Der Bundestagsabgeordnete für Harburg, Wilhelmsburg und Bergedorf zieht Bilanz nach 100 Tagen Koalitions-Arbeit

Berlin/Harburg. Berlin-Mitte am Donnerstag, 3. Februar. Es ist bereits zehn vor acht. Der Plenarsaal des Bundestages ist längst nicht mehr plenum – lateinisch für voll – aber das Parlament arbeitet noch. Zur Debatte steht ein Antrag der Linken. Die strafbefreiende Selbstanzeige für Steuerhinterzieher soll abgeschafft werden. Bundestagsvizepräsidentin Claudia Roth ruft den nächsten Redner auf: „Das Wort hat der Abgeordnete Hakverdi für die SPD.“

Wilhelmsburg, etwa einen Monat später. Im alten Wilhelmsburger Wasserwerk, unweit der Straßen seiner Kindheit und Jugend. zieht Hakverdi Bilanz seiner ersten 100 Tage als Abgeordneter im laufenden Politikbetrieb. So früh schon die erste Rede gehalten zu haben, zählt natürlich zu den Highlights. Es gibt Abgeordnete, die Jahre auf diese Gelegenheit warten. „Auch wenn der Saal nicht voll ist, ist das noch eine respekteinflößende Situation“, sagt er. „Abgeordnete, 24 Kameras, die Kuppel voller Zuschauer und Claudia Roth im Rücken.“

Berlin im Februar. Metin Hakverdi beginnt die Rede mit Höflichkeitsfloskeln, bügelt elegant den ersten Zwischenrufer ab und schlägt diplomatische Töne an: Die bisherige Debatte habe ja gezeigt, dass man durchaus Gemeinsamkeiten hätte: Alle Fraktionen wollen mehr Steuergerechtigkeit.

Wilhelmsburg im März: „Ich hatte eigentlich damit gerechnet, als Parlamentsneuling nur kleine Rädchen drehen zu dürfen und in die Ausschüsse delegiert zu werden, die sonst keiner will, aber es kam anders,“ sagt MdB Hakverdi. Seine Vorerfahrung in den parlamentarischen Untersuchungsausschüssen zur Elbphilharmonie und vor allem zur HSH Nordbank als Bürgerschaftsabgeordneter qualifizierte den Wilhelmsburger für den mächtigen Finanzausschuss und ein Stellvertretermandat im Haushaltsausschuss, als Jurist sitzt er außerdem im Rechtsausschuss.

Kleine Rädchen werden in Berlin ohnehin nicht gedreht, hat Metin Hakverdi festgestellt. Und ein Haifischbecken sei die Hauptstadt auch nicht: „Alle Abgeordneten arbeiten in Sachfragen hochprofessionell zusammen, auch wenn sie politische Gegner sind. Auch mit der Gegnerschaft wird in professioneller Fairness umgegangen. Das ist ja mancherorts anders.“

Die Professionalität des Berliner Politikbetriebes bedeutet auch ein Arbeiten in hoher Schlagzahl. Das merkte Metin Hakverdi nach seiner ersten Rede: „Zwei Stunden nach einem Redebeitrag erhält man das Protokoll und hat noch einmal zwei Stunden Zeit für Korrekturen“, sagt er. „Danach wird das Protokoll ins Netz gestellt.“ Viel korrigieren kann man ohnehin nicht, denn alle Redebeiträge können als Video auf der Bundestags-Homepage abgerufen werden.

Auch bei seiner ersten Auslandsreise – mit dem Finanzausschuss war er am Montag und am Dienstag in Brüssel, um sich über die Europäische Bankenaufsichtsbehörde EBA zu informieren – merkte Hakverdi den hohen Arbeitstakt: „Wir landeten um halb zehn in Brüssel, ab zehn saßen wir in einem Besprechungsraum und bis sieben Uhr abends kamen im Stundentakt neue Referenten. Am Dienstag ging das so weiter vom Frühstück bis zum Rückflug.“

Bundestagsabgeordnete haben etwas mit Bohrinselarbeitern gemeinsam: 14 Tage arbeiten sie weit weg von zu Hause, dann geht es 14 Tage in die Heimat. Die schnelle ICE-Verbindung macht es für Hamburger Abgeordnete allerdings auch möglich, abends noch Termine im Wahlkreis wahrzunehmen – wenn der Berliner Terminkalender es zulässt. „Das habe ich schon zwei mal gemacht“, sagt Metin Hakverdi. „Um 17 Uhr endet die Fraktionssitzung, um 19 Uhr kann man in Hamburg sein.“

Berlin, 20. Februar, 19.52 Uhr: Metin Hakverdi argumentiert mit Max Webers Begriffen von Gesinnungsethik und Verantwortungsethik. Durch Selbstanzeigen nehme der Staat jährlich drei Milliarden Euro an Steuernachzahlungen ein. Dies sei per Fahndung niemals zu erreichen. Zwar sei Bestrafung im Einzelfall gerechter, sie würde aber nicht dazu führen, dass man bei mehr Steuerbetrügern nachkassieren könnte.

Wilhelmsburg im März. Auch aus seiner Tätigkeit im Rechtsausschuss kann Metin Hakverdi schon vermelden, Eindruck hinterlassen zu haben. Ein ganzer Satz in der Neufassung Paragraphen 108e StGB, er bestraft Abgeordnetenbestechung, geht auf einen Einwand Hakverdis zurück. „Die ursprüngliche Fassung hätte nur Gremien, wie den Bundestag, den Landtag und echte Kommunalparlamente erfasst. Die Bezirksversammlungen in den Stadtstaaten sind aber keine Kommunalparlamente im engeren Sinne. Allerdings entscheiden sie zum Beispiel über Bebauungspläne. Das macht sie zum Ziel für Bestechungsversuche.“

Nun sind die Bezirksabgeordneten über Absatz 3, Satz 2 des Paragraphen mit eingeschlossen. Bislang waren sie es nicht, dabei berät so mancher Kommunalpolitiker als Anwalt Klienten in Genehmigungsverfahren. „Die Arbeit in den Ausschüssen und in der Fraktion ist eine echte Herausforderung“, sagt Metin Hakverdi. „Aber das ist auch gut so. Meine Lernkurve zeigt gerade steil nach oben.“

Berlin, 20. Februar, 19.55: Metin Hakverdi schließt seine Argumentationskette und begründet damit, warum die SPD den Antrag der Linken ablehnen wird. Claudia Roth bedankt sich für den Beitrag und gratuliert Hakverdi zu seiner ersten Rede.

Wilhelmsburg, Ende März: Metin Hakverdi geht durch den Kurdamm und atmet abendliche Heimatluft. Das erdet. Montag gehen wieder zwei Sitzungswochen in Berlin los.