgemacht werden“, sagt Paul Banduch von der Pädagogischen Leitung des Kaufhauses. Eine nicht immer ganz leicht Aufgabe, wie seine Kollegin Marianne Sorokowski weiß. „Es gibt Männer und Frauen, die sind schon seit 20 Jahren arbeitslos“, sagt sie. Da gelte es nicht nur Fähigkeiten und Fertigkeiten auf den aktuellen Stand zu bringen, sondern auch am Selbstwertgefühl und Selbstbewusstsein zu feilen. „Weil die Problemlagen der Mitarbeiter so vielschichtig sind, vom Pfändungsbescheid über Wohnungslosigkeit bis zu handfesten Existenzängsten ist die psychosoziale Betreuung so wichtig“, sagt Marianne Sorokowski.

Dabei sind flexible Arbeitszeitmodelle Trumpf. Von Teilzeit mit 15 Arbeitsstunden pro Woche bis zu Vollzeit ist alles möglich. Überdies bietet das Sozialkaufhaus seinen Mitarbeitern die gemeinsame Sichtung von Stellenanzeigen, Hilfe bei Bewerbungen und auch direkte Kontakte zu Arbeitsvermittlern an.

Dafür wird gern das Kaufhaus-Café mit seinen 40 Plätzen und drei Internetzugängen im ersten Stock genutzt. Es ist mit seinen Snacks wie belegten Brötchen für 60 Cent zum Frühstück, wechselnden warmen Malzeiten für 3,50 Euro zum Mittag und leckerem Kuchen zum Stückpreis von einem Euro nicht nur die hauseigene Kantine, sondern Kontaktbörse. „Hier verabreden sich auch Senioren und Mütter zum Plausch und Austausch. Das macht das Kaufhaus auch zu einem wichtigen sozialen Treffpunkt“, so Dirk Zieciak.

Die Einrichtung ist längst zu einem Erfolgsmodell geworden. „Durch unsere arbeitsmarktnahe Betreuung und Weiterbildung haben wir inzwischen einen guten Ruf“, sagt Paul Banduch. Wer zuverlässige Verkäufer, Küchen- und Reinigungskräfte sucht, fragt immer öfter im Sozialkaufhaus nach.