Die ersten Pfähle für das Fundament werden in dieser Woche eingesetzt. 1,6-Millionen-Euro-Projekt ist im Zeitplan. Polizei registriert weniger Unfälle

Winsen. Der alte Brückenpfeiler sieht schon arg ramponiert aus. Die Zähne von Abrissschaufeln haben an ihm genagt. Auf dem Traggerüst, das die Luhe vor herunterfallendem Schutt schützt, steht ein Bagger. Der Radweg ist unterbrochen und Spundwände schützen die Baustelle vor möglichen Überflutungen. Die Bauarbeiten an der Luhe-Brücke auf der Hansestraße, einer der wichtigsten Zufahrten zur Kreisstadt, gehen jetzt vom Abriss in den Neubau über. „In dieser Woche sollen die ersten zwölf Meter langen Großbohrpfähle gesetzt werden, auf die die Brücke gegründet wird“, sagt Christian Magill, Sachgebietsleiter Brückenbau bei der Niedersächsischen Landesbehörde für Straßenbau und Verkehr in Lüneburg. Das aus Beton gegossene Fundament soll dem 1,6 Millionen Euro teuren Bauwerk so viel Halt geben, das es die nächsten 100 Jahre bis zu 40 Tonnen schwere, über die Straße hinweg rollende Lasten aushalten kann. Die alte Brücke war seit 2011 nur noch für Fahrzeuge bis 3,5 Tonnen freigegeben.

Magill ist zufrieden. Die am 20. Januar begonnenen Arbeiten liegen im Zeitplan. Ende Oktober sollen sie beendet sein. „Wir überwachen das Projekt. Geht es zu langsam, muss der Einsatz verstärkt werden“, sagt der Bau-Ingenieur, der in Buxtehude studiert hat. Bisher war das nicht nötig. Die Lingener Firma Hofschröer, ein Brückenspezialist, kommt gut voran. Ohnehin können die Mitarbeiter ihre Arbeitszeiten kaum ausdehnen. Denn die Brücke liegt im Flora-Fauna-Habitat-Schutzgebiet. Setzt die Dämmerung ein, ist Schluss. Vögel sollen nicht gestört werden. Der Naturschutz war zudem einer der Gründe dafür, dass man während der Bauarbeiten auf eine Behelfsbrücke verzichtet hat: In der lauschigen Natur, die viele Spaziergänger nutzen, hätten reichlich Bäume fallen müssen. Nicht zuletzt: Eine Behelfsbrücke wäre einschließlich des Abbaus auch mit 1,5 Millionen Euro zu Buche geschlagen.

Jetzt bückt sich Magill und hebt einen dünnen Streifen Metall auf. Dieser Spannstahl ist korrosionsanfällig und wird so mit der Zeit dünner und wenig fest. Eine ähnliche Materialermüdung brachte schon die Berliner Kongresshalle, die „Schwangere Auster", 1980 zum Einsturz. Das sollte bei der 1959 gebauten Brücke nicht geschehen. So reifte die Entscheidung, neu zu bauen. Das beschert der Stadt nun das vom Land finanzierte Bauwerk mit etlichen Neuerungen. Zu ihnen gehören die nach außen geschwungenen Portale an jedem Ende, für die die Stadt die Steine aussuchen kann und ein Abfluss für das Regen- und Schmutzwasser, das bisher in die Luhe floss. Künftig jedoch wird das Wasser nach beiden Seiten in Rinnen gelenkt, fließt dann in Schächte und von dort in einen Filter, der Feststoffe und Öl aufnimmt.

Die knapp 52 Meter lange, 15 Meter breite Brücke erhält wieder Fahrradwege auf beiden Seiten der Landesstraße 234 und unter ihr führt in einem Trog ein Radweg quer zur Brücke in das Parkgebiet. Statt auf Fertigteile setzt Magill auf einen Bau aus einem Guss. Damit bleibt die Betonkonstruktion überall einsehbar, während bei Fertigteilen Schalteile ausgegossen und damit der untere Bereich später kaum mehr kontrolliert werden kann. „Wir sind mit dieser Bauweise kaum langsamer und erhalten einen schlankeren Querschnitt“, sagt der Experte. „Die Winsener werden ihre Brücke mögen.“

Der Baubeginn war jedoch wenig begeistert aufgenommen worden, weil die Einwohner Staus befürchteten. Dies wurde nach Angaben der Polizei aber durch optimal ausgesteuerte Ampelprogramme weitgehend vermieden. „Zudem haben sich die Anwohner neue Wege gesucht, um Staus zu umgehen“, sagt Lothar Reinhard, Sachbearbeiter Verkehr der Polizeiinspektion Harburg. Der Hauptkommissar kommt in einer für das Abendblatt erstellten Ausarbeitung zu dem Ergebnis, dass es auf den Umleitungsstrecken im Februar sogar weniger Umfälle gegeben hat als im Vorjahr. Hintergrund dafür ist auch die auf 30 km/h begrenzte Höchstgeschwindigkeit in Teilen der Innenstadt. Dennoch spricht Theo Bettendorf, geschäftsführender Gesellschafter des Modehauses Düsenberg&Harms, von „katastrophalen Verkehrsverhältnissen morgens und zum Feierabend. Meine Mitarbeiter brauchen zehn bis 15 Minuten länger bis an ihren Arbeitsplatz.“

Wie sich die Baustelle auf den Umsatz in der Stadt auswirkt, ist bisher nicht gesichert. Bettendorf, der auch 2. Vorsitzende des für Kaufleute gegründeten Vereins für Wirtschaft- und Stadtentwicklung Winsen ist, hält es für möglich, dass die Geschäfte im Luhepark nahe der Brücke Einbußen hinnehmen müssen. Ähnlich sieht das Matthias Wiegleb, der Leiter der städtischen Wirtschaftsförderung. Denn die Hansestraße ist jetzt Sackgasse. Auf Abendblatt-Anfrage wollte sich die Leitung der nahe der Baustelle gelegenen Famila-Filiale nicht äußern. Immerhin: In sein Marketing hat das Warenhaus die Situation schon aufgenommen. In Anzeigen gelten Sonderangebote als Winsener Brücken-Kracher.