Eine Glosse von Sabine Skibbe

Kleider machen Leute, wusste schon der Dichter Gottfried Keller. An Aktualität hat diese Geschichte irgendwie nichts eingebüßt, ist mir gerade mal wieder aufgefallen. Meine Freundin ist mit einem Radiologen verheiratet, nennen wir ihn Ralph Müller. Als dieser Herr Dr. Müller noch keine eigene Praxis hatte, hat er öfter Praxisvertretung bei einem befreundeten Arzt gemacht. Das Honorar dafür zahlte der Arzt per Scheck. Mit eben diesem Scheck ging zunächst meine Freundin zu dem Geldinstitut, das man auch Hausbank nennt und wollte den Scheck auf dem Konto ihres Mannes gutschreiben lassen. Abgelehnt! Der Bankmitarbeiter teilte ihr rüde mit, der Herr Doktor müsse selbst erscheinen.

Widerwillig machte sich also Herr Müller auf den Weg. Seinen Sohn hatte er sich auf die Schultern gesetzt, gekleidet war der Arzt recht lässig. In seiner Freizeit kümmert er sich nicht so sehr um eine Kleiderordnung, fährt lieber Motorrad oder pusselt im Garten herum. In der Bankfiliale war diesmal eine Mitarbeiterin am Schalter. Der Radiologe – wohlgemerkt: leger gekleidet – schob ihr den Scheck rüber und bat darum, das Geld auf seinem Konto zu verbuchen. Die Dame musterte den Mann mit dem Jungen, blickte auf den Scheck und stellte dann die bemerkenswerte Frage: „Und wer ist jetzt eigentlich Dr. Müller?“