Die meisten Cranzer begrüßen die Idee einer Erhaltungsverordnung für ihr Dorf. Es gibt jedoch auch Bedenken.

Cranz. Was ist wichtiger für einen kleinen Ort, wie Cranz? Das schöne Ortsbild zu erhalten oder Leerstände und Baulücken zu vermeiden? Gibt es gar einen Mittelweg? Bei der Informationsveranstaltung des Stadtplanungsausschusses am Montag in der Schulaula begrüßten die meisten Cranzerinnen und Cranzer die geplante Erhaltungsverordnung für den Cranzer Estedeich. Es gab aber auch kritische Stimmen.

„Das idealtypische Cranzer Haus hat einen rechteckigen Grundriss und ein Satteldach, steht mit dem Giebel zur Straße, direkt an der Straße oder am Deich, und hat stehende Fenster sowie einen schmalen Abstand zum nächsten Haus.“ Seit Montagabend wissen die Cranzer das, denn da stellte Stadtplaner Gerd Kruse das Gutachten vor, das Grundlage der Erhaltungsverordnung sein soll. Gut 100 Cranzerinnen und Cranzer waren zu der Informationsveranstaltung gekommen.

Auf dem Podium saßen neben Kruse, dessen Büro „Elbberg“ das Gutachten erstellt hatte, Harburgs Baudezernent Jörg Heinrich Penner; der Sprecher des Stadtplanungsausschusses der Bezirksversammlung, Muammer Kazanci; der Harburger Stadtplanungsamtsleiter Carl-Henning von Ladiges und dessen oberste Landschaftsplanerin Monika Uhlmann. Kazanci erklärte den Cranzern, wie die Politik überhaupt darauf gekommen war, für Cranz eine Erhaltungsverordnung zu erarbeiten: „Das Bauamt hatte uns informiert, dass in Cranz ein großes Bauprojekt geplant war, das das Amt hätte genehmigen müssen, wäre es nicht aus anderen Gründen abgebrochen worden. Der Bau hätte das Ortsbild stark verändert. Mit einer Erhaltungsverordnung könnten wir Ortsbildzerstörung verhindern.“

Während Kazanci zur Verschwiegenheit verpflichtet ist, was Details des anstößigen Bauvorhabens angeht, wussten die meisten Cranzer Bescheid: Auf dem Grundstück des ehemaligen Café Albers war ein Wohnkomplex geplant. Die Nähe des Dorfes Cranz zum Finkenwerder Airbus-Werk weckt Begehrlichkeiten bei Investoren, die Monteurs-Appartements errichten wollen.

Ein solcher Block mit Airbus-Wohnungen steht bereits in Cranz: Das „Haus an der Spiegelkurve“, wie es im Ort nur genannt wird, gefällt den meisten Cranzern überhaupt nicht. Deswegen begrüßten viele der Anwesenden auch die Erhaltungsverordnung. Nach dieser hätte das Haus nämlich so nicht gebaut werden dürfen. Es verstößt gegen so ziemlich jedes Charakteristikum, das Stadtplaner Kruse genannt hatte.

Andererseits macht das umstrittene „Haus an der Spiegelkurve“ auch ein Cranzer Dilemma deutlich: Das Grundstück war jahrelang ungenutzt geblieben, wie einige andere Häuser am Estedeich auch: Das Café Albers steht nunmehr seit eineinhalb Jahren leer, genau wie ein großes Wohnhaus am Ortseingang und ein paar andere Häuser. Die Gründe dafür sind unterschiedlich, aber manche Cranzer befürchten, dass mit einer Erhaltungsverordnung Einschränkungen einher gehen, die es unattraktiv machen, in Cranz zu investieren. „Wie will man denn Häuser verkaufen, die direkt an der Straße stehen und bei denen ständig der Bus vor dem Fenster vorbeifährt? Man kann dann ja nicht mal sein Auto vor der Tür abstellen“, sagte Herbert Cramer. Er befürchtet einen Verfall der Grundstückspreise in Cranz, die ohnehin schon zu den niedrigsten in Hamburg gehören.

Das Gegenteil sei der Fall, entgegnete Carl-Henning von Ladiges: „Die Wohnumgebung ist doch ein entscheidender Faktor beim Hauskauf“, sagte er, „und wenn garantiert werden kann, dass das Umfeld erhalten bleibt, ist das auch positiv für den Grundstückswert.

Schon jetzt entsprechen längst nicht alle Häuser in Cranz dem von Kruse vorgestellten Idealbild. Fast die Hälfte weicht irgendwo ab. „Diese Häuser müssen jetzt nicht abgerissen und auf alt getrimmt neu gebaut werden, Es gibt Bestandsschutz“, sagte Jörg Heinrich Penner. Bei großen Sanierungen sollte man allerdings versuchen, wieder näher ans Idealbild zu kommen. Gerd Kruse zeigte mehrere Beispiele von Sanierungen und Neubauten, die modernes Bauen und altes Ortsbild in Einklang bringen.

Mit dem Bestandsschutz war den meisten Anwesenden die größte Sorge genommen. Und auch, dass die Verordnung hauptsächlich die sichtbaren Bereiche betreffen soll. Viele planen Erweiterungen hinter ihren Häusern. Dort lauert allerdings das nächste Ungemach: Sollten wegen der Buxtehuder Estedeich-Pläne die Cranzer Überflutungsflächen vergrößert werden, bliebe – zumindest an der Esteseite – kaum noch Fläche über, die neu bebaut werden dürfte. Das steht jedoch auf einem ganz anderen Blatt.